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Das Tal der Ahnungslosen 2.0

Zu DDR-Zeiten wurde die Gegend um Dresden auch das Tal der Ahnungslosen genannt. Grund dafür war die technische Unfähigkeit, von dort auch Westsender zu empfangen. Betrachtet man den gegenwärtigen Zustand der Bundesrepublik Deutschland in Bezug auf die Wahrnehmung der Entwicklungen auf der Welt, könnte man getrost diese Bezeichnung auf das heutige gesamte Staatsgebiet ausweiten. In vielerlei Hinsicht tappt die bundesrepublikanische Öffentlichkeit komplett im Dunkeln. Seien es die Ursachen für die militärischen Konflikte, seien es neue Bündnisse auf diesem Planeten oder sei es der Zustand des großen Verbündeten jenseits des Atlantiks. Grund dafür ist eine Berichterstattung, die durch eigene ideologische Vorgaben als sehbehindert qualifiziert werden muss.

Als eines der gegenwärtig wohl besten Beispiele kann die Situation in den USA am Vorabend der Wahlen angesehen werden. Dadurch, dass sich sowohl die Regierung, als auch Teile der Opposition und alle renommierten Blätter aus dem Pressemonopol bereits auf die Kandidatin Kamala Harris festgelegt haben, kann es, nein, wird es höchst wahrscheinlich zu einem bösen Erwachen kommen. 

Einmal abgesehen von den Charakterisierungen der Kandidatin wie dem Kandidaten, die zumeist reduziert sind auf das persönliche Auftreten, bekommt man im heutigen Tal der Ahnungslosen nur dann Informationen über die programmatische Disposition der Konkurrenten, wenn es zur eigenen Favorisierung passt. Dabei wird geflissentlich übersehen, dass diejenigen, die die Figur Kamala Harris steuern, ihre europäische Kriegspolitik werden fortsetzen wollen, während Donald Trump angekündigt hat, den Krieg in der Ukraine in wenigen Tagen beendigen zu wollen.

Diese Frage allein, einmal abgesehen von Ankündigungen eines verschärften Wirtschaftskrieges auch gegenüber der Bundesrepublik seitens Trump, sollte zu denken geben. Nach jetzigen Umfrageergebnissen aus den USA ist es nämlich eher wahrscheinlich, dass die Republikaner das Rennen werden machen können. Dann, soviel ist gewiss, sieht es finster aus mit der außenpolitischen wie wirtschaftlichen Ausrichtung der westeuropäischen Staaten. Während man in Frankreich dieses Szenario bereits auf dem Schirm hat, wird hier der reine Glaube an eine Präsidentin Harris weiterhin bis zum Exzess gepflegt.

Und bei aller Kritik an der Bundesregierung, vor allem in Bezug auf die vom jetzigen amerikanischen Außenminister Blinken ins deutsche Auswärtige Amt soufflierte und artig befolgte Konfrontationspolitik, stellt sich vor allem die Frage, wie ein Kanzlerkandidat Merz mit seinen Ankündigungen, den Krieg nach Russland tragen zu wollen, im Falle eines kompletten Rückzugs der Amerikaner dann vorgehen möchte. Siegesgewiss wie er ist, in Bezug auf die bevorstehenden Wahlen hierzulande, sollte er nicht nur Überlegungen anstellen, wie er der deutschen Bevölkerung die Operation Barbarossa 2.0 schmackhaft machen will, sondern auch, mit welchen militärischen Kräften und mit welcher Mannstärke er den Marsch auf Moskau bewerkstelligen will. 

Im Tal der Ahnungslosen 2.0 wird das Erwachen einen bösen Charakter haben, spätestens wenn die Stellungsbefehle, der technologischen Entwicklung entsprechend, in Briefform im verrosteten Kasten liegen. Ich könnte fortfahren mit einem „Spaß beiseite“, doch leider ist es wohl so, dass die momentane strategische Ausrichtung der bundesrepublikanischen Außenpolitik auf einer Spekulation beruht, deren Wahrscheinlichkeit gering ist. Und, das kann jetzt tatsächlich als schwarzer Humor aufgefasst werden, dann ergeht es dem Land, in dem wir gerne leben möchten, wohl so, wie Zyniker das Altwerden charakterisieren: Wenn du morgens aufwachst, und dir tut nichts weh, dann bist du tot. 

