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14 Leos für Harry Kane!

Gestern schrieb eine Frau, die sich durch ihr lebenslanges politisches und gesellschaftliches Engagement alle Meriten verdient hat, die man sich verdienen kann, dass sie die Transfersumme von 100 Millionen Pfund (+)  für den englischen Stürmer Harry Kane für eine Perversion halte. Und sie rechnete vor, wieviele Wohnungen man hätte in München dafür bauen können, wieviele Kindergärten man hätte errichten können, wie viele Pflegekräfte man hätte dafür bezahlen können oder wie viele Frauenhäuser davon hätten finanziert werden können. Und sie fuhr fort und attestierte unserer Gesellschaft einen spätkapitalistischen Charakter.

Ich gebe der Autorin des Beitrags in allen Punkten recht. Und ich finde, dass vieles noch plastischer wird, wenn man andere Äquivalente aufruft, die dem vermeintlichen Wert eines Fußballspielers entsprechen. Für den Brasilianer Neymar bezahlte der sich in katarischer Hand befindliche Pariser Verein PSG vor wenigen Jahren bereits 300 Millionen Euro. Das entsprach dem Äquivalent eines Air Busses. Dagegen ist Harry Kane noch relativ preiswert. Er entspricht einer bereits geleisteten Lieferung von 14 Leopard-Panzern aus dem Bestand der Bundeswehr. 14 Leos für Harry Kane! Führt man sich das vor Augen, dann ist die Beschreibung der jetzigen Situation als spätkapitalistisch zwar richtig, aber nicht drastisch genug.

Vier Jahrzehnte des Neoliberalismus und Neokonservatismus haben nicht nur dazu geführt, dass alle Gesellschaften des Westens in Bezug auf ihre Besitzverhältnisse tief gespalten sind und astronomischer Besitz Weniger immer mehr mit der Existenz aus der Mülltonne Vieler korrespondiert, sondern auch der Begriff des Gemeinwohls zu einem Fremdwort geworden ist und alles, was der Perversion einen Tempel setzt, gefeiert wird wie ein Sieg der Zivilisation. Genau das Gegenteil ist der Fall. Wenn der nicht mehr zu leugnende Niedergang des Westens von seinen Ursachen zu beschreiben ist, dann sind es nicht irgendwelche teuflischen Systeme, die ihn von außen infiltrieren und schwächen. Es sind die inneren Kräfte des pathologischen Egoismus, der nicht mehr einzudämmenden Gier und der Glaube, Reichtum generiere sich aus Räuberei. Was nach dem vermeintlichen Ende der Geschichte auf der Strecke geblieben ist, sind Charakter, Haltung, Selbstverpflichtung, Leistung und der Respekt gegenüber der Freiheit anderer, ihren eigenen Weg zu wählen, sofern er nicht auf Kosten wiederum anderer ist. 

Eine Reise in die USA, der Führungsmacht des Westens, sollte genügen, um zu erfahren, was hier noch alles blühen wird, bevor die letzten Akte der Selbstzerstörung vollendet sind. Eine kleine Rundfahrt durch den Großraum San Francisco würde reichen, um entlang der Obdachlosenunterkünfte von Menschen mit Qualifikation und Job einerseits und den bewachten Luxus-Compounds der Digital-Billionäre andererseits eine Dystopie zu erleben, die vor dem glorreichen Einzug des Wirtschaftsliberalismus sich hätte niemand vorstellen können. Und der aktuelle Krieg, den von den Aktiven in der politischen Verantwortung niemand beenden will, wird vielleicht irgendwann noch beendet werden können. Aber dann spielen diejenigen, die heute Feuer und Flamme für diesen Krieg sind, keine Rolle mehr. Deshalb wehren sie sich auch so hartnäckig gegen jede Friedensinitiative.   

Zurück zu dem FC Bayern und Harry Kane. Es spricht Bände, dass es kaum aufstößt, dass der Verein bereits 11 mal hintereinander die Deutsche Meisterschaft gewonnen hat. Das ist ein Sieg des Monopolismus. Der Fußball ist und bleibt eine Referenz an die tatsächlich herrschenden Zustände der Gesellschaft. Und mir wäre lieber, statt der 14 Leopard-Panzer würde ein Harry Kane in die Ukraine geschickt. Vielleicht gelänge es ihm, ein Freundschaftsspiel von Mannschaften aus beiden Lagern zu organisieren. Dann würde ich mich nicht einmal über den Preis aufregen.

