„Katalanische Wähler strafen Spaniens Zentralregierung ab“. Unter diesem Tenor wird über die gestrigen Wahlen in Katalonien berichtet und damit dokumentiert, dass der seröse Journalismus keine Chance mehr hat. In den Texten liest sich das dann, sofern überhaupt, doch ein wenig anders. Dann kommt heraus, dass die für eine Abtrennung von Spanien eintretenden Fraktionen im Parlament zwar noch über eine absolute Mehrheit von 70 Sitzen (zwei weniger als bei der letzten Wahl) von 135 Mandaten besitzen, sich aber einiges verändert hat. Richtig ist, dass die Partei Rajoys kräftig gestutzt wurde, richtig ist aber auch, dass die strikt für den Verbleib in Spanien eintretende liberale Bürgerpartei mit der Spitzenkandidatin Ines Arrimadas mit 37 Sitzen stärkste Fraktion wurde. Zudem kommt heraus, dass in absoluten Zahlen 52 % der abgegebenen Stimmen sich gegen eine Trennung von Spanien aussprachen, dass jedoch gezielte Wahlreformen der Separatisten in den letzten Jahren dazu führten, dass die ländlichen, die Abtrennung befürwortenden Gegenden, stärker bewertet werden als die Städte und die Metropole Barcelona, wo eine Mehrheit für den Verbleib bei Spanien ist.
Dass der Putschist Carles Puigdemont von einer schallenden Ohrfeige für Spanien spricht, ist keine Überraschung. Er lässt sich mittlerweile wie der viel geliebte Sohn in der Fremde von den Seinen feiern, die mit großer Bewegung von seinem Exil in Brüssel sprechen. Das steht in krassem Widerspruch zu dem, was die Wahlen tatsächlich zutage gefördert haben. Das, was als Provinz Katalonien bezeichnet werden muss, ist eine zutiefst zerrissene Region, die in nächster Zeit nicht zur Ruhe wird kommen können.
Da ist die ländliche Bevölkerung auf der einen Seite, die zwischen EU-Subventionen für ihre Produkte wie einer tiefen Sehnsucht nach Protektionismus schwankt, sich aber aus traditionellen Gründen der Separierung verschrieben hat und auf der anderen Seite steht eine ihrerseits tief gespaltene Klassengesellschaft in den Städten. Dort existiert auf der einen Seite die Zäsur zwischen Bourgeoisie und Proletariat wie in den goldenen Zeiten des europäischen Klassenkampfes. Das Proletariat ist in starkem Maße andalusisch und pro-Spanisch. Und es existiert ab einer bestimmten Betriebsgröße eine global operierende Bourgeoisie, die den Folklorismus, den sie anfänglich belächelte, mittlerweile als Störung ihrer Wirtschaftsinteressen begreift.
Was bleibt, ist die lokale Bourgeoisie, die für ein eigenständiges Katalonien eintritt, umsäumt von denjenigen, die Opfer und Zeugen einer ignoranten spanischen Zentralregierung und ihrer Taten geworden sind. Da ist guter Rat teuer und es drängt sich eine Formulierung auf, die der Sache nicht ganz gerecht wird, die aber dennoch nicht von der Hand zu weisen ist: Außer Spesen nichts gewesen.
Politisch hat der Regionalismus durch die katalanische Episode wieder etwas Aufmerksamkeit bekommen, eine Perspektive ist daraus nicht entstanden. Die Flucht in den eigenen, regionalen Mikrokosmos, um den Problemen in den größeren, internationalen Zusammenhängen zu entgehen, hat sich als glücklos erwiesen. Die Hypothek, an der die Region sich wird abarbeiten müssen, ist höher als es alle Beteiligten verdient haben. Es wird Jahre dauern, bis sich die Lage normalisiert hat.
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Sehr zutreffender Artikel! Die Berichterstattung in den deutschen Medien zum Thema ist derart oberflächlich, daß man sich manchmal fragt, ob dies wirklich nur unfähige Stümperei ist, oder ob das nicht irgendwo gewünscht ist?
Im Moment wage ich keine Prognose, außer der (alten) Feststellung, daß mit einer Autonomiewahl das grundlegende Problem der beiden annähernd gleich großen Blöcke nicht gelöst werden kann. Hier gab und gibt es auch fast 40 Jahre der nationalkatalanistischen Erziehung, propagandistische katalanische Vollversorgung in den subventionierten Medien und der sogenannten Zivilgesellschaft. Ein erheblicher Teil der Menschen profitiert auf die eine oder andere Weise vom nationalkatalanistischen Separatismus ganz konkret monatlich auf dem eigenen Bankkonto.
