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Menschheit oder Weltgesellschaft?

Kürzlich, bei einer abendlichen Diskussion in größerem Kreise, war es wieder soweit. Es kam die Menschheit ins Spiel. Und prompt kreisten die Gedanken um die Frage, ob die Menschheit sich zum Guten oder Bösen bewege und, angesichts der heftigen Streitigkeiten um den Wandel des Klimas, ob die Menschheit nicht doch dem Untergang geweiht sei. Über diese Fragen wird, wenn sie aufkommen, regelmäßig heftig gefochten. All diesen Diskussionen ist gemein, dass sie zu nichts führen. Nicht, weil sie nicht beantwortet werden könnten, sondern weil die Fragestellung falsch ist. Sie entspricht dem Muster, dass ein Aufblasen in die Abstraktion noch nie zu etwas geführt hat, wenn konkretes Handeln und konkrete Interessen im Spiel sind.

Die Menschheit an sich ist so etwas wie ein Gattungsbegriff. Als historisches Subjekt jedoch handelt die Menschheit nicht. Bei der Beeinflussung des Weltgeschehens, in das der Homo sapiens verwickelt ist, spielen andere Kategorien eine Rolle. Da wäre es sinnvoll, statt von der Menschheit von einer Weltbevölkerung zu sprechen, die ihrerseits in unterschiedliche Nationen und Zivilisationen aufgeteilt ist. Beim Vergleich der USA zum Beispiel mit Bangladesh oder China mit Portugal oder Deutschland mit Papua Neuguinea wird sofort deutlich, dass es gewaltige zivilisatorische wie strukturelle Unterschiede gibt, unter denen die Menschen hier wie dort existieren. Da hilft es gar nicht mehr, von der Menschheit zu sprechen, sondern da sind andere Kategorien gefragt. 

Angesichts der momentan immer wiederkehrenden Fragen ist es wichtig, zu unterscheiden zwischen den Kräften, die mit ihren handfesten Interessen Mensch und Natur systematisch zerstören und denen, deren Lebensgrundlagen bei diesem Prozess zerstört werden oder derer man sich als Ressource selbst bemächtigt. Die viel besungene Menschheit teilt sich so sehr schnell in zwei Teile, nämlich die, die zerstören und verbrauchen und die, die produzieren und verbraucht werden. Da existieren keine Gemeinsamkeiten, sondern ein Interessengegensatz, der politisch gelöst werden muss. Wird er es nicht, dann geht das Zerstörungswerk weiter und die Existenzgrundlagen der „Menschheit“ sind bald wirklich am Ende. Das war dann jedoch nicht das Werk der „Menschheit“ an sich, sondern das derer, die sich als Sprecher der gesamtem Menschheit aufschwingen, um den Großteil derselben auszuplündern.

Innerhalb der Weltgesellschaft wiederum existieren nicht nur unterschiedliche Zivilisationen, sondern auch teils mit Kultur und Zivilisation, teils mit deren Ökonomie verknüpfte Interessen, die nicht nur deren Handeln erklären, sondern auch deren Einbindung in Bündnisse logisch erscheinen lassen. Dass die Nationen, die in erster Linie davon leben, in einer globalisierten Welt, in der der Zugriff auf Märkte wie Ressourcen gesichert werden muss, sich in Wirtschafts- wie Militärbündnissen wiederfinden, ist mehr als logisch. Dass es zu ihrer Rhetorik gehört, in diesem sehr handfesten Kontext immer wieder von der Menschheit an sich zu reden, ist bemerkenswert, sollte aber nicht davon abhalten, den Blick auf das zu werfen, was sie tatsächlich zusammenhält.

Dass ausgerechnet aus diesen Bündnissen immer wieder die Forderung formuliert wird, die Nationen seien ein Relikt der Vergangenheit, entspricht der Devise des „Teile und herrsche“ und soll den Zugriff auf die Ressourcen der kleinen Nationen noch einfacher machen. Eine Antwort auf diesen Trend kann nur sein, dass neue Bündnisse entstehen, die sich aus dem Interesse bilden, sich gegen die Zivilisationen zu schützen, deren Wirtschaftssystem auf Plünderung und Vernichtung ausgerichtet sind. Historisch könnte die „Bewegung der Blockfreien“ eine Folie sein, auf der neue Allianzen entstehen. Zum Schutz der Weltbevölkerung, und zur Klage der „Menschheit“. Und ein erster Schritt zu einer Weltgesellschaft.