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Tabula rasa

Ist es nicht so, dass das Initial einer Lüge, einer Illusion oder einer Fehleinschätzung im Zusammenhang mit einer Entwicklung dazu führen kann, dass großer Schaden entsteht? Dass, wenn man auch noch an der Fehleinschätzung, der Lüge oder der Illusion festhält und alle Erzählungen, die folgen, das Initial nie in Frage stellt, noch größeren Schaden anrichtet? Und ist es nicht wahr, dass die Möglichkeit, eine Kurskorrektur mit dem Beharren auf der Richtigkeit der ursprünglichen Entscheidung immer schwieriger wird? Und dass, letztendlich, wenn eine Korrektur lebenswichtig wird, alle, die die Entwicklung initiiert haben und an ihr festhalten, weggefegt werden wie das Laub im herbstlichen Wind?

Diese Fragen stellen sich zur Zeit viele Menschen. Sie stellen sich diese Fragen, weil seit langer Zeit immer offensichtlicher geworden ist, was in den letzten Jahren geschehen ist. Die beiden in der Bundesrepublik relevanten Geschehnisse waren das Corona-Management und der Krieg in der Ukraine. Die große Fehleinschätzung bei Corona war die Vorstellung, dass man die Masse der Bevölkerung auf Dauer mit dem Instrument der Angst steuern könne. Das hat, um es zu relativieren, zwar in großen Teilen funktioniert, aber es hat, als offensichtlich wurde, wie gesteuert wurde, das Vertrauen in die handelnde Politik in gewaltig vernichtet. 

Der Krieg in der Ukraine wiederum ist das Ergebnis einer jahrzehntelangen Entwicklung und der NATO-Erweiterung bis an die russischen Grenzen. Zu ignorieren, dass ein Land, das bei der Verteidigung gegen den letzten Angriff aus dem Westen 25 Millionen Menschen verloren hat, sich das wird auf Dauer nicht bieten lassen wird, ist, auch da sollte man ehrlich sein, zumindest seitens der Führungsmacht USA keine Fehleinschätzung, sondern Plan. Die Erzählung von der plötzlichen imperialen Chuzpe Russlands wird täglich, stündlich auf allen Kanälen perpetuiert. Und so ist es kein Wunder, dass auch in diesem Fall sehr viel Vertrauen verloren gegangen ist.

Keine Lüge, keine Fehleinschätzung, die gemacht wird und keine Illusion, der man unterliegt, hat auf Dauer Bestand, wenn nicht die Hohepriester der öffentlichen Meinung hart daran arbeiten, sie wie ein steinernes Monument in den Raum zu stellen. Will man herausfinden, was die als seriös geltenden Journale in dieser Republik bis zum heutigen Tag angerichtet haben, dann muss man nur das Gespräch mit denen suchen, die in den letzten fünf Jahren eifrig die FAZ, die SZ oder die Zeit gelesen haben und unterhalte sich mit ihnen über das Weltgeschehen. Sehr schnell stellt sich heraus, dass das alte Bild eines wohl informierten Bildungsbürgers, der mal sozial, mal wirtschaftsliberal denkt, mal außenpolitisch auf Diplomatie setzend und mal eine mehr starke Allianzen favorisierend, nicht mehr zutrifft. Plötzlich sitzt man Zähne fletschenden, in Feindbildern denkenden und Neokolonialismus und Militarismus gutheißenden Unsympathen gegenüber, die selbst die einfachsten Grundlagen einer zivilisiert geführten Kontroverse kaum noch aushalten. 

Angesichts dieser Phänomene gesellt sich zu der Kritik gegenüber einer Politik, die sich die eigene Gesellschaft anhand von zwei Großereignissen zum Feind gemacht hat, aktuell noch ein drittes, nämlich die Verdammung aller, die neben der Empathie für Israel auch noch die Chuzpe besitzen, Anteil an der palästinensischen Bevölkerung in Gaza nehmen. Um es satirisch zu formulieren: unsere wohlmeinenden Politiker sind umzingelt von Aluhüten, Putinverstehern und chronischen Antisemiten! So schlicht ist das Weltbild.

Corona, Ukraine, Israel/Palästina, die offiziellen Modelle fußen auf Lügen, Fehleinschätzungen und Illusionen, und die jeweiligen politischen Strategien basieren auf Gewalt und Eskalation. Aus dieser Spirale kommt niemand mehr heraus. Es hülfe nur Tabula rasa. Wie das aussehen wird, das ist die große Frage.    

