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Die Felle schwimmen weg

Wo sind sie jetzt? Die tollkühnen Verteidiger des Völkerrechts? Die, die immer davon reden, man dürfe keine Handbreit zurückweichen vor den Frevlern und Aggressoren, die das internationale Recht missachteten? Die immer so kryptisch von einer regelbasierten Ordnung reden? Was meinen sie damit? Jetzt, wo der einstmals große Weltpolizist einmal wieder seine schönen Waffen zeigt, mit denen er alles bezwingen kann? Der, auf Verdacht und Mutmaßung, Schiffe versenkt und hinterher behauptet, an Bord seien exklusiv nur Drogendealer? Der den größten Flugzeugträger, den er hat, vor den Küsten eines souveränen Landes patrouillieren lässt, und darauf hinweist, dass er nicht zögern wird, die Hölle über Venezuela hereinbrechen zu lassen? Dem Land, das außerhalb des Nahen und Mittleren Ostens über die größten Ölvorkommen verfügt?

Wo sind sie? Die Herren Außenminister und Bundeskanzler, die vielen Grünen Magnifizenzen, die mit nackter Brust Freiheit und Recht zu verteidigen bekräftigen? Und die ganzen Schergen in Funk und Fernsehen, die sich nicht zu verkommen sind, im einen Fall moralinsaure Tränen zu vergießen und im anderen auf irgendwelche Rechte verweisen, die Zerstörung und Mord an der Zivilbevölkerung rechtfertigen, damit die Linsen, der Zaster, die Mücken und zur Not auch Rubel herüberwachsen von den Strippenziehern, die sich in der Anonymität verschanzen? 

Noch ist, bis auf den offenen, kaltblütigen Mord auf See, nicht viel passiert. Und sollte es dazu kommen, kann es sogar sein, dass ein Flächenbrand entsteht. Denn Südamerika ist nicht mehr der mit Folterfleisch zugehängte Hinterhof der us-amerikanischen Selbstherrlichkeit. Und, neben der lateinamerikanischen Solidarität könnten auch andere Verbündete mit auf den Plan gerufen werden, die sich bis heute dezent zurückhalten. Diese Kontexte, auch das sollte bedacht werden, bleiben den hiesigen bellizistischen Schreihälsen bereits verborgen. Die bemerken ja nicht einmal, wie sie hier, vor der eigenen Haustür, in einen heißen Krieg durch die kleinen Kettenhunde im Osten des eigenen Syndikats getrieben werden. Wer einmal durch die eigene Angst paralysiert ist, wird nie mehr zu einem Kämpfer für das eigene Recht.

Nein, es herrscht Friedhofsruhe, wenn das alte Imperium, so sehr man auch von ihm enttäuscht ist, wieder einmal zum Halali bläst. Die Frage bleibt offen, ob der Sinn für die Realität im Weißen Haus von weißen Koksnasen bereits vom Feld gewiesen wurde, oder ob es wieder einmal nichts als Rasseln ist. Man wir sehen.

Was bereits, wieder einmal, deutlich geworden ist, ist das beredte Schweigen der hiesigen, kriegsgeilen Mischpoke in Bezug auf das Treiben des großen Verbündeten. Auch das wiederholt. Da ist nichts mehr zu erwarten. Internationales Recht? Geschenkt! Die eigenen Werte? Verlogene Phrasen! Solidarität mit den Schwachen? Ein Märchen aus Tausend und einer Nacht!

Das einzige, was sich durch zahlreiche, in kurzer Zeit aufeinander gefolgte Beispiele belegen lässt, ist die Einigkeit darüber, dass das, was sich einmal der Westen nannte, nichts anderes mehr verteidigt als das Recht auf Imperialismus. Eben das zu tun, was er für richtig hält, ohne Rücksicht auf Verluste. Und auch wenn das die durch Dekadenz und Kraftlosigkeit dahinsiechende Gesellschaft nicht einmal mehr wahrnimmt, sondern  die Parolen der Kreuzritter des Banditentums mit heult – der Rest der Welt, der weitaus größer ist als das eigene Vorstellungsvermögen, sieht es genau! Charakter und Zweck. Man mache sich nichts vor. Die Felle schwimmen weg! 

Die Felle schwimmen weg!

