Schlagwort-Archive: ZDF

Hongkong: Ohne Maß und Sitte

Wenn man lange genug an etwas arbeitet, dann führt es auch irgendwann zum Erfolg. Dieser Satz stimmt nicht immer, aber oft. Die politische Berichterstattung im ZDF ist ein Beispiel für seine Gültigkeit. Dort hatte man irgendwann begonnen, die Köpfe des Genres in amerikanische Think Tanks aufzunehmen. Die wurden dort lange genug betreut, bis sie sich das Weltbild, das dort produziert wurde, aneigneten. Sie taten es während ihres Dienstes kund und so verbreitete sich nicht die us-amerikanische Weltsicht, denn die gibt es genauso wenig wie die russische oder die chinesische, aber eine Anschauung, die bestimmte Kreise in den USA vertreten. Dort herrscht die Vorstellung von Welt-Hegemonie und das Modell von Stanislaw Brzezinski vor. Die USA beherrschen die Welt aufgrund ihrer Präsenz in vielen Ländern des Planeten, aufgrund ökonomischer und technologischer Stärke und basierend auf Annahmen, die vor allem die Abtrennung Russlands von Europa als condition sine qua non zum Erfolg voraussetzen.

Die Think-Tank-Mitglieder gingen zudem dazu über, als Quellen ihrer journalistischen Recherche wiederum andere Think-Tank-Mitglieder auszuwählen. Nicht immer, aber immer öfter. Vor allem bei Fragen weltpolitischer Bedeutung. Manchmal wundert man sich, wenn mediokre, noch nie gesehene Quellen als wissenschaftlich ausgewiesen werden, weil sie von irgend einem Institut kommen, das sich bei näherem Hinsehen selbstverständlich als ein aus den USA finanzierter Think Tank entpuppt, und diese analysieren dann die rücksichtslosen Expansionspläne Russlands oder Chinas. Das hat Ausmaße angenommen, die das Urteil erlauben, die politische Berichterstattung über das Weltgeschehen im ZDF werde direkt, aber versteckt in Washington konzipiert. Billiger kann man die Souveränität eines Landes nicht unterminieren. 

Die neuesten wie die älteren Berichte über die Ereignisse in Hongkong sind so ein Beispiel. Sowohl die alte Kolonialmacht, die sich den chinesischen Bissen nach einem der dreckigsten Kriege der Menschheitsgeschichte einverleibt hat, als auch das ihm folgende Imperium haben ein massives Interesse daran, den Brocken, der seit 1997 mit einer fünfzigjährigen Übergangsfrist zurück seinen völkerrechtlich legitimen Eigentümer zurückgehen soll, doch noch vom auf dem Silbertablett liegend zu stibitzen. 

Seit der geplanten Annullierung des Auslieferungsverbots von Hongkong-Bürgern donnert der deutsche Kanal gegen alles, was von Seiten der Hongkonger Regierung oder aus der chinesischen Volksrepublik unternommen wird, um das Treiben zu unterbinden. Das, was so gerne als eine freiheitliche Bürgerbewegung dargestellt wird, hat einen militanten, eigenartigerweise auch aus Washington finanzierten Arm. Er glänzt durch gewaltsame Attacken und Sabotage-Akte, die nichts anderes zum Ziel haben, als China zu provozieren und es, sollte es unbedacht reagieren, international an den Pranger stellen zu können. Dass bei diesem Unterfangen die tatsächlich vorhandenen bürgerrechtlichen Kräfte aufgerieben und nicht mehr gehört werden, ist kein Geheimnis. Die Killer einer Hongkonger Demokratiebewegung sind die Propagandamasken, die im ZDF gefeiert werden.

Der große Entertainer im Heute Journal sprach denn jetzt auch, dass die britische Regierung, die vielen Hongkonger Bürgern einen Pass für GB geben will, um sie vor chinesischer Verfolgung zu schützen, die Schutzmacht Hongkongs sei. Dabei handelt es sich um die Umkehrung aller Werte, zumindest derer, die dem Völkerrecht zugrunde liegen: In der Märchenstunde eines öffentlich-rechtlichen Senders, der sich als politisches Journal verkauft, werden die Nachfolger einer Kolonialbande, die sich mit Kanonen und Rauschgift etwas unter den Nagel gerissen haben, als Schutzmacht bezeichnet. Befände man sich in gesitteter Gesellschaft, müsste man empört ausrufen: Das geht aber zu weit! Aber an diese Sitten kann nicht mehr appelliert werden. Sie existieren nicht. 

China: Nicht jede Verschwörungstheorie muss schlecht sein!

