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Georgien: Same Old Story

Erfolgreiche Regisseure agieren nicht anders als das Gros der Menschen. Wenn sie einen Hit landen, versuchen sie es noch einmal, und meistens mit einem gleich gearteten Drehbuch und ebensolchen Schauspielern. Das geht eine zeitlang gut, bis der Punkt erreicht ist, an dem das Publikum Machart wie Dramaturgie gleich bei der ersten Szene durchschaut und die Hand zum Mund führt, um das Gähnen zu verbergen.

Als Barack Obama 2008 die Wahlen in den USA gewonnen hatte, machte er seinen Vize Joe Biden zum Sonderbeauftragten für die Ukraine. Dort war ebenso viel zu gewinnen wie zu verlieren. Drehbuch und Geschichte sind seit langem bekannt. Interessant sind die Akteure, die Joe Biden sogleich in die Hauptrollen auf amerikanischer Seite steckte. Zum einen Viktoria Nuland, ihrerseits aus einer Exilfamilie aus dem ehemaligen Bessarabien, dem heutigen Moldawien stammend und andererseits Anthony Blinken, der nicht nur über die strategischen Gefahr der Ostseepipelines von Russland nach Deutschland promoviert hatte, sondern seinerseits aus einer Kiewer Familie stammte, die ebenfalls in die Staaten geflüchtet war. Was das Ensemble gemeinsam in und um die Ukraine veranstaltet hat, ist Geschichte, und was als Ergebnis auf den Rechnungen für die Ukraine und Europa stehen wird, ist jetzt bereits furchtbar. Und kein Ende in Sicht.

Nach einem kleinen Gewitter in Moldawien, wo gerade auch Wahlen waren und man in eine zweite Runde gehen muss, kamen nun Nachrichten aus Georgien, wo auch, nach bewährter Lesart, die westliche Demokratie gegen den russischen Despotismus steht. Was übrigens in beiden Fällen ins Auge sticht, ist, dass es vordergründig um die Mitgliedschaft in der EU geht. Sieht man genauer hin, dann steht in beiden Fällen auch das Junktim im Raum, wenn EU, dann auch NATO. Dass letzteres für Russland der Casus Belli ist, weiß man im fernen Washington und auch in Berlin, und man nimmt es bewusst in Kauf. Nein, man legt es darauf an.

Dass eine Anführerin der georgischen Opposition, Tinatin Bokutschawa (Ausbildung: Smith College, Fletcher School), vor gleich vier Fahnen eine Nachricht an die freie Welt sendete, nämlich die der EU, der NATO, der USA und der Georgiens, kann man als einen Fauxpas einer eifrigen Person ansehen, dass allerdings die gegenwärtige Ministerpräsidentin, Salome Surabischwili, die zum Widerstand aufruft, mit einer ähnlichen Biographie ausgestattet ist wie Nuland und Blinken, ist beim besten Willen kein Zufall. 

Geboren in Paris als Tochter von Adligen Georgiern, die vor der russischen Februarrevolution geflohen waren, studierte sie am renommierten Institut für Politische Wissenschaften in Paris und absolvierte ein Aufbaustudium an der Columbia University in New York City bei Zbigniew Brzezinski. Genau jenem Brzezinski, der mit seinem Werk „The Grand Chessboard“ als der Vater jener amerikanischen Imperialstrategie gilt, wonach es für die us-amerikanische Hegemonie vital ist, einen dauerhaften Keil zwischen Zentraleuropa und Russland zu treiben. Danach war Surabischwili dann französische Diplomatin, u.a. in den USA, bis sie nach Georgien wechselte und dort, unter anderem, von der Partei unterstützt wurde, gegen die sie nun zur Rebellion aufruft.

Die von FAZ, Spiegel, Zeit und SZ bereits seit einiger Zeit nass rasierten und dann kräftig eingecremten „Intellektuellen“ werden bei der Morgenlektüre, bei der auf dem Frühstückstisch als Brombeermarmelade getarnter Kaviar nicht fehlt, die schlaffen Schultern zucken und mit einem „Zufälle gibts!“ den weiteren Tagesverlauf über sich ergehen lassen. Und solange das so ist, wird das alte Regiebuch weiter benutzt. Wozu sich anstrengen, wenn das Publikum gar nichts mehr merkt?

