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Zerstörte Karrieren

Kaum eine Woche vergeht, als dass nicht eine Persönlichkeit von Rang und Einfluss ganz abrupt vom Berg des Ansehens stürzt. Die Medien sind nicht nur voll davon, sie scheinen zu einem Großteil von der Demontage der Reputation zu leben. Die Namen, die in den letzten Jahren im schillernden Bild der öffentlichen Meinung zerflossen sind, erreichen die Legion. Die Delikte, die dazu beitrugen, wiederholen sich, tangieren allerdings immer wieder neue Themen, die sich dann als feste Größen entpuppen. Von der Steuerhinterziehung bis zur sexuellen Belästigung, von der urkundlichen Fälschung in betrügerischer Absicht bis zur Manipulation von biographischen Daten, von der Umgehung der Zollbestimmungen bis zum Schmuggel, der Verletzung der Devisenbestimmungen und dem Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz ist vieles vertreten, das in früheren Zeiten als Kavaliersdelikt gewertet wurde.

Nur haben sich sowohl die Wertvorstellungen, der Charakter der medialen Öffentlichkeit als auch die Karrierewege geändert. Das Ergebnis der zahlreich zu verbuchenden zerstörten Karrieren hat sowohl positive als auch negative Ursachen. Generell ist die Vorstellung, dass eine Steuerhinterziehung oder ein akademischer Betrug gesellschaftlich nicht mehr als ein verzeihliches Delikt einer bestimmten Klientel zugestanden wird, die mit ihrer hedonistischen und dekadenten Lebensführung in einer rechtlichen Grauzone jenseits der Gesellschaft lebt, zu begrüßen. Eher besorgniserregend bei der Geschichte ist die meutenhafte Jagd auf lediglich Beschuldigte, deren Ruin bereits beschlossene Sache ist, bevor eine rechtssichere Verurteilung vorläge. Da fällt dann der Habitus weit hinter die reklamierten Werte zurück und es liegt ein Geruch von Revanchismus in der Luft, der nichts Gutes verheißt.

Dramatisch wird es, wenn man sich die Verlaufsmuster der geschilderten Karrieren ansieht. Vieles deutet darauf hin, dass eine erfolgreiche Biographie, die in die besagten Funktionen oder Positionen führt, kaum noch auf Täuschungen und Betrügereien verzichten kann, um zum Ziel zu kommen. Das ist der eigentliche Skandal, der beunruhigen sollte. Wir scheinen es mit einem System der Machterlangung zu tun zu haben, das die bürgerliche Vorstellung von Leistung und Verdienst tendenziell außer Kraft setzt und somit ein Paradoxon produziert, das gar nicht mehr funktionieren kann. Denn wie sollte es sein, dass Funktionäre, die durch eine systematische Verletzung des bürgerlichen Leistungsprinzips an die Macht gekommen sind, dazu beitragen, das Konstitutionsprinzip der Leistungsgesellschaft zu retten oder bei seiner Weiterentwicklung positiv zu begleiten.

Konfrontiert wird die Gesellschaft nicht nur mit dem Paradoxon ersten Grades, sondern noch mit dem eines zweiten. Die zerstörte Karriere endet zumeist nicht im Ruin, sondern in bürgerlichem Wohlstand. Da zieht man sich in seine Villa im Tessin zurück, bewirtschaftet die väterlichen Wälder oder entspannt in Brüsseler Wellness-Hotels. Der pädagogische Effekt ist verheerend.