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McCain: Wenn der Senator erzählt…

Senator John McCain. What a man! A real Maverick! Nun ist er mit achtzig Jahren einem Krebsleiden erlegen, was niemandem zu wünschen ist. Der Mann hat in seinem Leben immer wieder für Schlagzeilen gesorgt. Das, worum es ging, war einmal heroisch und einmal unglaublich niederträchtig, einmal schlichtweg vernünftig und das andere Mal entsetzlich dumm. Bei seinem Tod waren sich nahezu alle einig, einen großartigen Menschen und verlässlichen Partner verloren zu haben. Das ist jedoch bereits Mythenbildung. Und in welchem Kontext welche Aussagen gemacht wurden, das verrät mehr über die Autoren als über den Verstorbenen.

Der Mythos selbst, der dafür sorgte, dass John McCain immer wieder vieles verziehen wurde, speiste sich aus seiner Kriegslegende. Er hatte sich freiwillig als Pilot für den Vietnam-Krieg gemeldet, war vom Vietkong abgeschossen und gefangen genommen worden, wurde gefoltert, hatte sich nicht austauschen lassen und kam erst nach 5 Jahren wieder frei. Da war ein Held geboren, der sich dann dafür entschied, in die Politik zu gehen.

McCain war nicht nur Kriegsbefürworter, sondern auch ein Kalter Krieger vor dem Herrn. Nach seiner Logik war die Sowjetunion das Reich des Bösen. So ist es folgerichtig, dass er sich nach deren Ende für eine stetige und konsequente Osterweiterung der NATO einsetzte und bei der Demontage legitimer, aber schwacher und partiell autoritärer Regierungen in Staaten ehemaliger Mitglieder der Sowjetunion kräftig mitmischte. Den Höhepunkt erreichte dieses Engagement 2014, als McCaine als US-Senator auf dem Maidan in Kiew zum Sturz der damaligen Regierung aufrief. Da war der Kalte Krieg wieder reanimiert, und das Momentum von der Souveränität und Integrität von Staaten zugunsten des „guten“ Imperiums geschändet.

2008 trat McCain als Präsidentschaftskandidat der Republikaner gegen Barack Obama an. Dort spielte die Bezeichnung des Mavericks eine wichtige Rolle. Mavericks sind die Pferde, die sich von der Gruppe absetzen, die Führungsqualität haben und die sich durchsetzen. Das große Fiasko, das McCain sich jedoch selbst in dieser Kampagne bereitete, war die Nominierung von der aus Alaska stammenden Sarah Palin als seiner Kandidaten für die Vize-Präsidentschaft. In dieser Person zeigte sich bereits die Verrohung der politischen Klasse in den USA. Palin trat auf wie ein reaktionäres Flintenweib und zitierte das gesamte Programm von Intoleranz, Diskriminierung und Ordnungsfetischismus. Mit Ihr hatte MaCain einen Politikertypen salonfähig gemacht, der ihm in den letzten Jahren in der Person von Donald Trump gar nicht mehr geschmeckt hatte. 

Trump verkörperte für den Konservativen McCaine alles, was ihm aus zivilisatorischer Sicht wie demokratietechnisch zuwider war, mit Sarah Palin hatte er jedoch diesen Prototypus selbst etabliert.

Dass nun, bei seinem Ableben, sich viele auf die tote Person stürzen, um sie für ihre Zwecke zu instrumentalisieren, ist eine normale Angelegenheit. Und dass vor allem aus dem deutschen Lager die Elogen auf McCain vor allem dazu dienen, die Opposition gegen Präsident Trump zu artikulieren, dürfte niemanden verwundern. Wenn jedoch der deutsche Außenminister vor allem von der Verlässlichkeit des ehemaligen Senators McCain spricht und dessen Rolle im Ost-West-Disput in Erinnerung ruft, dann spricht daraus eine tiefe Sehnsucht nach den Zeiten des Kalten Krieges. Insofern hat der Kalte Krieger McCain zumindest in Deutschland die Erkenntnis unterstützt, wie es mental um Teile der Regierungsmannschaft bestellt ist. Nihil nisi bene!