„Alu-Helm ab, zum Gebet!“

Wir sind im Krieg. Wer das bezweifelt, aber gleichzeitig auf deutschen Panzern in ukrainischem Echt-Einsatz über das Geschehen berichtet und sich im Mantel der Neutralität wähnt, toppt alles, was unter den Begriffen der Aluhüte und Schwurblerei firmiert. Das Heer regierungsamtlicher Aluhüte und medial entmündigter Schwurbler ist groß, zu groß. Insofern muss man den Anstrengungen der Kriegspartei im eigenen Land eines zugestehen: Sie haben ganze Arbeit geleistet! Das Stigma, das geschaffen wurde, um allen Zweiflern an den herrschenden Narrativen mit einem Schlag die Zurechnungsfähigkeit abzusprechen, ist zum Massenphänomen in den eigenen Reihen geworden. 

Es ist schon eigenartig zu beobachten, dass die Anschläge auf die Nordsee-Pipelines, die einen Sabotageakt erster Güte gegen die Bundesrepublik Deutschland darstellen, nahezu in einem kollektiven Schweigen zu versinken drohen, während die Unterbrechung des Funkverkehrs der Deutschen Bahn, die für einen halben Tag den Betrieb in Norddeutschland lahmgelegt hat, von hektischen Erklärungen begleitet werden. Schnell war ausgemacht, dass es sich um Sabotage handelt und nahezu unisono twittert die politische Klasse ihre Forderung, alle Anlagen der kritischen Infrastruktur in Zukunft militärisch sichern zu müssen. Der suggerierte Ausgang ist klar: Der Russe wars und wir müssen wachsam sein!

Interessant ist die Inkongruenz. Aber, auch das gehört zur Wahrheit, sie ist seit langem bekannt und dieses Wissen hat die Entwicklung nicht gestoppt. Das Heer der längst herrschaftsgesteuerten Aluhüte ist immens und jede noch so dumme und dreiste Einlassung erfährt zumindest eine Hinnahme, die in einer gelebten Demokratie undenkbar wäre. Und wenn das so weitergeht, kann man sich vorstellen, wie dreist die Geschichten noch werden, die von einer aktiven Kriegspartei, die vorgibt, keine zu sein, erzählt werden werden.

Bay Cem, der zweimal bereits von Korruptions- und Steuervergehen chemisch Gereinigte, lehnte sich wieder einmal aus dem Fenster und sprach von kolonialen Gebärden Dritter, während besonders seine Partei gerade Waffenexporte in die Krieg führende saudische Welt, in der die Köpfe rollen und Peitschen knallen, beschlossen hatte. Es ist kein Einzelfall und es hört mit diesen tolldreisten Geschichten nicht auf, solange die große Gruppe derer, die dieses ideologische und demagogische Geschwurbel durchschaut haben, sich lediglich angeekelt abwendet. Auch die noch so große Dummheit, auch die lüsterne Dreistigkeit, auch die moralisch nicht mehr zu überbietende Verkommenheit erfordert aktiven Widerspruch, um das Buch von Krieg und Lüge zuschlagen zu können.

Wenn Vertreter von Parlament und Regierung die Lieferung von Waffen an eine Kriegspartei und die Ausbildung derselben an ihnen beschließen und sich gleichzeitig über Sabotage-Akte und erfolgreiche Kampfhandlungen in diesem Krieg durch die unterstützte Partei lautstark freuen, wenn die Vertreter des öffentlich-rechtlichen Fernsehens sich exklusiv auf dieser einen Seite bewegen und darüber berichten, dann ist klar, dass man zur aktiven Kriegspartei geworden ist.

Wer das verharmlost, und das tun nahezu alle aus Politik und Medien, macht sich der Demagogie und Volksverhetzung schuldig. Dafür wird es, sofern es einen Ausgang des sich immer mehr steigernden Konfliktes geben wird, nach dem sich noch Menschen werden erinnern können, unweigerlich in Aufstellungen enden, die dem historischen Beispiel der Nürnberger Prozesse ähneln. Bei allem Schönreden und allem Gesäusel aus den zivilisatorischen Hochzeiten der bürgerlichen Gesellschaft, was derzeit de facto geschieht, ist die Parteinahme im Interesse imperialistischer Geopolitik. Das rechtfertigt kein Grundgesetz, denn dafür war die Geschichte noch zu heiß, als es formuliert wurde. Das haben die Akteure momentan längst vergessen. Und diejenigen, die diesem Gerede noch glauben schenken, sei eine kleine Variante des militärischen Zapfenstreichs gewidmet: „Alu-Helm ab, zum Gebet!“