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NATO: Systemwandel inklusive

Eine militärische Organisation ist sui generis wohl eine vollendete Form der Zweckbestimmung. Denn alles, was dort rekrutiert und ausgerüstet wird, richtet sich nach der Strategie des Verbandes selbst. Ist die militärische Organisation auf Angriff ausgelegt, entscheidet dieses über die Art der Verbände und Waffengattungen und ist das militärische Ziel gar geopolitisch bereits definiert, dann kann dies abgelesen werden an Heeres- und Flottenstärke etc.. Sieht man sich die Militärdoktrinen der einzelnen Länder an, fällt es nicht mehr schwer, Prognosen zu gegenwärtigem wie zukünftigem Stand des vorhandenen Militärs anzustellen. Rein defensive Streitkräfte, zu denen einst die Bundeswehr zählen sollte, verfügen vor allem über ein starkes Heer und auf Abwehr ausgerichtete Ballistik. Offensivstreitkräfte, die in fremden Ländern und Regionen operieren, besitzen sehr starke Luftstreitkräfte und diese unterstützende Systeme wie Flugzeugträger. Das beste und beeindruckendste Beispiel sind in diesem Fall die USA.

Bei Militärbündnissen ist dieses nicht anders. In den Grundsatzpapieren der NATO steht auch immer wieder geschrieben, dass es sich um ein Verteidigungsbündnis handelt, obwohl Staaten wie die USA und, vom Charakter analog, zu Angriffen bestimmte Streitkräfte wie die britischen und französischen vertreten sind. Der in der NATO präsente Hegemonialkörper nun hat in den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten darauf gedrängt, immer mehr Mitglieder aufzunehmen, die aus dem direkten Einflussbereich des einstigen Hauptrivalen Sowjetunion stammten. Die Ängste von Polen oder Ungarn vor einer erneuten russischen Einmischung in die inneren Angelegenheiten ihrer Länder können sehr gut mit den historischen Erfahrungen dieser Länder erklärt werden, bei den Staaten des Baltikums ist das schon etwas schwieriger, aber darum geht es auch nicht.

Alles dreht sich vielmehr um die Frage, wie ein auf Verteidigung ausgerichtetes Bündnis instrumentalisiert wird, um aus Verteidigungswillen Angriffsfähigkeit zu machen, ohne diesen Systemwandel zu kommunizieren. Nicht kommunizierte Strategiewechsel sind in der Regel das Werk einer geheimen Agenda. Im Informationszeitalter bleibt allerdings vieles nicht lange geheim, selbst die Geheimnisse nicht. Die Formulierung Russlands als militärisches Ziel ist von unterschiedlichen amerikanischen Think Tanks längst vorgenommen worden. Deren Mitarbeiternetz reicht bis in die Nachrichtensender und historischen Institute auch in Deutschland und dementsprechend wird von dort aus unter dem Mantel der Branche die Notwendigkeit einer Neuausrichtung der NATO propagiert.

Die Argumente, warum immer mehr Truppen direkt an die russische Grenze verlegt werden,  werden dabei immer abenteuerlicher. Waren es bis vor wenigen Tagen noch die Ängste vor allem von Polen und Balten, so ist es jetzt die russische Truppenstärke auf russischem Territorium. Ja, richtig gehört, die Stärke des russischen Militärs auf russischem Hoheitsgebiet ist legitimes Argument für ein Verteidigungsbündnis die eigenen Kontingente, und nebenbei, auch Truppen von Nicht-Mitgliedern wie der Ukraine, an der Grenze zu Russland aufzustocken.  Wer dieser Logik folgen möchte, möge das tun, nur auf die Logik selbst darf er sich danach nie wieder berufen.

Da diese Argumentation auch von offizieller Seite verwendet wird, ist deutlich, dass neben der Umfunktionierung der NATO in ein Angriffsbündnis nun auch das Mittel der Demagogie offiziell wieder in die Politik eingeführt ist. Ebenso muss festgestellt werden, dass innerhalb der Bundesregierung niemand anzutreffen ist, der sich gegen diesen gravierenden, gefährlichen Systemwandel zu stellen bereit ist. Zwar existieren Nuancen in einem Außenminister, dem nicht wohl dabei zu sein scheint und einer Verteidigungsministerin, die man sich auch mit einem Sprenggürtel um den Leib geschnallt vorstellen kann. Ein Friedensstandpunkt, Appeasement ausgeschlossen, ist in der Republik offiziell zu Zeit nicht vorhanden.