Gestern war es wieder soweit. Der Qualitätsjournalismus aus dem Hause ZDF hatte seine Ikone Ulf Röller losgeschickt und aus dem Inneren Chinas berichten lassen. Wenn er dort ein- oder herumreist, wissen die Chinesen gleich, was auf sie zukommt. Er kann es sich nämlich nicht verkneifen, mit einer Baseball Cap, auf deren Frontseite stolz der Name Hongkong prangt, sich als ein Fan der historisch wohl dunkelsten Seite des britischen Kolonialismus zu outen. Jede Chinesin und jeder Chinese hat in der Schule gelernt, dass das britische Kolonialreich sich in einem der dreckigsten Kriege in der Gattungsgeschichte das Recht auf Drogenhandel und die Belieferung Chinas mit indischem Opium militärisch durchzusetzen und dafür gleichzeitig den Hafen Hongkong unter den Nagel zu reißen. Gut, dass ein deutscher Journalist sich gleich so positioniert. Da wissen alle, der freie Westen kommt ins Haus, und es sicher, er bringt uns die lang ersehnte Perspektive der Demokratie.

Die Bilder, die gezeigt wurden, in dieser Sondernummer des Auslandsjournals, zeigten ein China, das von der Corona-Krise, die übrigens eindeutig von der Kommunistischen Partei zu verantworten ist, das wirtschaftlich am Boden liegt und dessen Bevölkerung völlig demoralisiert ist. Es wird im Land herumgereist und immer mal wieder jemand interviewt, den der chinesische Shutdown hart getroffen hat, der oder die die Arbeit verloren hat oder auf Investitionen sitzen geblieben ist, die sich nicht amortisieren konnten. Nicht, dass die Existenz solcher Schicksale angezweifelt würde, fraglich ist jedoch, ob sie ein realistisches Abbild dessen geben, was sich in China derzeit tatsächlich abspielt. 

Beim betrachten der Reportage störte vor allem der omnipräsente Unterton des Besserwessis, der sich einer permanenten Schadenfreude nicht enthalten konnte und alles, aber auch alles in einer einzigen politischen Verantwortung enden ließ. Unreflektiert, und darauf setzte das Kompositum des Berichts, konnte man zu dem Schluss kommen, das Ganze sei ohne das politische System Chinas gar nicht erst passiert. Liegt da auch der Schluss nahe, der Befall des Virus in ca. 150 Ländern dieser Erde sei ein Bock, den die chinesische Kommunistische Partei geschossen hat? 

Als das Team, gleich zu Beginn der Reportage, angewidert darüber berichtete, sie hätten einen QRL-Code mit ihrem Smartphone einscannen müssen, um sich einem Corona-Tracing-Programm auszuliefern, einer willkommenen Gelegenheit für die chinesische Diktatur, Land und Leute nun komplett zu überwachen, drängte sich der Vergleich mit Argumenten hierzulande auf, die von der gleichen journalistischen Zielgruppe sofort und laut mit dem Terminus der Verschwörungstheorie überzogen würde. In Bezug auf die Einschätzung hiesiger Verhältnisse, versteht sich. 

Der Rückschluss wäre, zu akzeptieren, dass keine Verschwörungstheorie zu abstrus ist, wenn sie eine Schuldzuweisung auf politische Feinde enthält.  Ja, Feinde, denn so, wie das ZDF-Team da über China nicht zum ersten Mal berichtet, existiert kein anderer Begriff, der das Ressentiment besser beschriebe. Und irgendwie wird man den Eindruck nicht los, das in guten Zeiten der Profession geforderte distanzierte Auge des Journalismus sei in irgendeinem Gully der geschilderten Märkte mit Reptilien und Meeresgetier beim Ausspritzen verloren gegangen. 

Alle, die wissen wollen, wie schnell man sich den Vorwurf der Verschwörungstheorie einhandeln kann, nimmt die Reportage und wendet die Verdächtigungen, Anspielungen und Bezichtigungen und wendet sie auf bundesrepublikanische Verhältnisse an. Ob es bei dem Vorwurf der Verschwörungstheorie bliebe, ist anzuzweifeln. Es könnte auch zu drastischen Maßnahmen führen, an deren Ende nicht mehr das Recht auf Freizügigkeit steht. 

Was daraus zu lernen ist? Verschwörungstheorien sind per se nicht schlecht. solange sie auf politische Feinde angewendet werden. Im eigenen Hause jedoch sind sie jedoch ekelerregend. Wer das auseinanderhalten kann, hat nichts zu befürchten.  