Der saubere Joe Biden und der amerikanische Leuchtturm

Es kommt immer darauf an, was einem wichtig erscheint. So ist es logisch, dass die hiesige Berichterstattung über die Politik in den USA in großen Teilen auf den Prozess gegen Donald Trump wegen versuchter Wahlfälschung einen großen Raum einnimmt. Selbstverständlich es das berichtenswert, denn ein US-Präsident im Amt, der versucht, die Instanz demokratischer Legitimation per se mit unlauteren Mitteln zu beeinflussen – das muss Gegenstand der Vermittlung sein. Wenn allerdings zur gleichen Zeit ebenfalls in den USA bereits Untersuchungsausschüsse existieren, die sich mit den Aktivitäten des heutigen Präsidenten im Amt während seiner Zeit als Vize-Präsident befassen, dann sollte das die eine oder andere Note wert sein. Ist es aber nicht. Grund, und das ist keine Überraschung, ist die Zugehörigkeit vieler in der Bundesrepublik aktiver Journalisten zu von amerikanischen Demokraten (im Sinne der Parteizugehörigkeit) ins Leben gerufenen Think Tanks sind, die zum Ziel haben, die Weltsicht dieser Partei publik zu machen und als die einzig richtige darzustellen. Wenn man so wollte, könnte man die hiesigen Nachrichten als ein Pressebulletin der us-amerikanischen Demokraten bezeichnen.

Es ist schon sehr erstaunlich, dass das Bild des vormaligen Präsidenten Donald Trump als eine einzige Skandalgeschichte gezeichnet und sein Wahlsieg 2016 als das Machwerk russischer Bots erklärt wurde, während die politischen Aktivitäten Joe Bidens durchweg als die eines seriösen Herren erscheinen. Dabei ist die Weste dieses alten Herrn sehr befleckt. 

Gleich nach dem Wahlsieg Obamas im Jahr 2008 wurde dessen Vize-Präsident Joe Biden exklusiv mit dem Projekt Ukraine beauftragt. Dabei scharte dieser Politiker und Politiker um sich, die aufgrund ihrer Herkunft und Familiengeschichte als in der anti-russischen Tradition stehend bezeichnet werden müssen. Antony Blinkens (heutiger Außenminister) Vorfahren stammen aus Kiew/Ukraine und Victoria Nulands (Staatssekretärin) Familie kommt aus dem heutigen Moldawien. Biden selbst hat das Junktim der EU mit der NATO administriert, die Kräfte unterstützt, die den gewählten Präsidenten Janukowitsch absetzen wollten und war maßgeblich an der Aufrüstung der Ukraine nach dem politischen Umsturz beteiligt.

Dass bei solchen Aktivitäten auch Geschäfte gemacht werden können, war einer interessierten Öffentlichkeit bereits früh deutlich geworden, als der durch Drogenskandale bekannte Sohn Joe Bidens, Hunter, einen Aufsichtsratsposten in einem ukrainischen Ölkonzerns erhielt, der ihm ohne Kenntnisse des Geschäftsfeldes monatlich 50.000 US$ garantierte. Und als ein ukrainischer Staatsanwalt im Zusammenhang mit Korruptionsvorwürfen auch gegen Hunter Biden ermittelte, erschien Joe Biden auf der Bildfläche und sorgte dafür, dass der Staatsanwalt aus dem Verkehr gezogen wurde. Er war auf diese Intervention so stolz, dass er vor laufenden Kameras auch noch Witze darüber machte. Und nun ermittelt ein Ausschuss wegen dubioser Geschäfte, die Biden dort selbst gemacht haben soll.

Nichts ist schöner als ein heiles Weltbild. Dass Joe Biden dem nicht entspricht, sollten die moralinsauren Apostel des Journalismus, die die öffentliche Meinung täglich mit ihren Dummheiten kontaminieren, spätestens dann registriert haben, als dieser vor laufenden Kameras das Ende von Nord Stream II im Beisein eines deutschen Kanzlers vorhersagte. Es war nicht die einzige Situation, in der sich der gegenwärtige US-Präsident wie ein gewöhnlicher Pistolero gebärdete. 

Es wäre an der Zeit zu konstatieren, dass Joe Biden in vielerlei Hinsicht ein schillerndes Bild auf die USA wirft. Müsste man sich nicht fragen, wie es um dieses Land bestellt ist, in der zwei Greise mit zweifelhaftem Leumund um die Präsidentschaft buhlen und das ganze Spektrum der Kandidaten ein Bild liefert, das jede Hoffnung fahren lässt? Ist das der Leuchtturm, an dem man sich orientieren soll?