In stürmischen Zeiten ist der beste Rat, einen kühlen Kopf zu bewahren. Gestern war so ein Tag, an dem das wichtig war. Zunächst die Wahlen in den USA. Bei ihnen, ihrem Verlauf wie ihrem Ergebnis wurde aus deutscher Sicht eines überdeutlich. Die Expertise derer, die seit Wochen über das bevorstehende Ereignis berichteten, bestand einzig und allein in der Parteinahme für die Demokraten. Das beste Indiz dafür war, dass das vorhergesagte knappe Rennen überhaupt nicht stattfand. Aus Wahlen, an denen kein Bundesbürger teilnimmt, wurde ein emotionales Großereignis nationaler Bedeutung gemacht. Zugegeben: die letzten Regierungen der Bundesrepublik haben alle Entscheidungen getragen, die in Washington getroffen wurden, unabhängig von definierten eigenen Interessen. Insofern mögen sich manche wie in einem amerikanischen Bundesstaat fühlen, ohne dass ihnen bewusst wäre, dass dort mehr Eigenständigkeit herrscht als hinter so mancher Stirn hiesiger Akteuere. Und dass man dort wählen darf, und hier nicht.
Neben der Lehre, dass das schreibende Chor der Monopolpresse und der Öffentlich Rechtlichen Regierungsinstitutionen einmal wieder falsch gepolt war, kommt noch eine Erkenntnis frei Haus dazu: Mit einem Wahlkampf, der exklusiv die woken städtischen Eliten anspricht, sind Wahlen nicht zu gewinnen. Das Gros der Bevölkerung hat mit anderen Problemen zu kämpfen und bedankt sich bei der Stimmabgabe bei der grenzenlosen Arroganz einer zunehmend im Sektierertum befindlichen Blase. Deren Wahrnehmung wurde, auch das ist interessant, hier deutlicher als drüben in den Staaten. Für unsere Sterndeuter war recht schnell klar, dass nun neben dem Faschisten Putin auch noch der Faschist Donald Trump uns das Leben vergällen wird. Wer so unterwegs ist, braucht keine Feinde mehr. Der ist von ihnen bereits umgeben und hat als politisches Programm nur noch die Hysterie zur Verfügung.
Dass aber das Regiebuch der Geschichte immer mal wieder für Überraschungen sorgt, zeigte sich dann im Land der Besserwisser am Abend. Da schmiss ein sichtlich angefressener Kanzler den neoliberalen Stinkbolzen von Finanzminister endgültig aus der Regierung und stellte das parlamentarische Spiel auf Anfang. Dabei muss gesagt werden, dass seine Begründung gut nachvollziehbar war. Damit fällt allerdings auch der Vorhang für die Grünen, die als bellizistische Einpunktstrahler eine Auszeit redlich verdient haben.
Bei all der Aufgeladenheit und Verhetztheit hierzulande sei momentan nicht auf die Perspektive eingegangen, die ein Kanzler Merz bieten würde. Mir fielen, um für ein wenig Entspannung zu sorgen, gleich zwei Dinge dazu ein. Ein von mir sehr geschätzter Freund, der alle Stürme des Lebens gemeistert hat, pflegt in solchen Situationen immer zu sagen: Es wird nicht besser, aber anders. Und konkret zum Schicksal des Friedrich Merz kam mir noch Frank Sinatra mit That´s Life in den Sinn: Flying high in April, shot down in May.
Guter Rat ist teuer, heißt es. Er sei dennoch, in aller Bescheidenheit, gegeben: Bitte nicht mehr auf die verhetzte Kohorte des gegenwärtigen Journalismus hören, kühl die eigenen Interessen zur Vorlage nehmen und mit denen verhandeln, die sich noch nicht im Reich der Hysterie verirrt haben. Und ja, das wird mit den meisten, die sich auf dem gegenwärtigen Tableau bewegen, einfach nicht gehen. Vieles wird sich ändern müssen. Die verhetzte Gesellschaft hat ins Chaos geführt. Aber aus dem Chaos entsteht auch immer wieder eine Ordnung. Tragen wir die Hoffnung am Revers und seien wir rücksichtslos. Wird schon werden!
