Plötzlich ging alles ganz schnell. Wer hätte das gedacht? Der im Land so beliebte Finanzminister, von dem alle dachten, er sei unsterblich und würde ewig Gold in den deutschen Sparstrumpf stopfen können, hatte zu Ende finanziert, als die Wahlergebnisse bekannt wurden. Die Kanzlerin musste nach der Absage der Sozialdemokraten nach neuen Koalitionspartnern suchen, und bei denen war klar, dass sie sich in kein Kabinett mit diesem Finanzminister würden setzen wollen bzw. selbst diesen Posten reklamieren würden. Egal, was kommen wird, und es wird einiges kommen, das ist gewiss, allein für dieses Ereignis gebührt ihnen der höchste Orden der Republik. Die Personifizierung des deutschen Wirtschaftsliberalismus und der damit verbundenen Austeritätspolitik vor allem im Süden Europas ist aus ihrer Machtzentrale vertrieben worden.
Der Mann, um den es geht, hat eine Vorgeschichte. Nicht, dass er ein Konservativer aus der badischen Provinz ist, nicht, dass er schon einmal gegen einen amtierenden Kanzler putschen wollte und nicht, dass er selbst ein bedauerliches Opfer des politisierten Irrsinns wurde, der sich überall in der Welt Waffen beschaffen kann. Nein, mit seiner juristischen Spitzfindigkeit und mit seiner speziellen Haltung wurde er von dem Kanzler der Einheit dazu auserkoren, das zu verhandeln, was in die Geschichte als der Einigungsvertrag gegangen ist.
Über dem, was nach dem Aufbegehren der Bevölkerung und der Implosion der DDR geschehen ist, wurde bis heute sehr geschickt der viel zitierte Mantel der Geschichte gelegt. Vieles, was in diesem „Einigungsprozess“ geschah, wird sich noch als Konzentration von Ursachen herausstellen für die politische Radikalisierung in ostdeutschen Landen. Die Einigung war nämlich keine solche, sondern ein knallharter Anschluss, der im Abfackeln vieler Produktionsstätten bestand, um frischem Geld aus dem Westen, zum Teil aus den dortigen Arbeitslosen- und Rentenkassen entwendet und dann privat genutzt, freien Lauf zu gewähren. Und das Tafelsilber, das wurde sehr schnell an Investoren aus dem Westen verhökert. Der Meister, der diesen Prozess, der, wie gesagt, bis heute in den Annalen als eine äußerst gelungene Aktion verbucht ist, ist genau der Finanzminister, dem es ebenfalls gelungen ist, heute, bei seiner Abberufung als Finanzminister und baldigen Kür zum Bundestagspräsidenten, ein tief gespaltenes Europa zu hinterlassen.
Das ganze Ausmaß dessen, was dieser Mann an Zerstörung angerichtet und hinterlassen hat, wird sich erst noch zeigen. Das Interessante an seiner politischen Vita ist der Umstand, dass er zwar auch nach dem wichtigsten Amt in der Republik strebte, es ihm aber verwehrt wurde. Stattdessen reüssierte er wohl zum mächtigsten Mann im politischen Kraftfeld und nichts, was die Regierung in den letzten acht Jahren in Bezug auf die Verwerfungen in Europa und in der Welt beigetragen hat, geschah ohne seine Zustimmung. Eine Frage, die sich stellt, ist die nach der Rolle der Sozialdemokratie in diesem Prozess. Ein anderer Aspekt ist der, sich genau anzusehen, wer in seinem engsten Kreis als Koalitionär mitwirkte. Diese Personen muss man sich merken. Exponiert ist es die Verteidigungsministerin des letzten Kabinetts.
Das Enttäuschendste ist jedoch die Zustimmung aus der Bevölkerung. Will man die Internalisierung von Herrschaftsideologie messen, dann ist das ein guter Indikator. Der, der als Zuchtmeister der libidinösen und dekadenten Südeuropäer genauso in die Geschichte eingehen wird wie als Abkocher unserer Brüder und Schwestern im Osten, der gilt als Liebling in der Politik.
Wer rettet unsere Seelen?