Clausewitz, der Vietkong und die Taliban

Da war sie wieder versammelt, die europäische Nomenklatura. Und sie beging im hohen Gestus der Friedfertigkeit den zweihundertsten Jahrestages eines der größten Gemetzel der Militärgeschichte die Feierlichkeiten zur so genannten Völkerschlacht bei Leipzig. In einem frisch restaurierten Monument, das in seiner Architektur das ganze Elend einer verschwurmelten Geschichtsschreibung manifestiert. In den Hallen eines nahezu unerträglichen Eklektizismus aus Jugendstil, Klassizismus und zu Stein gewordenem Größenwahn wurde des Sieges der vereinigten Armeen von Russland, Preußen, Österreich und Schweden über die auf dem Russlandfeldzug ramponierte ehemals glorreiche napoleonische Armee gedacht. Sechshunderttausend Soldaten hatten an dieser Schlacht teilgenommen, zweiundneunzigtausend Soldaten waren getötet oder verwundet worden. Die Völkerschlacht bei Leipzig läutete das Ende der im Nachklang der französischen Revolution und unter Napoleon gefeierten imperialen Befreiungskriege ein und sie konservierte das System des alten absolutistischen Europas auf Jahrzehnte.

Nichts gegen den feierlichen Gestus, mit dem der Präsident des europäischen Parlamentes anlässlich der Feierlichkeiten auf den Wert des Friedens an sich verwies. Mit dem historischen Ereignis selbst beziehungsweise möglichen verwertbaren Folgerungen hatte das aber nichts zu tun. Wie jede Euphorie eines neuen Zeitalters, so hatte auch die französische Revolution den Anspruch generiert, durch militärische Expansion das Zeitalter der bürgerlichen Freiheiten über seine Grenzen hinaus exportieren zu wollen. Das gelang einige Male, und gerade die historischen Dokumente aus dem Rheinland und Westfalen dokumentieren eindringlich, mit welcher Euphorie die einmarschierenden Truppen zunächst empfangen wurden. Das Blatt wendete sich erst, als bewusst wurde, dass der Akt der militärischen Gewalt nicht nur neue Gesetzbücher mit über die Grenzen brachte, sondern auch Fremdherrschaft, die die Illusion der Selbstherrschaft ersticken sollte.

Carl von Clausewitz, der preußische Offizier, der mit seinem Buch Vom Kriege in die Geschichtsbücher eingehen sollte und der kurioserweise bei der Schlacht bei Leipzig 1813 in russischen Diensten stand, hatte zum ersten Mal in seiner Schrift die Prinzipien der asynchronen Kriegsführung zu Papier gebracht. Ihre Anwendung waren das eigentliche Ende von Napoleons Armee. Die französische Armee befand sich nach der Niederlage in Russland auf einem ungeordneten Rückzug, auf dem sie kalt und unbarmherzig überrascht wurde. Die Verbände des alten Europas versetztem dem Gestus des revolutionären Frankreich einen massiven Schlag und konservierten damit die feudal-monarchistischen Herrschaftsverhältnisse auf dem Kontinent.

Wenn es Lehren gibt aus dem historischen Ereignis, dann sind sie nicht rein militärischer Natur. Clausewitz hatte nicht umsonst geschrieben, dass der Krieg die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln sei. So wohl gemeint der französische Expansionismus zum Teil auch war, er hatte eben auch eindeutig imperiale Züge und trat das Selbstbestimmungsrecht der Völker mit Füßen. Vor allem der II. Weltkrieg ist ein beredtes Dokument für die Schwierigkeit, den Befreiungsgedanken mit der Notwendigkeit militärischer Gewalt zu verbinden. Ebenso deutlich dokumentierten die späteren Kriege in Indochina dieses Dilemma und die nicht abreißenden Kriege im Nahen Osten aktualisieren das Problem nahezu jährlich. Der Impetus der Befreiung lässt sich von außen nur schwer vermitteln, und er wird als Fremdbestimmung erlebt, wenn er auf militärische Weise erzielt werden soll. Die Kriegsführung auch gegen Mächte, die sich auf die Werte der Demokratie berufen, zeitigt nahezu immer einen Widerstand, der asynchron organisiert werden muss, um eine minimale Chance auf Erfolg zu haben. Insofern ist die Adaption der von Clausewitz begründeten asynchronen Kriegsführung durch den Vietkong oder die Taliban nur logisch und folgerichtig, handelte es sich doch in allen Fällen neben allen Freiheits- und Demokratiegedanken auch um militärische Hegemonie. Man kann aus Leipzig lernen, man muss es nur wollen.