Die Freude am Spiel verdorben

Obwohl ich meinerseits eher skeptisch bin und glaube, dass die bevorstehende Fußballweltmeisterschaft in Russland dazu benutzt werden wird, die Zuschauerinnen und Zuschauer ideologisch bis zum Überdruss zu bekneten, will ich den Versuch wagen, mich auf das Ereignis im positiven Sinne ein wenig einzustimmen. Ein guter Anlass war das gestrige Pokalfinale zwischen dem bayrischen Staatsverein und Eintracht Frankfurt. Letztere gewannen das Spiel souverän, was den Monopolisten erzürnte und seine schlechten Seiten dokumentierte und zeigte, wie Ausnahmen im kalkulierten Machtspiel das Publikum beglücken können.

Es war so, wie es in den letzten Jahren immer war. Bayern München war gesetzt, auch wenn das ewige Gerede von einem Triple wieder einmal gegen Real Madrid verstummt war. Aber das Double, meine Herrschaften, wir bitten Sie! Nur hatten die Münchner Aufsichtsräte, Präsidenten und Anteilseigner gestern den Falschen gebeten. Frankfurt machte das, was der Reporter dem Team als Kernqualität bescheinigte und quasi als Anspielung auf die vielen Akteure vom Balkan auf Frankfurter Seite einen leichten kulturellen Seitenhieb enthielt: Sie verdarben den Bayernspielern die Freude am Spiel. Dem bezahlten Redundanz-Redner der Fernsehanstalten sei kein Vorwurf gemacht, der Affront kam aus dem Unbewußten, und, was die Wirkung anbelangte, stimmte seine Aussage. Dass die Fähigkeit bei den Menschen vom Balkan besonders ausgeprägt ist, ist die Überprüfung jedenfalls nicht wert.

Jeweils reichten einer aggressiv pressenden Eintracht zwei Konter des durch seine Schnelligkeit und Konsequenz überragenden kroatischen Nationalspielers Ante Rebic, der seinerseits über ein Jahresgehalt verfügt wie die Münchner Balljungen, um Bayern München Schachmatt zu setzen. Dass in dem Spiel noch reklamiert wurde, dass Videobeweise herangezogen wurden, dass sich der Monopolist benachteiligt und verschaukelt fühlte, alles das änderte nichts an der taktischen Überlegenheit Frankfurts, das nach der alten chinesischen Generalsweisheit zu agieren schien: Kennst du deine Feinde, kennst du dich selbst, hundert Schlachten ohne Schlappe! Und so geschah es. Am Schluss hieß es 3:1 für Frankfurt und der Pokal steht nun in einer Vitrine am Main.

Wie es mit der Psyche von Monopolisten steht, die nicht den gewohnten Löwenanteil serviert bekommen, konnte nach dem Spiel beobachtet werden. Die nicht ans Verlieren gewöhnten Akteuere verschwanden lautlos in den Katakomben, ohne dem Gewinner den nötigen Respekt zu zollen. Von dem aus dem dem Ruhrpott stammenden Hermann Gerland, seinerseits ewig in bayrischen Diensten, stammt der, angesprochen auf das ewige Bayerndusel, kluge Satz: Immer Glück ist Können. Da ist sicherlich etwas dran. Gestern gab es kein Dusel, weil die anderen auch etwas konnten und weil es wohl so war, dass manchem Spieler die Bedeutung des „Kinder-Pokals“ etwas zu sehr entglitten war. 

Es war das letzte Spiel der Legende Jupp Heynckes. Er wurde und wird verabschiedet von den bayrischen Chronisten als einer der erfolgreichsten Trainer der Vereinsgeschichte, der die Bayern in dieser Saison aus dem Desaster eines Versagers wie Ancelotti rettete. Von den Ergebnissen war der Italiener besser. Aber was soll es, das Narrativ zählt, nicht die Fakten. Sicher ist hingegen, dass mit Jupp Heynckes ein großer Sports- und Gentleman die Bühne verließ, der das allgemeine Niveau des Staatsvereins von der Isar immens gehoben hat. Möge er die ihm hoffentlich in großer Anzahl verbliebenen Tage der Kontemplation im flachen, regnerischen Land des Niederrheins genießen. 

