Pascal Mercier, Nachtzug nach Lissabon. Roman
Der Schweizer Philosoph Peter Bieri, (* 1944 Bern, + 2023 Berlin), verfasste unter dem Pseudonym Pascal Mercier insgesamt fünf literarische Werke, von denen der Roman „Nachtzug nach Lissabon“, der 2004 erschien, der erfolgreichste war. Die Geschichte handelt von einem Altphilologen, der quasi durch einen Zusammenprall auf seiner Alltagsroutine im schweizerischen Bern in eine skurrile Recherchereise verwickelt wird. Er bekommt ein Buch in die Hand, von einem längst verstorbenen portugiesischen Autor. Kurzerhand bucht der Philologe eine Reise mit dem Zug nach Lissabon und verfolgt dort die Spuren, die er nach und nach freizulegen in der Lage ist. Es ist kompliziert und der Kompass, dem er folgt, sind die in dem Buch zu findenden Gedanken der juvenilen, profund denkenden, allerdings längst verstorbenen Hauptfigur. Es handelt sich dabei um den Arzt Amadeu de Prado.
Was folgt, ist eine spannende Geschichte über diesen Mann, den portugiesischen Widerstand gegen das Regime des Diktators Salazar, der schließlich 1974 erfolgreich durch die Nelkenrevolution gestürzt wurde, und die Unwägbarkeiten und Gefahren dieses Widerstandes. Aber auch immer wieder finden sich Textfetzen, die eine abendländische Bildung dokumentieren und Lebenssituationen, die nicht anders als Grundmuster von Tragik beschrieben werden können.
Denn was in diesem Roman auf den Tisch kommt, ist quasi als ein Kanon von Universalthemen zu beschreiben. Dabei geht es um nichts weniger als Freundschaft, Loyalität, Liebe, Dankbarkeit, Ratio, Logik, Verletzlichkeit, Schicksal und Duldung. Immer wieder werden Passagen dieser Schrift des Amadeu de Prado, die erst posthum von seiner Schwester veröffentlicht wurde, im Roman angeführt und sie verdeutlichen, in welchem Kontext der eigenen Entwicklung die großen Themen der menschlichen Existenz in einer Atmosphäre der Diktatur zur Betrachtung gelangen.
Reduzierte man den Roman auf seine Handlung, dann wäre es eine recht einfache Geschichte. Liest man ihn allerdings mit dem Echo der viel zitierten Schrift, dann wird daraus eine intensive Auseinandersetzung mit vielem von existenzieller Relevanz. Neben den bereits angeführten Themen kommen noch andere Fragen zur Geltung, wie zum Beispiel die, ob der hippokratische Eid auch dann gilt, wenn quasi der Leibhaftige um Hilfe bittet oder ob es geboten ist, des Widerstandes wegen Mitglieder aus den eigenen Reihen zu töten, oder ob Liebe und Barmherzigkeit den Stoff bilden, um eine große Lebensfreundschaft zu beenden.
Merciers Roman ist keine leichte Kost. Er fordert Interesse an der konkreten Geschichte Portugals, er verlangt, dass man sich mit den Universalthemen auseinandersetzen will und er versetzt den Leser in einen Zustand der Distanz zu allem Profanen.
Dass es sich bei dem mir vorliegenden Buch bereits um die 59. Auflage handelt, nährt die immer schwächer gewordene Hoffnung nun doch wieder, dass im Zeitalter des Seichten auch die Tiefe zuweilen gesucht wird. Die Lektüre hat mich so beeindruckt, dass ich mir den aus dem Jahr 2013 stammenden gleichnamigen Film mit Schauspielern wie Jeremy Irons, Martina Gedeck, Bruno Ganz, Jack Huston und Tom Courtenay angesehen habe. Ebenfalls mit großem Gewinn.
Nachtzug nach Lissabon – viel Tiefe im Zeitalter der Oberfläche.

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Ich bin ganz einverstanden und vielen Dank!
Ja, er bewegt Aber er verärgert auch Die Universalthemen sind das, was wirklich bleibt. Und der Geheimdienst Chef auf dem OP Tisch wird automatisch zu Mielke.
Das Ausbrechen Können wurde damals beim Lesen 2010 heiß ersehnt.
Aber der Plot ist extrem schlecht zusammengetackert.
Wie der renegate Gymnasiallehrer da in Portugal lebt ist —-plllll. Eine Schülerin daheim hat Zugang zu seinem Konto und überweist ihm Geld … Und das ist nur EIN Beispiel für schlechte Überbrückung von Alltag im philosophischen Mehrkampf.
Es ist luschig erzählt und strotzt trotzdem vor lauter tiefsinnigen Ansätzen..
Ein kurioses Leseerlebnis, das jedoch Eindruck hinterließ.