Es ist kein Widerspruch, einerseits zu prognostizieren, dass die deutsche und europäische Außenpolitik einmal Stoff für viele Tragödien liefern wird, und andererseits trotz allem auch die Anlässe für Komödien zahlreich gegeben sind. Jeder Tag bietet neue Überraschungen, die in diese Kategorie gehören. Heute zum Beispiel prescht der französische Präsident, dem für lange Zeit zumindest in außenpolitischen Belangen ein gewisses Augenmaß hat zugebilligt werden können, mit dem Vorschlag vor, NATO-Soldaten zu schicken, um die Ukraine vor der absehbaren Niederlage zu retten. Schüsse von NATO-Soldaten auf russisches Kampfpersonal hätten die Rote Linie eines offenen Konfliktes dann überschritten. Vielleicht sollten die Berater des französischen Donald Trump ihm doch noch einmal die Biographie Napoleons in die Hand drücken. Oder auch nicht. Was soll’s, wir sind im Rausch. Und zwar dem der Tiefe.
Andererseits, und wesentlich niedlicher, sind solche Geschichten wie der nahezu flächendeckende europäische Protest der Bauern gegen die EU-Agrarpolitik. Letztere waren ja noch vor kurzem hier in Deutschland von unserem kritischen Journalismus als ein von Rechtsextremen unterwandertes Trojanisches Pferd identifiziert worden. Wenn das in Belgien, den Niederlanden, in Spanien und Frankreich sowie in Polen auch der Fall ist, dann stünden wir auf der Schwelle eines neuen, all-europäischen Faschismus.
Analog sind die Geschichten zu werten, die ebenfalls die Gemüter erhitzen. Nawalny, dessen Tod, wie immer auch er geschah, tragisch ist, hat sich durch sein Wirken und seine politischen Aussagen zu allem bekannt, was als nationalistisch und rassistisch zu bewerten ist. Er gilt jedoch, nur weil er sich gegen den russischen Präsidenten Putin gewendet hat, als Kämpfer für die Freiheit und liberale Demokratie. Julian Assange, der als Journalist amerikanische Kriegsverbrechen aufgedeckt hat, wird vom freien Westen, d.h. zunächst Schweden, dann Großbritannien und selbstverständlich den USA verfolgt, seiner Freiheit beraubt und im wahren Sinne des Wortes totgeschwiegen.
Und Onkel Joe Biden, der sich als Demokrat sich auf Seiten der us-amerikanischen Gewerkschaften fühlte, wird nun, laut unseren kritischen Rechercheuren mit einer muslimischen Unterwanderung der Gewerkschaft der amerikanischen Automobilarbeiter konfrontiert, weil die das Vorgehen Israels im Gaza-Streifen anprangern. So schnell kann es gehen. Weder Palästina noch Israel, weder Völkerrecht noch Verhältnismäßigkeit stehen zur politischen Debatte, sondern jeder, der wie in diesem Konflikt eine andere Sicht auf den Konflikt hat, wird nicht nur des Antisemitismus, sondern auch des militanten Islamismus verdächtigt. Der Joe ist jetzt übrigens sauer und weigert sich, mit den Gewerkschaftern noch zu sprechen. Dumm, dass die noch das Wahlrecht beanspruchen dürfen.
Letzteres ist noch so ein Baustein, an dem der immer autokratischer werdende Westen basteln muss. Wer sich einen Überblick verschaffen will, wie die Reste der bürgerlichen Demokratie Schritt für Schritt geschreddert werden sollen, sehe sich die Vorhaben an, die die Bundesinnenministerin in ihrem Tornister herumträgt. Selbstverständlich, so die Funke-Mediengruppe, die Springers und das Redaktionsnetzwerk Deutschland und wie die Kamarilla des Staatsmonopols namens Meinung sich sonst noch nennt, um die Demokratie zu retten. Ja, was denn sonst?
Das Gift der Verschwörung scheint zur Betrübnis der ihrerseits verschworenen Gemeinschaft um sich gegriffen zu haben. Und die Einschätzung eines begnadeten Prognostikers, dessen Name nicht genannt werden soll, scheint sich zu bewahrheiten: erst kommt die Angst und die damit verbundene Lähmung, dann folgt das laute Lachen und zum Schluss kommt die große Explosion. Was dann noch übrig bleibt, vermag allerdings niemand zu sagen.

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