Vor vielen Jahren, der Kampf um die Frage der Frauenemanzipation war in vollem Gange, erschien ein kleines Buch. Der Autor hieß Uwe Wesel und war ordentlicher Professor der Rechtswissenschaften an der Freien Universität Berlin. In diesem kleinen Band mit dem Titel „Der Mythos vom Matriarchat“ widmete er sich jedoch nicht der Juristerei, sondern seinem Steckenpferd, der Mythenforschung. Was ihm, aus meiner bescheidenen Sicht, gelang, war das Aufbrechen ideologisch verhärteter Fronten. Auf der einen Seite hatte das alte Patriarchat die angestammte Stellung bezogen und glänzte durch Ignoranz, auf der anderen Seite etablierte sich eine immer ideologischer werdende und zum Teil auf Mythen basierende Frauenbewegung, die sich selbst das Leben immer schwerer machte.
Zu letzterem gehörten Sätze, die besagten, Frauen machten alles besser, produzierten keine Kriege und die Welt im Matriarchat sei schöner gewesen. Warum das so sein sollte und ob es so etwas überhaupt gegeben hatte, das blieb im Dunkeln. Die Literatur, auf die sich die Verfechterinnen des neuen Matriarchats beriefen, war nicht zufällig das Werk von Männern. Unter anderem aus der Feder des armen Ernest Bornemann, der letztendlich an der praktischen Dominanz autoritärer Strukturen verzweifelte und sich das einfach nicht mehr anschauen wollte.
Doch dann tauchte Uwe Wesel auf und sah sich die Literatur zum Matriarchat genauer an. seine Schlüsse waren nachvollziehbar und einfach. Die Zeit, und zwar die des Aischylos im antiken Griechenland, in der in der Literatur am drastischsten die Pein geschildert wurde, unter der die Männer im Matriarchat gelebt hatten, stammt aus einer Zeit, in der das Patriarchat in voller Blüte stand. Es wurde mit den Schreckensbotschaften auf dem vermeintlichen Matriarchat legitimiert. So etwas hat es immer gegeben, aber es macht auch deutlich, wie schnell Emanzipationsbewegungen sich in einem Strudel befinden, der in die entgegengesetzte Richtung weist. Mit der Adaption vom Mythos des Matriarchats war so etwas geschehen.
Wesel selbst war um die ganze Welt gereist und hatte in den Mythen der unterschiedlichen Kulturen gesucht, ein Matriarchat, als exaktes Gegenstück zum Patriarchat, hat er nicht gefunden. Was er lernte, war, dass es sehr unterschiedliche Formen annähernder Gleichberechtigung gab, die etwas zu tun hatten mit der gesellschaftlichen Teilung der Arbeit. Da gab und gibt es matri-lineare wie matri-fokale Gesellschaften, in denen eine sehr ausgeprägte Arbeitsteilung zwischen des Geschlechtern zu beobachten ist. Ein Pendant zur Männerherrschaft wurde nicht gesichtet.
Die Phantasien, die bis heute in Teilen der Frauenbewegung existieren, in denen das Matriarchat eine Rolle spielt oder die Beteuerung, Frauen würden das meiste besser machen als die Männer, muss als ein Frühstadium des Aufbegehrens vermerkt werden. Mit Emanzipation hat das nichts zu tun. Emanzipation kann nur auf der Überzeugung beruhen, dass Frauen eben anders sind und vieles anders gestalten. Ob das besser ist, wird sich herausstellen und ist eigentlich unerheblich. Im Gegensatz zu der These von der Prävalenz der Frauen ist die Bemerkung der ehemaligen finnischen Ministerpräsidentin klug, die vermeldete, die Frauen seien dann am Ziel, wenn sie genauso schlecht agieren könnten wie männliche Amtsträger, ohne dass das ein besonderer Skandal wäre.
Uwe Wesel hatte da noch ein anderes Beispiel. Da waren die Irokesen mit sesshaft produzierenden Frauen und jagenden Männern, beide in ihrer geschlechtlichen Rolle relativ autonom, mit maximal drei Monaten im Jahr, in denen man zusammen war. Diesen Zustand beschrieb er als den, der einer positiven Vision von Emanzipation am nächsten kam.
