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Vom Kriege

An ihren Taten sollt ihr sie messen! Kaum ein Wort aus der Heiligen Schrift hat bis heute eine derartig überzeugende Wucht. Wahrscheinlich, so könnte man es realistisch formulieren, liegt das daran, dass es dieses Diktum überhaupt dorthin geschafft hat. Wie dem auch sei! Der Satz gilt immer noch, und mehr denn je. Und man sollte ihn sich vor allem in einer Gesellschaft vor Augen führen, die so viel Wert auf Wertschätzung, Transparenz, Emanzipation und politische Korrektheit legt. Eine einzige Personalentscheidung hat dieses Konsortium der Heiligkeit in mächtige Aufregung versetzt, weil eine Domäne gestürmt wurde, die noch mehr als Sanktuarium der Männer gilt als der Fußball. Es handelt sich um das Militär.

Mit der Benennung von Frau Ursula von der Leyen als Bundesverteidigungsministerin wurde nicht nur eine Bastion gestürmt, sondern auch der Lackmustest für die moralische Herrschaft unserer Tage bereitet. Und welch Wunder: Nicht die konservativen, von einem gemütlichen Paternalismus inspirierten Kreise gingen emotional auf die Barrikaden, sondern all jene Kräfte, die sich als die Gralshüter des Fortschritts begreifen und zu verkaufen suchen. Das, was an Kommentaren über die mutige Frau aus diesem Lager kam, kann als das Abgeschmackteste der letzten Jahre beschrieben werden. Von zotigen Witzen über die feminine Stimmlage über ausgefranzte Metaphern wie die Mutter der Kompanie bis hin zu Anzüglichkeiten über den weiblichen Körper in Uniform ließen sich die Fortschrittlichen des Landes aus und entlarvten sich damit allesamt als Hochstapler in Sachen Emanzipation.

Mit ihrer bis jetzt reichenden Biographie hat die neue Ministerin sehr wohl gezeigt, dass sie in der Lage ist, schwierige Organisationen zu managen. Acht Kinder und einen qualifizierten Beruf zu haben ist schon eine kolossale Leistung in unseren Strukturen, die man nicht durch einen dezenten Verweis auf private Vermögensverhältnisse zu schmälern suchen sollte. Und ihr Wirken im Arbeits- und Sozialministerium muss man hinsichtlich der politischen Zielsetzungen nicht vollends unterstützen, aber anerkennen sollte man schon, wie deutlich sie dort ihre Führungsaufgabe wahrgenommen und wie gut sie die Rolle der internen Kommunikation begriffen hat.

Eigenartigerweise hat das alles bei der kritischen Betrachtung der Personalentscheidung keine Rolle gespielt. Und noch eigenartiger ist, dass aus dem Lager der Kritik kein Wurf kam gegen die ersten zugegeben verwegenen programmatischen Aussagen aus dem Munde der Ministerin. Denn bei einer Berufsarmee die Vereinbarkeit von Familie und Beruf an die erste Stelle zu setzen, auf diese Nummer kommen normalerweise nur angetrunkene Offiziere im Casino. Die Ministerin wäre gut beraten gewesen, sich zur Strategie dieser Armee zu äußern oder über die Entwicklung der Waffenarsenale als über Kinderkrippen. Bei der anhaltenden Kritik gegenüber den USA sollte klar sein, dass die militärischen Belastungen der Bundesrepublik nicht nur proportional zur Abnabelung von der einstigen Schutzmacht steigen werden, sondern auch eine eigene strategische Konzeption entwickelt werden muss. Genau darüber sprach die neue Ministerin nicht und gerade dafür bekam sie viel Lob von denen, die sie als Frau schmähten. Fassen wir das als weiteres Testat über den gegenwärtigen Geisteszustand der Republik, denn zu mehr taugt es nicht.

Während die selbst ernannten Wächterinnen und Wächter der öffentlichen Moral demonstrierten, dass sie zur Analyse der globalen Politik weniger taugen als zur Aktivierung verstaubter Vorurteile, sollten wir zumindest die Courage der Hauptperson honorieren, die soeben dabei ist, ohne große Deklamationen mehr für die Frauenemanzipation zu tun als das gesamte feministische Feuilleton.