Eigentlich ist es gar nicht so schwer, den Dingen auf den Grund zu gehen. Es dreht sich immer um die Frage, welche Ursache vorliegt, um eine bestimmte Reaktion hervorzurufen. Es ist jedoch zu beobachten, dass die Aufmerksamkeit derer, die eine bestimmte Reaktion auf eine bestimmte Ursache verstört, sich auf die Form der Reaktion konzentriert. Das lenkt von der Ursache ab und wird das Phänomen so im Raum stehen lassen, wie es ist. Das Beunruhigende an dieser Geschichte ist ihre gesamtgesellschaftliche Bedeutung. Es geht nämlich um politische Ursachen, die ausgeblendet werden und Formen der Reaktion, um die sich alles dreht. Und das noch Beunruhigendere ist die Tatsache, dass sich dieses Spiel bereits einige Male wiederholt hat.
Letzteres kann mehrere Gründe haben. Einer wäre, dass das gesamte, so genannt etablierte politische Lager so von einer zielführenden Alltagslogik entfernt hat, dass es nicht mehr in der Lage ist, sie anzuwenden. Die Immanenz im politischen System ist so stark, dass ein Denken außerhalb der inneren Logik nicht mehr möglich ist. Oder die politische Welt weiß sehr wohl, um welche tatsächlichen Ursachen es geht, will aber nichts daran ändern und wirft allerlei Nebelkerzen auf die Formen der Reaktion, um vom wahren Kern abzulenken.
Anscheinend, und das sind die mildernden Umstände, hat das tatsächliche Fehlen von harten Formen der Opposition in diesem Land zu einer Begriffsstutzigkeit des politischen Lagers geführt. Längst ist den aufmerksamen Lesern deutlich geworden, dass es hier um die Wahlerfolge der AFD geht und die Reaktion der erschrockenen Politik darauf. Sie verweigert komplett eine Diskussion, die sich um die Ursachen dreht und konzentriert sich exklusiv auf die Form der Reaktion. Die Folge ist eine doppelte Verstörung, weil die AFD als politische Partei nicht zu der Ursache ihrer Wahl führt. Ihre politischen Aussagen und rudimentären programmatischen Sätze beinhalten nichts, aber auch gar nichts, was die Kolonnen von Wählern bis jetzt so fasziniert haben dürfte, dass man diesem Konsortium die Stimme hätte geben mögen. Das Einzige, was diese Partei vermag, ist zu schockieren, und genau deshalb wurde und wird sie gewählt.
Die Ursachen hingegen sind große Koalitionen und aus ihr heraus ein politisches Verhalten, das sich nicht mehr bekümmert um die Bürgerinnen und Bürger, die unter der absolutistisch daher kommenden Politik leiden. Die Ursache ist eine von öffentlich-rechtlichen Medien wie der herrschenden Politik vollzogenen Verhöhnung und Stigmatisierung von Opposition und Kritik, als lebte man bereits in einer Diktatur. Statt sich mit diesen Stimmen auseinanderzusetzen, stattdessen vielleicht auch mal in die Opposition zu gehen, um dem Diskurs mit den Bürgern neuen Schwung zu geben, klebt man an Sesseln und verfolgt eine Politik, die viele nicht mehr wollen. Da sind die außenpolitischen Abenteuer im Osten, da ist der Deal mit der Türkei, da ist die Schere zwischen Arm und Reich, da sind die Schikanen der europäischen Bürokratie, da ist die Zerstörung ganzer Volkswirtschaften wegen einer Ideologie.
Natürlich ist die AFD keine Antwort, aber sie wird weiter gewählt werden, wenn die Politik nicht begreift, dass es um harsche Kritik an ihr selbst geht. Die politische Klasse glaubt, sie könnte unwidersprochen jede Art von Dekadenz dem Volke vor den Latz knallen. Die jetzt im Verkehr befindlichen, geschmacklosen wie irreführenden Erziehungsversuche auf den Zigarettenschachteln, die erklären mehr die Erfolge der AFD, als das politische Lager zu ahnen in der Lage ist. So wie es aussieht, werden sie es auch nicht begreifen.