Das Recht und die aktuellen Kriege

Es kam, was kommen musste. Der von hier aus als Naher Osten definierte Teil der Welt kommt nicht zur Ruhe. Ganz im Gegenteil, er hat sich zu einem Pulverfass für den Weltfrieden entwickelt. Das große Erbe des British Empire beschäftigt den Planeten nach wie vor. Überall, wo sich dieser Imperialismus getummelt hat, flackern immer wieder Kriege auf. China, Hongkong, Indien, Afghanistan, Pakistan, Syrien, Palästina. Die Liste ist lang und schier unendlich. Gäbe es so etwas wie den von Hegel unterstellten Weltgeist, dann hätte dieser längst interveniert und der menschlichen Gattung ins Buch geschrieben, dass der Imperialismus mehr Menschen und Werte zerstört, als er schafft.

Was den israelischen Angriff auf den Iran anbetrifft, so existieren bestimmte Evidenzen, die die Attacke von ihrer Begründung her in die Nähe der Argumente des ehemaligen amerikanischen Präsidenten George W. Bush beim Angriff auf den Irak leiteten. Die unterstellte Produktion von Massenvernichtungswaffen konnte dort nie nachgewiesen werden und entpuppte sich als Lüge. Und nun, das reklamierte Recht Israels auf Selbstverteidigung in Form eines Angriffskrieges stützt sich auf die These, dass der Iran kurz vor der Fähigkeit zur Herstellung von Atomwaffen stehe. Das wird zum einen seit Jahrzehnten behauptet und wurde vor wenigen Tagen noch von der Chefin aller Geheimdienste der USA als nichtig erklärt.

Aber was interessieren Fakten, wenn man den Krieg will? Einen Angriffskrieg mit dem Recht auf Selbstverteidigung zu begründen, ist in diesen Zeiten schon frivol. Hören wir doch seit drei Jahren, dass der Angriff Russlands auf die Ukraine, dem das gleiche Begründungsschema zugrunde liegt, ein massiver Verstoß gegen das Völkerrecht darstelle. Und nun, über Nacht, mit den Bomben auf Teheran, hat alles einen komplett anderen Charakter?

Was bei der Betrachtung aller Konfliktfälle auffällt, ist die Tatsache, dass man aus der destruktiven Spirale der Gewalt nicht herauskommen wird, solange man mit der moralisch-ethischen Bewertung der Konfliktparteien beginnt. Das ist der Blick von oben genauso wenig gegeben wie die Möglichkeit, die jeweiligen Motive zu beschreiben. Und, das ist die brandgefährliche Zäsur, man bemüht das Recht nur in den Fällen, wo es mit den eigenen Ansprüchen korrespondiert.

Vielleicht noch einmal kurz ein Hinweis zur Besinnung: Das Recht ist die Zusammenfassung von Regeln einer gewissen Entität, die sich darauf verständigt hat, diese als gültig zu akzeptieren, auch wenn die eigene Position in dem einen oder anderen Fall nicht davon profitieren mag. Das kann schmerzlich sein, wird aber dennoch hingenommen, wenn man zu der Ansicht gelangt ist, dass das Ganze eine höhere Wertigkeit als das Besondere genießt.

Indem ein so hohes Gut des Völkerrechts zu einer Dirne des eigenen Interesses herunter gewürdigt wurde und man mit dem Trick eines Taschenspielers, auf eine von wem auch immer ersonnene und wie auch immer geartete Regelbasiertheit verweist, hat man die Entität der Weltgemeinschaft verlassen. Dass mit der Ressource von nicht einmal 10 Prozent der Weltbevölkerung zu tun, zeugt von maßloser Selbstüberschätzung und liefert keine gute Prognose über den Ausgang.

Sieht man sich die aktuelle Entwicklung und deren Beschreibung der geschäftsführenden Ausschüsse der Politik an, dann hilft im Augenblick, aber nur dann, ein tiefer Schluck aus der Pulle der Selbstvergessenheit. Jede Form des Imperialismus endet mit dem eigenen Desaster. Und je besoffener die sind, die am Steuer sitzen, desto schneller sind die goldenen Zeiten vorbei.

Das Recht und die aktuellen Kriege

Feiger Mord und politische Courage?

