Schon in der alten Schrift wird der Preis für den Verrat als niedrig beschrieben. Für ein Linsengericht heißt es dort, was nicht darüber hinweg täuschen sollte, dass der Wert einer Zuwendung immer auch von der wie auch immer gearteten Niedrigkeit des Empfängers kalkuliert werden muss. Wer nichts hat, kann für ein Stückchen Brot durchaus zu einem großen Verrat angestiftet werden, was ihm viele, die in ähnlich prekärer Situation leben, durchaus nachempfinden könnten, diejenigen auf der Sonnenseite des Lebens allerdings nur mit Verachtung betrachten werden.
Ja, der Verrat steht ethisch wie moralisch nicht hoch im Kurs. Und dennoch findet er immer wieder statt. Kein Umstand, der ihn nicht zu einer Option macht und keine Beteiligten, die nach einem Zubrot lechzen. Die Währung, mit der Verrat bezahlt wird, unterliegt allerdings konjunkturellen Wechseln. Was allzu oft das Ergebnis materieller Armut ist, nämlich besagte Linsengerichte, Brote oder sonstige Speisen, entspringt einem knurrenden Magen.
Neben der Not existiert auch immer die Gier. Da sind dann jene, die getrieben werden von dem Ziel des sozialen Aufstiegs. Für Geld, dem allgemeinen Äquivalent für nahezu die gesamte Warenwelt, lässt sich neben dem tatsächlich Materiellen lässt noch gesellschaftliches Ansehen erwerben. Vor allem in Gesellschaften, die ihrerseits von dem Unversalwert des Geldes getrieben werden. Sehr verbreitet und beliebt ist dieses in den so genannten post-heroischen Gesellschaften. Da werden zwar, wie im Zombieland, gewisse Werte im Diskurs beworben, aber zählen, zählen tun sie nichts. Was zählt, ist das blinkende Metall. Vielleicht sollte man für diese sich sozial und kulturell im Niedergang befindlichen Gesellschaften auch das Attribut des Metallurgischen einführen.
Und, als weitere Option für die Währung, in der der Verrat gezahlt wird, ist das des Ausbleibens großer Gefahr. Wer eine bestimmte Position im gesellschaftlichen Gefüge einnimmt und sich auf den Deal mit den feindlichen Interessen einlässt, bekommt einen kleinen Garantieschein für die eigene Sicherheit. Und zwar in mehrere Richtungen sein. Man ist fest verankert im Ensemble eines beträchtlichen Kollektivs von Delinquenten, die alle auf der Empfängerliste stehen und man braucht die brachialen Methoden des Nutznießers des geplanten Verrats nicht zu fürchten. Denn die einen schrecken nicht davor zurück, die Verräter am Verrat auf dem eigenen Terrain zu vernichten und der andere, der Auftraggeber, ist dafür bekannt, dass der neben einem lächerlichen Zubrot auch in der Währung des Todes bereit ist den Akt der Verweigerung zu begleichen.
Betrachtet man den Vorgang systemisch, so ist festzustellen, dass Zustände, die den Verrat am Fortgang der Dinge nahezu voraussetzen, dahin tendieren, den Preis für den Verrat tendenziell zu senken. Wir reden also vom tendenziellen Fall des Wertes für den Verrat. Und zwar für den Verrat am kollektiven Konsens. De facto hat er bereits vor langer Zeit stattgefunden, indem nur noch die Interessen einer verschwindend geringen Minorität als politisches Programm verfolgt wurde. De jure findet er statt seit dem Eintritt in den bewaffneten Kampf um Ressourcen und Macht. In diesem Stadium scheinen wir uns zu befinden. Der Preis für den Verrat ist zu einer Ramschgröße verkommen. Der Schaden hingegen nähert sich den astronomischen Summen privater Vermögen. Das Lesen dieser Bilanz erfordert eine gewisse Portion innerer Stärke.