Aber die Dinge liegen nach dieser Wahl auch nicht so klar wie es zunächst scheint. Die CAT-SEP’s müssen eine Regierung bilden und haben erhebliche eigenen Konflikte in allen drei Parteien. Die mutmaßlichen Gesetzesbrecher des 1-O und des 27-O und der September-Ereignisse im katalanischen Parlament und deren Planung werden vor Gericht stehen und sich verantworten müssen. Sie fordern zwar als „Wahlsieger“ nachträgliche Immunität für die ihnen zu Last gelegten Delikte, aber das wird es nicht geben (können), wenn Spanien sich als Staat ernst nimmt. Auch eine Nationalkatalanistisch-Linke-Querfront ist noch nicht vom Tisch.
Aber auch in Madrid könnte dieser Wahlausgang noch Folgen für Rajoy und seine PP-Regierung haben, denn es war letztlich die PSOE die zwar einerseits ein Misstrauensvotum im Parlament gegen Rajoy verhinderte, die andererseits aber bei der Verhängung des Artikels 155 verlangte, daß die nationalkatalanistischen Propagandamedien, speziell das öffentliche TV3 und RAC1 UNANGETASTET zu bleiben hätten, ebenso wie das monopolistische katalanische Bildungssystem. Beides sind seit Jahrzehnten tragende Säulen der CAT-SEP’s. Das Ergebnis ist bekannt. Vorgezogene Neuwahlen in Spanien? Die will Rajoy nachvollziehbar nicht, das ist aber nicht seine Entscheidung! Die könnten schneller kommen, als ihm lieb ist…
Einen hab‘ ich noch: Die katalanischen Wähler strafen nicht die Zentralregierung in Madrid ab, sondern ausschließlich sich selbst! Normale politische Geschäftstätigkeit findet seit Jahren nicht mehr statt. Man merkt es an allen Ecken und Enden. Ohne „das böse Madrid“ wäre die Autonomie Katalonien LÄNGST PLEITE!
Als Beispiel für das, was ich oben schrieb mag dieser Beitrag in SPON gelten, den man sich sowohl formal als auch inhaltlich anhören sollte:
http://www.spiegel.de/politik/ausland/wahl-in-katalonien-wie-es-nach-dem-sieg-der-separatisten-nun-weitergeht-a-1184608.html
Die Wahl, die keinen Gewinner hatte?
Die Separatisten müssen sich untereinander auf einen möglichen Präsidenten einigen UND diesen zu installieren vermögen.
Die Unionisten, von denen eine Partei zum Wahlsieger wurde, indem sie die anderen des gleichen Lagers konsumierte.
Die PSC-Sozialisten, deren „Vortänzer“ von der Querfront aus Nazis und Linken träumte, die ihn zum Präsidenten machen sollte, bevor er dann nach der Wahl auf Rang 4 landete.
Die Anarcho-CUP, die das Zünglein an der Waage spielen wollte und die jetzt keiner braucht?
Die Opportunisten von CeC PODEM der Bürgermeisterin von Barcelona, die aus Verzweiflung mit ihren sexuellen Präferenzen Wahlkampf machte?
Die spanische Regierungspartei, die zwar im Prinzip immer Recht hatte, was aber Keinen zu interessieren schien, weshalb sie schlussendlich mit 3(!) Sitzen im Verließ der absoluten Lächerlichkeit landete?
Die Wirtschaft, die immer noch keine Planungs- und Investitionssicherheit hat nach der Wahl?
Die EU, die weiss Gott genug Scheisse am Hals hat, Stichworte UK, Polen, Ungarn….
Erstmals seit Beginn der Amtszeit von Jordi Pujol im Jahre 1980, also seit 37 Jahren(!), war die größte Partei in Katalonien mit den C’s (Ciudadanos) eine nicht-separatistische Partei, sondern eine unionistische, oder auch konstitutionelle, eine zur spanischen Verfassung stehende Kraft!
In der Berichterstattung auch in Deutschland bleibt gerne unerwähnt, daß die Unionisten ca. 170.000 Stimmen mehr holten, als die Separatisten. Letztere haben also spätestens ab dem 21-D nicht mehr das Recht „für DIE, für ALLE Katalanen zu sprechen“!
Derzeit leben in Spanien knapp zwei Millionen Muslime also über vier Prozent der Gesamtbevölkerung, 26 Prozent davon in Katalonien. Auf knapp über 7,5 Millionen Einwohner kommen also über eine halbe Million Muslime, in manchen Städten sind es über 40 Prozent. Mit über 80.000 muslimischen Schülern und 305 muslimischen Gemeinden führt Katalonien ebenfalls die Statistik an. 55 Prozent der im Jahr 2014 geborenen Kinder haben ausländische Mütter in manchen Orten sogar 70 Prozent etwa in Salt, wo 40 Prozent der Einwohner Muslime sind, in der katalanischen Provinz Girona war 2012! der zweithäufigste Vorname Mohammed.
Laut Inlandsgeheimdienst CNI leben in Katalonien hunderte bis tausende Salafisten, womit Katalonien im Falle seiner Unabhängigkeit bald Europas erstes islamistischstes Land wäre.