Alexander Dugin. Das Grosse Erwachen gegen den Great Reset
Seitdem imperiales Denken aus der modernen westlichen Zivilisation heraus theoretisch untermauert wurde, haben sich vor allem zwei aufeinander aufbauende Theorien in den dortigen Entscheidungseliten durchgesetzt. Zum einen die Heartland-Theorie des Briten Halford Mackinder, die zum ersten Mal 1904 in gedruckter Form (The Geographical Pivot of History) erschien und noch das Britische Empire als die dominierende Macht ansah und die Schrift The Grand Chessboard (1997) von dem us-amerikanischen Präsidentenberater Zbigniew Brzezinski. Obwohl nahezu 100 Jahre zwischen beiden Werken lagen und das Machtzentrum von London nach Washington übergegangen war, blieben die Thesen bei beiden Vertretern einer dominanten atlantischen Seemacht gleich. Der Kern ihrer Aussagen bestand darin, wer den eurasischen Kontinent dominiere, d.h. Zentraleuropa von Russland politisch trenne und sich einen Zugriff auf den Ressourcenreichtum verschaffen könne, vermöge sich die Weltherrschaft zu sichern.
In Anbetracht der Kräfteverschiebungen auf dem Planeten zeichnet sich so etwas wie ein Showdown zwischen den amerikanischen Hegemonialansprüchen und neuen Machtkonstellationen an. So ist es nahezu folgerichtig, dass ein Russe zu einem theoretischen Gegenschlag ausholt, der darauf angelegt ist, die Heartland-Theorie quasi zugunsten einer anti-westlichen Allianz, umzudeuten. Alexander Dugin, seinerseits nicht nur forschender Politologe, sondern auch Politiker, der sich in der internationalen eurasischen Bewegung einen Namen gemacht hat, ist von seiner politischen Zugehörigkeit ein Vertreter eines russisch-orthodoxen Erzkonservatismus.
In einem kleinen Heft mit dem Titel „Das Große Erwachen gegen den Great Reset“ hat Dugin seinen geostrategischen Gegenentwurf zur Heartland-Theorie nun auch auf Deutsch zugänglich gemacht. Dabei greift er das vom Vorstand des World Economic Council in Davos, Klaus Schwab, entworfene Konzept des Great Reset als eine Vision des Wirtschaftliberalismus und eine Kampfansage an eine sich zunehmend multipolar gestaltende Welt auf und setzt einen neuen geostrategischen Block dagegen: Russland, China, Indien, den Iran, diverse andere Teile der islamischen Welt sowie bestimmte Staaten Südamerikas. Obwohl in den genannten Ländern durchaus kapitalistische Wirtschaftsformen vorherrschen, definiert Dugin deren kulturelle Identitäten als nicht mit dem alle Identitäten nivellierenden liberalistischen Kapitalismus als vereinbar.
Der Coup seiner Betrachtungen in Bezug auf die klassische Heartland-Theorie besteht darin, die Trennung Russlands von Europa als Grundlage für den beschriebenen eurasischen Block anzusehen, der die meisten Menschen und größten Ressourcenvorkommnisse des Globus umfasst und die Seedominanz als alleiniges Asset als weniger relevant bewertet. Interessant ist auch, dass er die populistischen politischen Bewegungen in Europa und vor allem in den USA als Verbündete des identitären, eurasischen Bündnisses ansieht.
Die von maritimer Sichtweise abgeleitete Heartland-Theorie des anglophonen Westens hat einen kontinentalen, orthodoxen Counterpart gefunden. Wird es zum Showdown kommen? Besser, man weiß es nicht!
- Herausgeber : Arktos Media Ltd (31. Oktober 2021)
- Sprache : Deutsch
- Taschenbuch : 124 Seiten
- ISBN-10 : 1914208595
- ISBN-13 : 978-1914208591

Ich stehe ein wenig auf dem Schlauch: Die Trennung Russlands von Europa wäre also nicht nur im Sinne der USA, sondern auch im Sinne Dugins, nur anders motiviert? Und diesen Satz verstehe ich gar nicht: „Interessant ist auch, dass er die populistischen politischen Bewegungen in Europa und vor allem in den USA als Verbündete des identitären, eurasischen Bündnisses ansieht.“ Damit ist also das noch Westeuropa beinhaltende eurasische Bündnis gemeint?
Dugin ist ja aber auch nicht Putin, wieviel Einfluss hat er? Ich habe vorhin ein Interview mit Dirk Pohlmann gelesen, der auch kurz auf Dugin einging:
Je mehr ich lese und höre, umso weniger verstehe ich.
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Die russische Geschichte kennt kein Russland OHNE Nationalismus und Panslawismus.
„Europa“ (ohne die neuen Osteuropäischen Staaten) ist nicht Teil dieses „Eurasien“.
Dugin hat erheblichen politischen Einfluss, als Berater des Duma-Vorsitzenden und oberste Kommandeuren der Armee. Allerdings wirft er mit ideologischen Nebelkerzen um sich und lässt keine klare praktische Linie erkennen – sein Antisemitismus ist ein Roter Hering, wie auch sein Verständnis vom Faschismus, wie wir ihn begreifen. Dugin ist soweit ein Mann des Kremels, wie Chomsky ein Mann US Demokraten ist. Auch Putin wird gesteuert, aber die Autoren des „Great Reset“ sind andere als die Unsichtbare Machtelite in Russland. Putin unterstützt die Chabad, Chief Rabbi von Kiew, Moshe Reuven Azman beschuldigt Putin der Kriegsverbrechen (Israel Times).
Der polnische Schriftsteller Czeslaw Milosz benannte einen russischen „Traum von kollektiver Reinheit, die dank kollektivem Leiden erreicht wird.“ Milosz klagt: ein kollektiver Körper, eine menschliche Gesellschaft, kann nicht der Retter sein. . . . Schuld und Sünde sind individuell – ich bin schuldig, nicht die Gesellschaft, und ich kann nicht durch sie gerettet werden, und nicht durch das Kollektiv von dem ich ein Teil bin, sondern durch meine eigene Anstrengung (Mir geschenkte Gnade). Das ist warum sie [die Russen] immer auf der Suche nach dem Reich Gottes sind, aber in der Zeit platziert sind, sie durch den Kommunismus oder in Zukunft vielleicht durch eine andere Art von Eschatologie zu ersetzen. Diese Eschatologie ist Dugins Botschaft.