Die Spaltung der türkischen Communities

Die Entwicklung, die mitten unter uns aktuell stattfindet und von der wir dennoch relativ wenig wissen, ist an Dramatik nicht zu überbieten. Viele von ihnen leben hier seit Jahrzehnten, sie kamen anfangs schlicht als Arbeitsimmigranten, sie blieben, sie holten ihre Familien nach oder sie gründeten welche. Irgendwann waren sie länger hier als in ihrem angestammten Heimatland. Aus Immigranten wurden Mitbürger und irgendwann auch Deutsche mit Pass. So ging es vielen, die einst wegen der Arbeit kamen, aus Italien, aus Spanien und Portugal, aus Griechenland, dem ehemaligen Jugoslawien und dann, als größte Kohorte, aus der Türkei. Letztere waren von Anfang an etwas Besonderes, ihre Sprache wich sehr von den anderen ab und sie beteten zu einem anderen Gott.

Ihr Beitrag zur Entwicklung dieses Landes war und ist enorm, die Besonderheiten derer, die aus der Türkei kamen, verlangten von ihnen immer mehr ab, als dass bei allen anderen Immigranten der Fall war. Sie taten sich bei der Integration schwerer, und die Deutschen taten sich mit ihnen schwerer. Sie blieben, sie waren eine Bereicherung, aber sie behielten aufgrund der Spezifik immer ein besonderes Verhältnis zu ihrem Heimatland. Auch wenn der Pass ein deutscher wurde, die Türkei war dennoch immer die gedachte Rückversicherung bei einem Clash of Civilizations.

Die türkische Community, die genauso existiert wie die der anderen Herkunftsländer und die genauso existiert wie die deutschen Communities in fremden Ländern, diese Community erfährt momentan durch die Radikalisierung der türkischen Regierung einen fundamentalen Wandel. Der Druck auf die in Deutschland lebenden Türken seitens der auf Erdogan fokussierten Regierungspartei AKP ist so groß geworden, dass eine tiefe Spaltung bevorsteht. Die türkische Community in Deutschland besteht aus drei Fraktionen, deren Existenz nicht ohne Wirkung auf die deutsche Gesellschaft bleiben wird:

Diejenigen, die sich zu Deutschland und seinem politischen System bekennen und den Kurs der gegenwärtigen türkischen Regierung ablehnen. Sie werden in Zukunft bedroht und eingeschüchtert werden. Dann diejenigen, die sich bereits haben einschüchtern lassen und die bereit sind, ihr Geld und ihre Infrastruktur durch die Agenten der AKP nutzen zu lassen. Und letztendlich diejenigen, die mehr oder weniger verdeckt auf deutschem Territorium gegen Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland mit überwiegend illegalen Mitteln vorgehen.

Es ist ausrechenbar, dass eine solche Konstellation, wir reden von einer Gruppe von ca. 8 Millionen Menschen, nicht ohne Auswirkung auf das deutsche gesellschaftliche Zusammenleben sein wird. Sollten die erfolgreich unter Druck Gesetzten und Erpressten sowie die auf feindlichem Terrain agierenden Agenten die Oberhand gewinnen, so werde die erfolgreich integrierten Mitbürgerinnen und Mitbürger die ersten Opfer sein. Es würde eine Atmosphäre der Einschüchterung und Verunsicherung um sich greifen und eine Auseinandersetzung um existenzielle Fragen der Demokratie erheblich erschweren.

Deshalb sind die gezielten Attacken seitens der türkischen Regierung auch auf die hier lebenden türkisch-stämmigen Mitbürgerinnen und Mitbürger als eine gezielte Attacke auf die Bundesrepublik Deutschland zu begreifen. Und da hilft dann auch keine Organisationslogik oder Organisationsloyalität mehr. Die Zugehörigkeit der Türkei zur NATO darf in diesem Falle nicht die Diskussion über den wachsenden Terror der türkischen Regierung verhindern, sondern es muss sie sogar beschleunigen. Wer so unterwegs ist, mit dem macht ein Militärbündnis keinen Sinn.

Das Beispiel zeigt, dass die gesamte politische Orientierung im Land den Winden des Zufalls übergeben wird, wenn das unsägliche Spiel mit den doppelten Standards weiter betrieben wird. Die Türkei, so wie sie sich gebärdet, verdient keine mildernden Umstände. Wem sollte das nützen?