Amerikanische Wahlen und deutsche Märchen

Gott sei Dank! Die Demokraten verteidigen den Senatssitz von Arizona! Der ehemalige Astronaut Kelly setzt sich gegen den Kandidaten der Republikaner durch. Jetzt fehlt den Demokraten nur noch ein Sitz, um die Mehrheit im Senat zu halten. Und nun haben sie ihn, den Sitz!

Das ist der Tenor der hiesigen Berichterstattung und er zeigt, wie es um den Orientierungssinn in der politischen Berichterstattung bestellt ist. Jede Stimme für die Demokraten wird gefeiert als Sieg der Demokratie und eine Mehrheit der Republikaner in beiden Kammern mit dem Weltuntergang gleichgesetzt. Das einzige, was bei dieser Sichtweise klar wird, ist der Einfluss demokratischer Stiftungen und Think Tanks auf den deutschen Journalismus. Mehr aber auch nicht. Und dass Politiker diesen Unsinn auch noch nachbeten, nährt die bereits grassierende Verzweiflung. 

Der Krieg in der Ukraine ist, jenseits der immer wiederholten Erzählungen eben jener Zunft, das Ergebnis eines mehrere Jahrzehnte umfassenden Prozesses, bei dem es um das Zwischenergebnis eines Kalten Krieges ging, an dessen vermeintlichem Ende es um die Ansprüche der zusammengebrochenen Sowjetunion genauso ging wie um die geostrategischen Perspektiven der vermeintlich obsiegenden USA. Die konsequente NATO-Osterweiterung war das eine, der Revisionismus einer gedemütigten Supermacht das andere. Den großen Gewinner, soviel ist gewiss, den gab es nicht.

Russland hat nicht nur Raum und Menschen in großer Zahl verloren, sondern auch, ganz in der Tradition des eigenen Imperialismus, zu sehr auf den eigenen Ressourcenreichtum vertraut und die gesellschaftliche wie technische Modernisierung verschlafen. Die USA, vom Triumphalismus trunken, schwächten sich selbst durch zahlreiche Kriege, verloren die Dominanz durch die Weltfinanzkrise 2008 und verpassten ihrerseits die Möglichkeiten, die Gesellschaft vor einer rapiden Erosion zu bewahren. Das Land ist gespaltener denn je und wer glaubt, es läge lediglich an einem schillernden Baulöwen aus dem republikanischen Lager, der folgt blauäugig den Schauergeschichten demokratischer Wahlkampagnen. Die Zerrissenheit hat andere Ursachen als das Psychogramm der Spitzenkandidaten. Sie sind die Symptome, aber nicht die Ursache.

In den drei Dekaden nach dem vermeintlichen Ende des Kalten Krieges hat sch China durch die Entwicklung der eigenen Produktivkräfte, durch Technologie, durch Investition in Bildung und Infrastruktur zu einem Schwergewicht in den internationalen Beziehungen entwickelt, ohne, und das sei einmal unterstrichen, bis heute in nur einem Land außerhalb der eigenen Grenzen militärisch interveniert zu haben. Chinas Dominanz resultiert aus eigenen Anstrengungen, aus eigenen Investitionen und aus geschickter Diplomatie. Im Vergleich dazu stehen sowohl die USA, als auch die sich immer mehr zu deren brotlosem Appendix entwickelnde EU sowie Russland schlecht da.

Die amerikanischen Demokraten standen bereits 2016 für die Option eines heißen Krieges mit Russland. Die damaligen Kandidatin Clinton hatte immer wieder diese Notwendigkeit betont. Da mit einer Ukraine, in der ein erfolgreicher Regime Change durchgeführt worden war, ein wunderbarer Stellvertreter gefunden war, mit dem man Russland in den Waffengang locken konnte, war die Möglichkeit gegeben.

Nach der Abwahl von Trump war es dann soweit und es dauerte nicht lange, bis der heiße Krieg entfacht war. Wunderbarerweise stand aufgrund der kausalen Abfolge Russland als Aggressor da. Alles, was aus dem demokratischen Lager zu entnehmen ist, deutet darauf hin, den militärischen Konflikt solange am Leben zu erhalten wie möglich, um den Keil zwischen Russland und Rest-Europa so tief wie möglich zu treiben. Dabei werden Kollateralschäden in Kauf genommen, die die europäische Entwicklung auf Jahrzehnte vehement beeinträchtigen werden.  

Wer da als Journalist um demokratische Mehrheiten bangt, ist exzellent gebrieft und verbreitet Nachrichten, die weit vom Wesen der Geschehnisse weit entfernt sind. Das eigene Handwerk beherrscht er nicht.