Wenn ein Menschenleben durch fremde Gewalt vernichtet wird, greifen Politiker, sollte es in das eigene politische Portfolio passen, gerne zu der Formulierung, es handele sich um einen feigen, brutalen und/oder hinterhältigen Mord. Wie gesagt, wenn es passt! Ich habe mich in solchen Situationen immer gefragt, ob es mutige Morde überhaupt geben kann? Lange habe ich diese Frage verneint, bis mir der Tyrannenmord in den Sinn kam. Dieses Gedankenspiel ist sogar im Grundgesetz beschrieben. Ja, darüber kann man streiten. Aber ansonsten? Zumindest kommt niemand auf die Idee, bei einem gewöhnlichen Mord von einer mutigen Tat zu sprechen.

Aber, wie es so ist, vieles hat sich in unseren Sprachgebrauch eingeschlichen, das unsinnig ist und trotzdem gerne benutzt wird. Nähme man das alles ernst,  dann würde vieles anders verlaufen. Und, wenn wir schon dabei sind, von Mut zu sprechen, wie verhält es sich mit einer Bundesregierung, die miterlebt, dass eine wesentliche Ader der kritischen Infrastruktur wie die Nord Stream Pipeline, vernichtet wird, und man alles daran setzt, um die Ursache im Verborgenen zu lassen? Man erinnere sich: der Angriff auf das World Trade Center im Jahr 2001 wurde nicht nur als ein Angriff auf die kritische Infrastruktur der USA angesehen, sondern es führte sogar zur Ausrufung des NATO-Bündnisfalls und zu einem 20 Jahre dauernden Krieg in Afghanistan, der nebenbei, völkerrechtlich nicht legitimiert war. 

Nähme man dieses Handlungsmuster, das, rückblickend betrachtet, an Absurdität nicht zu überbieten ist, und wendete es auf Nord Stream an, dann ist nicht auszudenken, was passieren müsste. Der NATO-Bündnisfall müsste ausgerufen werden, weil tatsächlich ein massiver, verheerender Angriff auf die kritische Infrastruktur stattgefunden hat. Und, vieles spricht dafür, es käme zu einem Bündnisfall innerhalb des Bündnisses. Da tanzt der Teufel natürlich auf dem Tisch und singt mit galliger Stimme zynische Lieder. Was für ein Irrsinn.

In diesem Zusammenhang sollte Vorsicht geboten sein, die Kategorie „Mut“ in diesem Kontext gegenüber der Bundesregierung zu bemühen. Die Verantwortlichen werden wissen, wie prekär die Lage ist, wenn öffentlich wird,  wie innerhalb des eigenen Bündnisses agiert wird.  Dass in diesem Kontext das Gebrüll gegenüber Russland besonders laut ist, muss, dieses Urteil liegt auf der Hand, als eine Übersprungshandlung gewertet werden. Das wissen die Beteiligten. Und deshalb halten sie auch an dem Narrativ fest, das sie täglich, ununterbrochen und bis zum Erbrechen verbreiten. Dass die so geheiligte NATO als verlängerter Arm einer zunehmend aggressiver werdenden USA (sofern eine Steigerung im Hinblick auf die Zeit nach dem II. Weltkrieg überhaupt noch möglich ist) im Wissen um Russlands rote Linien den Krieg mit verursacht haben und seitdem immer weiter eskaliert, gehört ebenso zu den Wahrheiten, die in Bezug auf die Selbstverortung existenziell sind.

Vielleicht ist das Schweigen im Hinblick auf diese Faktenlage sogar so etwas wie eine mutige Aktion. Die Akteure wähnen sich vielleicht sogar als politisch couragiert. Allerdings mit dem Risiko, dass, sollte endlich herauskommen, wer in diesem Spiel welche Rolle spielt und gespielt hat, es zu einer Entladung kommt, die sich niemand vorzustellen vermag. Wenn herauskommt, dass die Bundesrepublik Deutschland nichts anderes ist als ein Protektorat der USA, das als Einsatz im Spiel um die Weltherrschaft auf dem Tisch liegt und das mental komplett auf den Hund gekommen ist? Selbstachtung? Selbstbewusstsein? Mut? Behauptungswille? Das wäre ja alles nicht auszudenken! Wohin würde das führen?