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Wahlkampffetzen

Fragt man den so genannten kleinen Mann auf der Straße, und selbstverständlich darf es auch eine Frau sein, was er von dem hält, was sich als Wahlkampf vor ihm darbietet, so sind die Urteile zumeist vernichtend. Denn, und da bin ich ganz bei den kleinen Leuten, die wesentlich mehr Verstand besitzen, als ihnen von verschiedenen Seiten zugetraut wird, das, was sie da sehen und erleben, gefällt ihnen gar nicht. Es beginnt bei den Versprechungen, die, wenn man genau hinsieht, in nur sehr wenigen Fällen die Chance auf Verwirklichung haben. Und es geht weiter bei den Plakaten, die Texte aufweisen, als befände man sich bei einem dadaistischen Happening. Zumeist handelt es sich um Allgemeinplätze, die an Unsinnigkeit und Abstraktion kaum zu überbieten sind, die allerdings gemein haben, dass sie haarscharf an den konkreten Lebensbedingungen derer, die sie ansprechen wollen, vorbeischlittern. Dass der Mist, der da den öffentlichen Raum kontaminiert, zumeist gar nicht aus den Parteizentralen kommt, sondern ein teurer Einkauf aus Werbeagenturen ist, die verstehen, wie man Hilfe Suchende um den Finger wickelt und ihnen debilen Schund als psychologische Wunderwaffe andreht.

Auf der anderen Seite verwundert es die Beobachter von den schlecht asphaltierten Straßen, mit welcher Selbstaufgabe die um ein Mandat Werbenden unterwegs sind. Vieles von dem, auf das sie sich einlassen, hat mit persönlicher Würde kaum etwas zu tun. Ob es sich um irgendwelche, quizartigen Befragungen im TV geht, wo sie kaum ihre Standpunkte vertreten können bis hin zu den beliebten wie dämlichen Stichwortspielchen, wo Bewerberinnen um ein Mandat im Auftrag der Wähler, mit einem Wort oder in wenigen Sekunden antworten müssen. In der Antike wären bei solchen Sottisen die Scherben geflogen. Es zeigt, wie weit wir von dem charmanten Gedanken der Demokratie entfernt sind. Dort gab es auch Losverfahren, wo es jeden für einen bestimmten Zeitraum treffen konnte, für das Wohl der Gemeinschaft tätig werden zu müssen wie zu dürfen. Hier jedoch, in der euphemistisch genannten Welt der Dinge, wird das Abhalftern von Volksvertretern in spe noch als demokratische Tugend verkauft.

Und sie machen mit. Und diese Frage beschäftigt. Wie kann es sein, dass Menschen, die nicht unbedingt auf den Kopf gefallen sind, sich derartigem Schwachsinn unterwerfen? Dass sie alles mitmachen, weil es sein könnte, dass die Hyänen der für eine fiktive Öffentlichkeit produzierten Meinung Menschen dazu bringen, auf jede dumme wie entwürdigende Frage zu antworten? Und wie kommt es, dass niemand den Spieß umdreht und die Lohnschreiber mit geliehener Macht einmal in die Schranken weist? Die berühmten kleinen Leute vermissen nicht nur glaubhafte Antworten, sie vermissen ebenso ein gewisses Selbstwertgefühl und Haltung. Deshalb tauchen immer wieder Namen aus der Geschichte auf, die ein solches Gefühl noch vermittelten. 

Anscheinend ist etwas dran an der oft gehörten These, dass viele derer, die sich dort bewerben, materiell keine Alternativen besitzen oder psychopathologische Krankheitsbilder aufweisen oder auf die beides zutrifft, was sie dazu veranlasst, sich so behandeln zu lassen. Wenn man einen Rat an die geben könnte, die es halbwegs ernst meinen mit einem solchen Mandat, dann wäre es der, derartige Veranstaltungen zu sprengen und tatsächlich politische Ziele zu benennen, um die es ihnen wirklich geht. Auf der erwähnten schlecht asphaltierten Straße wäre Jubel zu hören. Und es wäre keiner, über den man sich erheben sollte. Denn wer die eigene schlechte Behandlung in Kauf nimmt, lässt das auch bei anderen zu. Das weiß der „kleine Mann“. Sehr genau!