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Der Google-Hupf als Referenz für die liberale Demokratie?

Immer, wenn die Sprache auf aus hiesiger Sicht totalitäre Regimes wie China oder Russland kommt, ist das Urteil griffbereit: Dort ist es quasi unmöglich, sich ein unvoreingenommenes Bild vom Rest der Welt zu machen und dort ist es mit Sicherheit nicht möglich, die Qualität der eigenen, landesinneren Politik von verschiedenen Seiten aus zu betrachten. Ob das tatsächlich so kategorisch gesehen werden kann, daran habe ich begründete Zweifel. Dass es dort so „frei“ zugeht wie es hier juristisch festgelegt ist, darüber braucht man nicht lange zu diskutieren. Man müsste allerdings auch ehrlicherweise einräumen, dass diese Freiheit weder in China noch in Russland zugebilligt wird. Es existieren dafür sogar Begründungen, die jedoch nicht Gegenstand der hiesigen Betrachtung sind. Die Frage, die sich bei einer solchen eindeutigen Positionierung stellt, ist die, wie die Realität der Verhältnisse hinter der Bank des Anklägers aussieht? Entspricht sie in umgekehrter Weise den Gegebenheiten, die in der Kritik formuliert werden? Oder existieren gar Analogien, die dazu führen müssten, sich eher um die eigenen Angelegenheiten zu kümmern als ununterbrochen auf andere zu zeigen, die der Qualitätsprüfung wohlgemerkt der eigenen Ansprüche nicht standhalten?

Ein von mir unternommenes kleines Experiment hat etwas Licht auf die Zustände auf Seiten der Anklage geworfen. Angesichts der bevorstehenden Präsidentschaftswahlen in den USA, von denen auch vieles hier in Deutschland und in Europa abhängen wird, habe ich den größten illegalen Expropriateur des Weltwissens, Google, zwei einfache Fragen gestellt. Was spricht für Donald Trump und was spricht für Kamala Harris? Die Dürftigkeit und Parteilichkeit, die dieses zeitgenössische Universallexikon daraufhin ausspie, war atemberaubend. Damit keine Missverständnisse aufkommen: Es handelte sich um die Antwort auf beide Fragen. Natürlich kann man weiter recherchieren und mehr erfahren. Die an den Tag zu legende Intensität der notwendigen Recherche dokumentiert hingegen, zu welcher Trivialität das Interesse an politischen Inhalten bereits degeneriert ist. Doch zur Dokumentation der Einträge:  

Für was steht Donald Trump?

„Sein als Trumpismus charakterisierter Politikstil ist eine Mischung aus Populismus, Konservatismus, Libertarismus, Protektionismus, Wirtschaftsliberalismus, Nationalismus und Isolationismus. Die Präsidentschaft Trumps war von zahlreichen Kontroversen geprägt.“

Für was steht Kamala Harris?

„Bereits in ihrer Zeit in Kalifornien hatte sie sich für Klimagerechtigkeit und den Klimaschutz eingesetzt. Insgesamt gilt ihre Position in Klimafragen dabei als „moderat“. Harris befürwortet das Nuklearabkommen mit dem Iran.“

Bilden Sie sich selbst ein Urteil! Handelt es sich um das Ergebnis eines Diskurses, in dem Meinungsfreiheit und Vielfalt kursieren, in dem Wert auf eine Versachlichung der Inhalte gelegt wird und in dem vor allem den Empfängern dieser Nachricht zugetraut wird,  sich ein eigenes Urteil zu bilden? Und, wenn sich die politischen Inhalte, einmal frei von Parteilichkeit und Polemik, auf das reduzieren lassen, was dort steht, würden sie einem von beiden Kandidaten ihre wertvolle Stimme hinterherwerfen? 

Zu Ihrer Beruhigung: Wenn man nach den wichtigen Persönlichkeiten unseres eigenen politischen Geschehens fragt, kommt auf diese Frage gar nichts. Weder beim Bundeskanzler noch bei seinem auserkorenen Herausforderer.

Das, was Google in dieser Hinsicht produziert, ist das Format einer totalitären Gesellschaft. Da schreiben irgendwelche Quacksalber belanglose Tiraden auf, die ein intellektuell überfordertes Publikum politisch auf Kurs bringen soll. Wenn das die Qualität sein soll, die sich aus der Freiheit der so genannten liberalen Gesellschaften speist, dann haben wir die lange Nacht bereits erreicht. Bei einem Licht, das nicht mehr wärmt und einem Google-Hupf, der nach Essig schmeckt.