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Kalte lusitanische Taktik und ein kleiner roter Drachen

Diese EM zeigt mehr und mehr Kontur. Allerdings als Veranstaltung, die sich als eine Geldmaschine für die UEFA bestätigt. Eine Geldmaschine auf Kosten der Akteure wie des Publikums. Das Turnier wurde auf noch mehr Teilnehmer aufgeblasen, um mehr Spiele zu haben, die zu vermarkten sind. Das Ergebnis sind entweder Teilnehmer, die von ihrer Qualität dort nichts zu suchen haben und Profifußballer, die dort ihre sechzigsten bis siebzigsten Spiele der Saison abliefern und die längst an ihren physischen und mentalen Grenzen angekommen sind. Das bei der Kritik an den großen Vertretern der Branche nicht zu berücksichtigen, dokumentiert schlicht Ignoranz. Dennoch gibt es Highlights und Überraschungen, und das sollte ausdrücklich festgehalten werden, Highlights trotz der UEFA und trotz einer zumindest hierzulande miserablen Berichterstattung. Zu den nicht erwarteten Highlights zählen momentan die Teams aus Island und Wales.

Bei der bisherigen Qualifikation zum Halbfinale gab es bis dato zwei brachial wirkende Überraschungen. Die eine war der Sieg Islands über England, die andere die Niederlage Belgiens gegen Wales. Die letzten Vertreter Großbritanniens, die ein Land mit der Größe eines entlegenen und eher untergeordneten Bundeslandes repräsentieren, haben bis jetzt mit einer sehr starken Mannschaftsleistung und einigen Akzenten ihres Superstars Bale den erfolgreichen Weg bestritten. Das von Hochkarätern besetzte Team Belgiens wähnte sich nach einer frühen Führung wenig später in einem Film, der die Rollen dramatisch vertauschte. Die Underdogs führten Regie und schlugen mit einer einzigartigen Kaltblütigkeit zurück, sodass auf jeden Fall die Frage nach der Jugendfreiheit für diesen Streifen geklärt werden muss.

Dass sowohl die meisten Akteuere von Wales wie von der Feuerinsel Island quasi den Status als Amateure haben, weist einerseits auf den Überlastungsstatus der Profis am Ende einer Saison hin, zeigt andererseits aber auch, welche Dimension der kollektive Wille annehmen kann, wenn die Unterprivilegierten sich vornehmen, die Paläste zu stürmen. Alle, die in Europa von einer Revolte der Kleinen gegen die Dominanten träumen, können diese Tendenz in dieser EM 2016 lesen und etwas Hoffnung schöpfen. Das Emblem der metaphorischen Revolte ist momentan eine Vulkaninsel und ein roter Drachen. Und, das ist das Schöne, der Weg ist noch nicht zu Ende.

Eine andere Geschichte ist die von Portugal. Die Equipe dieses Landes hat viele Jahre lang Auftritte in der Qualität der offensiven Niederländer hingelegt und jedesmal genauso wie die genannten relativ früh, in Schönheit gestorben, das Turnier verlassen müssen. Nun maßen sich diese Südländer tatsächlich an, wie die kalten Utilitaristen aus dem Norden aufzutreten und schon werden sie gebasht was das Zeug hält. Die deutsche Sportjournaille lässt keine Gelegenheit ungenutzt, um Portugal und natürlich vor allem Ronaldo zu bescheinigen, dass sie schlechten Fußball spielen und eigentlich zu Unrecht im Halbfinale stehen, während der bei den erfolg- wie konzeptionslosen Polen Lewandowski wie eine Madonnenerscheinung gefeiert und das unterlegene Team bemitleidet wird. Aber die Leserinnen und Leser mögen unbesorgt sein, es gibt Gründe dafür, und die liegen an verlorenen Konkurrenzduellen mit dem bayrischen Staatsverein. Aber man kann ja auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen immer wieder testen, wie weit man gehen kann, mit Manipulation wie Verhetzung.

Bisher haben kalte lusitanische Taktik und die Kampfbereitschaft eines kleinen roten Drachen den Weg ins Halbfinale gefunden. Nun stellt sich die Frage, wer sich dazugesellt. Es wird spannend.