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007 revisited

William Boyd. Solo. A James Bond Novel

Es gehört Mut dazu, dem Werk eines Kult-Autors aus eigener Feder etwas hinzufügen zu wollen. William Boyd, der selbst Bestseller wie Ordinary Thunderstorms, Any Human Heart und Waiting For Sunrise aufzuweisen hat, konnte dieser Versuchung nicht widerstehen. Er nahm sich die Werke Ian Lancaster Flemings vor, den namentlich vielleicht nicht viele kennen, aber dessen Romane alle verfilmt wurden und unter dem Namen James Bond, 007 der ganzen Welt bekannt sind. Casino Royale, Moonraker, Diamonds Are Forever oder Goldfinger sind Titel, die in den meisten Menschen bis in unsere Tage Bilder hervorrufen, die legendär sind und auf die Filmerfolge zurückzuführen sind.

William Boyd selbst ist Erfolgsautor und Afrikakenner. Also machte er das, was er selbst sehr gut kann und schrieb einen James Bond-Roman, der in der tatsächlichen Zeit der Kultfigur spielt und dessen Handlung immer wieder in Afrika spielt. Unter dem Titel Solo, der die wesentliche Aussage bereits beinhaltet, dass der legendäre Agent nämlich in dieser Episode auf eigene Rechnung unterwegs ist, wird das Portfolio eines guten zeitgenössischen Romans schnell visualisiert: Bond soll eine kleine Rebellenrepublik an der Westküste Afrikas destabilisieren, weil sie den Interessen des Empires entgegensteht. Er wird verstrickt in eine komplexe Interessenlage, die etwas mit Ölvorkommen und Waffenhandel zu tun hat, er wälzt sich mit attraktiven Frauen über so manches Laken und – er reflektiert seine Beziehungen. Das ist neu, stört aber nicht den Handlungsfluss.

Damit wäre man eigentlich schon dort, wo die interessanteste Frage lauert: Gelingt Boyd ein spannender Bond-Roman? Aufgrund seines erzählerischen Könnens, seiner Kenntnis des Metiers und seinem Sinn für einen halbwegs sinnvollen politischen Anspruch lautet die Antwort eindeutig Ja. Die zweite Frage ist die, ob Boyd dem Trend folgt, den seine Verfilmungen in den letzten Jahren, vor allem durch die Darstellung durch Daniel Craig, eingeschlagen haben? Und da lautet die Antwort glücklicherweise Nein. Boyds James Bond ist nicht der sich stundenweise wie ein Techno-Proll vor immer größerem Simulationsspektakel duellierende Schlägertyp geworden, durch dessen Inszenierung es immer perfekter gelingt, sinnfreie Kontexte zu produzieren. William Boyd hingegen hat mit sehr durchdachter Konzeption eine Figur geschaffen, die der Tradition treu bleibt, aber dennoch den gesellschaftlichen Wertewandel reflektiert.

In dem Roman Solo begegnen wir einen James Bond – 007, dem diese geniale Mischung aus Tradition und Moderne weiterhin anhaftet. Einerseits der englische Gentlemen alter Schule, andererseits der dunkle Charakter offener Machtpolitik, der sich der neuesten Produkte der technischen Entwicklung stets zu bedienen weiß. Neu, aber eben nicht aufdringlich neu an der charakterlichen Weiterentwicklung durch William Boyd ist ein Agent, der seinen Machismo zwar nicht abgelegt hat und nach dem Stereotyp des Jägers das weibliche Geschlecht taxiert, den es aber emotional erwischen kann und der aufgrund dessen bereit ist, sein Handlungsprogramm zu ändern, was dazu führt, dass der Agent, der Solo geht, verletzlich geworden ist. Das erlebt man allerdings nicht als qualitativen Verlust hinsichtlich von Spannung und Plot.

Insofern ist es William Boyd gelungen, den gesellschaftlichen Wandel mit in den neuen, eigenen Bond-Roman aufzunehmen, ohne der Verflachung in den filmischen Konzepten zu folgen oder die Grundkonzeption durch einen ideologischen Vortrag zu diskreditieren. Warum es unbedingt ein Bond sein musste? Wahrscheinlich eine Art archaischer Herausforderung. Machismo? Kaum!