An der Oberfläche geknabbert

Burhan Qurbani. Wir sind jung. Wir sind stark

Der kluge Carl Weissner, die markante Stimme des deutschen Undergrounds, gestand einmal, dass der Verriss eines Werkes ihm gar nicht läge. Es müsse schon sehr viel geschehen, ehe er sich zu so etwas aufraffe, weil er wisse, wie sehr es einem unter die Haut ginge, wenn man selbst Gegenstand eines solchen Verrisses sei. Nicht nur deshalb geht es mir ähnlich. Ich habe immer das Gefühl, dass ein solches Vorgehen immer etwas mit Anmaßung zu tun hat. Und dennoch, manchmal gibt es Situationen, die erfordern, dass eine konsequente Position eingenommen wird, auch gegen ein Werk und damit seinen Schöpfer.

Diesmal geht es gegen einen Film. Er lief im ZDF und war als Drama angekündigt. „Wir sind jung. Wir sind stark“ war der Titel, unter dem der Film angekündigt wurde und er behandelte die rassistischen Ausschreitungen in Rostock Lichtenhagen im August 1992. Er stammt von dem deutsch-afghanischen Regisseur Burhan Qurbani.

Ich hätte mir das alles ersparen können, wenn ich meinem Instinkt gefolgt wäre und die Anmoderation des Films durch Klaus Kleber, die zeitgenössische Kollektivmetapher für die Verdunkelung, mit dem Satz, dass die Kollegen, die damals dabei gewesen seien, ihm berichtet hätten, dass der Film der damaligen Realität sehr nahe käme als Warnung genommen hätte. Von der bloßen Faktenlage muss man nicht dabei gewesen zu sein, um das zu bestätigen. Die Krawalle und ihre innere Motorik nach 25 Jahren noch so darzustellen erfordert allerdings ein Maß an Ignoranz, das erstaunlich ist.

Zu den Fakten: In Rostock Lichtenhagen, einem sozialen Brennpunkt, in dem Arbeitslosigkeit und alle Formen der daraus folgenden sozialen Tristesse herrschen, werden Anfang der neunziger Jahre große Gruppen von Asylbewerbern in leerstehenden Plattenbauten untergebracht. Die Situation eskaliert, als Sinti und Roma dazukommen, die durch ihr Verhalten die bisherige „Ordnung“ stören. Plötzlich bricht der Damm und es entladen sich rassistische Emotionen, die in die Geschichte eingegangen sind.

Der Film zeigt den Ablauf, einerseits aus Sicht der sozialdemokratischen Akteure der Stadtverwaltung, deren Politik sich in einer Taktiererei zwischen ihr, der Landes- sowie der Bundesregierung um Zuständigkeiten erschöpft. Zentrum jedoch ist einer Gruppe von Jugendlichen, die herumstreunt und sich mental auf den vermeintlich großen Kampf vorbereitet. Die Zusammensatzung der Gruppe ist insofern interessant, als dass sich in ihr Vertreter der gehobenen Mittelschicht wie des Proletariats oder das, was im Rostock jener Tage davon geblieben ist, zusammenfinden. In der Gruppe wird gesoffen und gevögelt, und irgendwann werfen ihre Mitglieder Molotow-Cocktails und brandschatzen das berühmte Sonnenblumenhaus.

Das alles ist sicherlich richtig, nur, die heftige Kritik richtet sich gegen die Unterlassung an Erkenntnis, 25 Jahre nach den Ereignissen. Es hätte interessiert, warum und aus welchen Erwägungen gerade Rostock Lichtenhagen für die Unterbringung von Asylanten ausgewählt wurde, es hätte interessiert, warum und auf wessen Veranlassung, in der Nacht der Eskalation, plötzlich die Polizei abgezogen wurde, damit gebrandschatzt werden konnte. Und es hätte interessiert, was sozial, politisch und kulturell bei den Jugendlichen passiert war. Sie hatten den Untergang der DDR erlebt, den Untergang ihrer Stadt mit der Abwicklung des Hafens und der Werften und sie hatten alle ihre Hoffnungen begraben müssen.

Die Ereignisse in Lichtenhagen hätten ein Schlüssel für das werden können, wenn heute, wie es regelmäßig in Deutschland geschieht und nicht so interessiert wie Ereignisse im amerikanischen Charlottesville, Asylbewerberunterkünfte abgefackelt werden. Sich bei einer Darstellung der Geschehnisse damals diesen Erkenntnissen zu verschließen ist ein schweres Versäumnis. Zu erklären ist es, weil der freie Westen für viele eine herbe Enttäuschung war, die so stark wirkte, dass alle Dämme rissen.