Und mögen uns bei der kommenden WM Streiche wie die gestrigen des Ante Rebic in großer Zahl überraschen.

  

Spannung im Maschinenraum

Noch ist die Saison nicht beendet. Dennoch lässt sich ein Resümee ziehen. Da ist die Meisterschaft von Bayern München, das sich mit seiner Politik wie nie zuvor zu einem Monopol generierte. Der sportliche Erfolg für diese Position ist nicht so, wie von den dortigen Protagonisten erwartet. Die Meisterschaft wurde unangefochten gewonnen, doch der universale Anspruch erlitt wieder einmal eine Niederlage. Mit dem Ausscheiden im DFB-Pokal gegen den Konkurrenten der letzten Jahre, Borussia Dortmund, erlitt man eine symbolisch bedenkliche Schlappe und vom CF Barcelona wurde man im Halbfinale der Champions League wie schon im Vorjahr von Real Madrid böse deklassiert. Nun, nach diesem Fazit, klingt es nahezu mimosenhaft, wenn Karl-Heinz Rummenigge mangelnden Respekt der Öffentlichkeit vor dem Meistertitel vorwirft. Wer alle Superlative für sich reklamiert, darf sich nicht wundern, dass sich Spott breit macht, wenn sie nicht erreicht werden.

Die befürchtete Langeweile in der Liga bezog sich allerdings nur auf den Titel. Der Kampf um die internationalen Plätze war dennoch spannend und das Abstiegsszenario entschädigte mit seiner Dynamik für die Tristesse an der Tabellenspitze. Dass letztendlich zumindest mit Paderborn und Freiburg eher gesetzte Kandidaten tatsachlich abstiegen, hat viele enttäuscht. Paderborn war ein Underdog, der sportlich nicht mithalten konnte, aber von der Haltung her faszinierte, Freiburg, seit Jahren Sympathieträger, wurde oft benachteiligt, wehrte sich grandios und zahlte zum Schluss doch dafür, dass es immer den Charakter eines Durchlauferhitzers für Talente hat, weil die finanziellen Mittel bescheiden bleiben. Der Verein verdient großen Respekt, weil er in der Lage ist, sehr gut mit dieser Identität zu leben und sich wieder aufrichten wird.
Ganz anders sieht es mit den großen Traditionsclubs Stuttgart und Hamburg aus. Stuttgart erhält mit dem Klassenerhalt die letzte Möglichkeit, sich noch einmal neu zu erfinden. Denn die Struktur, vor allem mit einem Honoratiorenvorstand, der eine Strategie für die Zukunft bis dato verhinderte, bedarf einer Reform. Vor einer ähnlichen Aufgabe steht der große HSV. Sollte er sich gegen den Karlsruher SC in der Relegation durchsetzen, muss eine radikale Veränderung ebenso her wie bei einem tatsächlichen Abstieg.

Borussia Dortmund hat den Schock der sportlichen Krise überwunden und es sieht so aus, dass ein weitsichtig denkender Vorstand das Schiff wieder auf Kurs bekommen wird. Anders hingegen bei dem Reviernachbarn Schalke 04, wo wieder einmal Köpfe rollen, weil das Ziel nicht erreicht wurde, aber das sich nicht anschickt, die Abhängigkeit von einem Fleischindustriellen, der wie auf einer Auktion im Kühlhaus herumschreit und den Patriarchen spielt. Das besticht dann doch die Besonnenheit, mit der man in Mönchengladbach mit richtigem Personal an langfristigen Konzepten arbeitet.

Wolfsburg, das analog zu Leverkusen mit Konzerngeld gestopft ist, hat in dieser Saison in vielerlei Hinsicht die Position Dortmunds eingenommen. Dass der FC Bayern nun erneut versucht, die Leistungsträger von Wolfsburg abzuwerben, entspricht der Jahrzehnte alten Strategie, erst einmal die Mitkonkurrenten zu schwächen. Der Ausgang ist relativ gewiss und insofern dürfen wir damit rechnen, dass es bei der Meisterschaft in der nächsten Saison wieder langweilig wird, es sei denn, in München selbst hätte man das strategische Gen in Bezug auf die Weiterentwicklung der eigenen Formation verloren. Vieles spricht dafür, dass auf der Brücke weiter über die Flaute geklagt wird, während die Spannung im Maschinenraum steigt. Warten wir es ab.