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Frauenfußball: Vom Kapitalismus an den Arsch gefasst!

Fiete, zugegeben ein alter weißer Mann, seit Kindesbeinen zuhause im einstigen Männermetier Fußball, prognostizierte schon früh, vor nahezu 20 Jahren, wohin das führen wird, wenn die Frauen das Spiel mit dem Ball für sich entdecken. Erst, so Fiete, werden sie ausgelacht werden und vieles wird sehr unbeholfen aussehen im Vergleich zu den Künsten der Männer. Aber sie werden weitermachen, immer besser werden und irgendwann füllen sie auch die Stadien und werden Titel holen. Und Fiete hat Recht gehabt. Und dann, so unkte er weiter, dann wird sie der Kapitalismus als Markt entdecken und ihnen genauso an den Arsch fassen wie den Männern. Sie werden für beschissene Produkte werben, sie werden sich die Taschen mit allem möglichen Scheiß vollstopfen, über sie wird berichtet werden, mit wem sie’s treiben, welche Schicksalsschläge sie erleiden und zu welchem gottverdammten Verein sie für wieviel Geld wechseln. Dann wird das Spiel nebensächlich und auf Dauer geht auch diese schöne Sache vor die Hunde.

Ich kenne Fiete schon ewig. Ich habe ihn immer gemocht. Und ich mag diesen alten weißen Knacker immer noch. Denn er hat nie ein Blatt vor den Mund genommen und immer einen untrüglichen Riecher für Entwicklungen gehabt. Und, als er mir damals, vor gut 20 Jahren, diese Geschichte erzählte, musste ich zugegebenermaßen ein bisschen lachen, denn ich hielt Fietes Prognose für übertrieben. Da lag ich daneben, denn genau das, was er damals beschrieb, ist heute zu beobachten. 

Längst haben sich die Frauen im Fußball etabliert, längst kann man sich als alter, eingefleischter Experte des schönen Spiels ihre Künste ansehen und zum Teil sind sie so gut, dass selbst die alten weißen Männer mitfiebern. Längst haben sie Titel geholt und seit langem wird über das Geld geredet. Noch unter dem Titel Equal Pay, aber auch das wird sich ändern. Vieles der bereits gängigen Geschäftsgebaren liegt noch im Schatten, aber irgendwann wird man es überall lesen können, die Gehälter, die Transfersummen und die Prämien.  

Und längst ist die mediale Meute den kickenden Frauen auf den Fersen. Zum Teil wurde der Hunger nach Privatissima und Details vom DFB selbst befördert, indem man Image-Filme drehte. Und schon ist das Boulevard omnipräsent. Als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt, wird während einer WM, dem größten Event dieses Sports, von symbolträchtigen Kapitänsbinden, von einer Gürtelrose der Trainerin, der gleichgeschlechtlichen Ehe einer Spielerin oder der zerrütteten Ehe einer Torgarantin berichtet. Der Fußball, d.h. das Spiel, seine Entwicklung, die Taktik und der sportliche Vergleich mit dem Gegner sind längst in den Hintergrund geraten. Produktwerbung und belangloser Gossip sind auf dem Vormarsch. Wie im Männerfußball, der spätestens seit Transferzahlungen zum Äquivalent eines Airbusses zum Superlativ der Perversionen verkommen ist.

Fiete hatte, wie so oft, Recht: Der Kapitalismus hat dem Frauenfußball längst an den Arsch gefasst!  

Zu kaufen: Der Gestus der Revolte

Die Entwicklungslinie scheint allem vorgezeichnet zu sein. Eine neue Idee taucht auf, oder auch nur eine neue Art und Weise, das Alte in Frage zu stellen. Das Novum löst Unruhe aus, es schockiert, es erhitzt die Gemüter. Von nichts anderem ist mehr die Rede als von dem Neuen. Ablehnung und Zustimmung befinden sich zumeist in einem eindeutigen Verhältnis. Da Menschen grundsätzlich nicht besonders veränderungsliebend sind, ist die Gruppe derer, die das Neue zunächst einmal spontan ablehnen, in der Regel weitaus größer als die der Befürworter. Doch dann kommen die ersten Avancen. Man will mehr über das Neue, seine Akteure und die Hintergründe wissen. Und aus dem Fremden, das gestern nur geschockt hat, wird allmählich etwas Vertrautes, das einen menschlichen, allzumenschlichen Hintergrund bekommt.

Und hinter den schlimmsten Revoluzzern verbergen sich plötzlich Menschen wie Du und Ich. Und tatsächlich, langsam aber sicher fassen auch diejenigen, die das Neue so gar nicht mochten, Vertrauen in das Neue. Da es menschliche Züge bekommen hat, scheint es nicht mehr so gefährlich zu sein. Und nun kommt es auf das Neue selbst an. Wenn es sich selbst auch immer mehr der großen, schweigenden Wand annähert, um die eigenen Gesichtszüge zu zeigen, dann dauert es nicht mehr lange und die Wand verschwindet. Und diejenigen, die das Neue erfunden haben, erwachen in der großen Herde, von der sie sich absetzen wollten. Es ist die Annäherung über das urmenschliche Gefühlt der Gemeinsamkeit.

Es existieren aber noch andere Möglichkeiten, das Neue zu entschrecken. Man nennt es die Verwertungsmethode des Kapitalismus. Der macht es anders. Er macht das Neue, Schreckliche, zu einem Produkt und bringt es auf den Markt. Dort können es all jene kaufen, die schon immer einmal revoltieren wollten, aber aus welchen Gründen auch immer nie dazu kamen. Sie können sich den Gestus der Revolte jetzt in Form einer Ware kaufen und so tun, als gehörten sie zu dem Neuen. Gesellschaftlich wird das traditionell wunderbar toleriert, weil es nichts in Frage stellt. Es ist ein bloßer Gestus. Das hat sich dermaßen eingespielt, dass die eigentliche Rebellion immer seltener wird. Die Angst vor der Vermarktung alleine scheint viele davon abzuhalten, sich auf riskante Missionen der Veränderung zu begeben.

Nun kann man die Verwertungslogik des Kapitalismus beklagen, aber das hilft nicht weiter. Die Liste der vermarkteten Bewegungen ist lang und nahezu komplett. Von Dada bis zum Punk sind die kulturellen Erhebungen der Moderne im Warenhaus gelandet. Und von der sozialen Revolution bis zum Ökologismus hat die Ökonomie sehr profitiert. Das allerdings als Grund für den Abgesang zu nehmen, ist eine Form des Defätismus, die ihrerseits keinen attraktiven Geist versprüht.

Es sollte darüber nachgedacht werden, welche Formen der Vermarktung letztendlich existieren und wo die Verwertungsmaschine ins Stocken gerät. Sicher, die Form kann immer vermarktet werden und selbst die Reproduktion der zerfetzten Klamotten von südamerikanischen Guerilleros lassen sich in Münchner Boutiquen für horrende Preise verkaufen. Das entkräftet aber nicht die Aktion derer, die tatsächlich im Dreck liegen und ihr Leben für etwas Neues riskieren. Der Gestus ist nicht gleichzusetzen mit der Aktion selbst. Wer die Initiative behalten will, kann das auch. Bei aller Verwertungslogik.