Von Napoleon Bonaparte soll die Bemerkung stammen, dass man die handelnden Personen eines Staates nur dann versteht, wenn man sich die Zeit vor Augen führt, in welchem Zustand Land und und Kultur des jeweiligen Landes war, als diese Personen zwanzig Jahre alt waren. Das Diktum zeugt von einer tiefen Einsicht in die Funktionsmechanismen von Geschichte und sein Inhalt wird von heutigen Sozialwissenschaften wie Historikern sicherlich nicht negiert.
Dei heutige Situation in der Welt, die in eine beschleunigte Bewegung gekommen ist, wenn man sich die politischen Konstellationen, die Entwicklungen der unterschiedlichen Zivilisationen und die geoökologischen Tendenzen ansieht, ist eine exzellente Folie, um mit der napoleonischen Bemerkung ein wenig zu spielen.
Wenn wir uns die handelnden Protagonisten ansehen, dann haben wir es mit dem amerikanischen, dem russischen und dem chinesischen Präsidenten allesamt mit Menschen zu tun, die ihre primäre politisch-kulturelle Sozialisationsphase als Zwanzigjährige in den Sechzigerjahren Jahren erfahren haben. Die wohl wichtigste russisch-amerikanische Konfrontation war zu dieser Zeit die Kuba-Krise, und die junge Volksrepublik China hatte gerade die verheerenden Kämpfe des anti-kolonialen Kampfes und den Bürgerkrieg hinter sich und begann sich als unabhängiger Faktor weltpolitisch zu positionieren. Der Konflikt um die Stationierung russischer Raketen in Kuba hatte die Welt an den Rand eines erneuten Krieges gebracht und erst die Kompromissbereitschaft sowohl der Russen als auch der Amerikaner hatte im letzen Moment die atomare Eskalation verhindert. Und China hatte aus diesem Konflikt die Erkenntnis gezogen, dass es klug sei, sich Richtung Neutralität zu bewegen und der Bewegung der Blockfreien anzuschließen.
Allein dieser kleine Aufriss zeigt, wie nah die handelnden Personen an dieser historischen Konstellation mental zu verorten sind. In ihren Köpfen arbeiten, selbstverständlich mit Abstrichen, die Konzepte der Zeit, als sie zwanzig Jahre alt waren. Und selbstverständlich kann man die napoleonische These auch noch an anderen Personen überprüfen. In Deutschland erlebten die Führungen der klassischen Parteien vor allem die finale Phase des Kalten Krieges etc..
Eine solche Erkenntnis steht im Raum, ohne dass sie Konsequenzen hätte. Aber sie erklärt vieles von dem, was wir momentan erleben. Eine Möglichkeit, sich generell gegen die mentale Wiederholung von Geschichte zu immunisieren, ist das, was eigentlich jeder Organisation zu raten ist, die sich weder durch historisches Unwissen meucheln noch durch Innovationsmüdigkeit gesättigter Erfahrung dahinsiechen will. Am besten fahren die, deren Führung eine Normalverteilung in der Altersstruktur aufweisen und mit drei unterschiedlich sozialisierten Generationen an den richtungsweisenden Entscheidungen arbeiten. An dieser Stelle könnte mit der Altersstruktur der gegenwärtigen Bundesregierung argumentiert werden, bei der dieses zutrifft. Unter dem Aspekt von Napoleons Diktum würde dies nichts ändern, die genaue Aufschlüsselung der jeweiligen Generationen (achtziger und neunziger Jahre) müssten noch vollzogen werden.
Letztendlich bliebe, um einen Kurswechsel in der Personalpolitik vorzunehmen, bei der zugespitzten heutigen Situation keine Zeit. Die Lage ist so, wie sie ist. Dass die Kinder des Kalten Krieges heute in der Verantwortung sind, erklärt jedoch ihre Unbedarftheit bei einer möglichen Architektur von Frieden. Eskalation und Aufrüstung waren das Mantra ihrer Jugend. Zumindest bei Biden und Putin. Da kennen sie sich aus. Und Xi Jingping wuchs zu einer Zeit auf, als China sich an einem Konstrukt zu beteiligen begann, das gegen die bipolare Welt gerichtet war. Napoleon lag wohl richtig mit seiner These.

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