Cannabis-Diplomatie

Eigentlich sollte die Figur ihren Platz in einer Dreigroschenoper der Neuzeit haben. Der libysche Präsident Muammar al-Gaddafi gilt seit Jahrzehnten als eine der schillerndsten und frivolsten Figuren aus dem Repertoire der globalen Tyrannei. Immer in langen Gewändern und etwas retardiert daherkommend, bebrillt mit einem Spiegelschaufenstermodell der siebziger Jahre, hat er eine wandlungsvolle Politik hinter sich, die nicht die seine ist. Vom aktiven Unterstützer des internationalen Terrorismus hat er sich entwickelt zu einer treibenden Kraft der arabischen Liga und seit einem Jahrzehnt zu einem neuen Freund der europäischen Staatschefs. Gerhard Schröder holte ihn heim ins Reich der westlichen Konferenzteppiche und heute sind die selbst ernannten Architekten der Entente mediterranee, Sarkozy und Berlusconi, regelrechte Freunde des Despoten geworden.

Dabei ist Gaddafi immer ein Terrorist und Diktator gewesen, dessen Unwesen nur durch die Ressource Öl und das Stillhalten des Westens finanziert werden können. Sein Land ist das im Maghreb undemokratischste, nirgendwo wird so gefoltert, die Pressefreiheit derartig mit Füßen getreten, der Korruption derartig gefrönt und nirgendwo in der Region gibt es ein besseres Refugium für Terroristen. Wer sich in seiner Einstellung zu diesem Höllenmenschen geändert hat, ist der Westen, d.h. in diesem Falle Europa, das neben der Ressource Öl immer auch Gaddafis Bereitschaft geschätzt hat, den Korridor afrikanischer Flüchtlinge nach Europa mit seinen Mitteln zu schließen.

Nun, da nach Tunesien, Ägypten, Algerien, dem Jemen und Bahrain auch in Libyen eine anschwellende Volksbewegung zu einem Tag des Zorns als Protest gegen das Gaddafi-Regime aufgerufen hat, stellt sich die Frage, inwieweit Europa aus dem ägyptischen und tunesischen diplomatischen Desaster gelernt hat. Ein erschwerender Begleitumstand für die Lernfähigkeit sind die Flüchtlingsboote, die derzeit die italienische Insel Lampedusa ansteuern und desillusionierte junge Menschen aus Nordafrika an Bord haben. Angesichts der Zahlen, die bis dato eine lächerliche Dimension haben im Vergleichen zu sonstigen gegenwärtigen Migrationsströmen auf dieser Welt, herrscht bereits eine Hysterie in den Hauptquartieren der europäischen Staaten, die nicht nur unangemessen ist, sondern auch noch eine negative Prognose auf die Handlungsbereitschaft der europäischen Diplomatie schließen lässt.

Wir werden sehen, ob wir wieder den Sermon zu hören bekommen, dass auch in Libyen der friedliche Dialog wichtig sei, dass Gaddafi sich doch im Laufe der Jahrzehnte bewegt habe und dass man nie wissen könne, ob er nicht durch radikal islamische Kräfte abgelöst werden könne. Und vielleicht wird man wieder warten, bis eine Volksbewegung den alliierten Schurken aus dem Land getrieben hat und dann im Brustton der Überzeugung verkünden, man werde das neue Libyen nun nach Kräften unterstützen.

Es ist mal wieder eine Probe aufs Exempel.