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Der Zivilisation nichts mehr zu bieten!

Das Zivilisatorische, welches dem Prinzip einer bürgerlichen Gesellschaft zugrunde liegt, ist zweifellos darin zu sehen, wie mit Widersachern und Minderheiten umgegangen wird. Zumindest in der Theorie. Im Gegensatz zur Herrschaft von Autokraten, Tyrannen oder Oligarchen, die mit Oppositionellen immer wieder gerne kurzen Prozess machten und sie den Fischen vorwarfen, appellierten die Geister der bürgerlichen Demokratie an einen respektvollen Umgang mit gegenteiligen Meinungen und anerkannten ihren Vertretern – unabhängig von ihren Standpunkten in essenziellen Fragen – die gleichen Rechte zu wie denen, die den offiziellen Kurs der Regierung vertreten. 

In Zeiten des Krieges ist vieles anders. Wenn auch nicht grundlegend. Denn dort entfällt das wohlig Feuilletonistische, was so manchen Diskurs untermalt, und es wird Klartext geredet. Und was als erstes verschwindet, wenn man sich schon einmal auf den Pfad der Barbarei begeben hat, ist das Zivilisatorische. Folglich ist jetzt, wo es wieder einmal um nichts geringeres als die Weltherrschaft geht, denn die Gefechte in der Ukraine sind eine museale Stelllvertretershow, die Zeit der Konzilianz vorbei und es wird zum Halali auf all jene geblasen, die nicht dem Narrativ von der armen, überfallenen Ukraine und dem symbolischen Kampf für die liberale Demokratie anhängen. Um vielleicht die Komik in diesen traurigen Zeiten zu bemühen, sei allen geraten, einmal das zu lesen, was vor zwei Jahren noch über die politischen Zustände in der Ukraine geschrieben wurde.  So schnell wird der Saulus zum Paulus.

Wer es sich noch ansehen will, bevor auch hier die Bodenhitze beträchtlich steigen wird, der sollte  sie sich ansehen, die von den staatlich geprüften Demagogen als die Führerinnen und Führer der freien Welt stündlich, rund um die Uhr, zitiert werden, um dem Populus die Welt zu erklären und um klarzustellen, wo der eigentliche Feind steht, auch im eigenen Land. Wenn man sie sich ansieht, wie hasserfüllt sie ihre blutrünstigen Tiraden von sich geben, wie sie daher schwadronieren von Träumern, die die Zeit nicht verstanden haben, von fünften Kolonnen, die im Namen des Erzfeindes hier ihr Unwesen treiben und dass nur eines zählt, nämlich die Vernichtung des Bösen, und zwar mit Waffen. 

Dass sie von Frieden keine Vorstellung haben, gehört zu ihrem personalen Portfolio. Denn wer geschichtslos, naiv und lediglich machtgeil durch das Dasein wabert, der kann nur dann vermeintlich erfolgreich sein, wenn er den Oligarchen, die nach Ressourcen und Macht lechzen und die sich mit dem Verkauf von Mordwerkzeug goldene Nasen verdienen, zu Kreuze kriecht und den tollen Hofhund spielt. 

Dass klassische Lobbyisten auch unter ihnen weilen, sollte nicht verwundern. Und dass eine Partei, die noch vor der Wahl zur Mäßigung in militärischen Konflikten aufrief, nun mit hochgezogenen Lefzen und ausgefahrenem Penis auf den Segen der Apokalypse setzt, sollte nicht verwundern. Etwas anderes bleibt ihnen nicht, denn sie haben hinsichtlich der menschlichen Zivilisation nichts mehr zu bieten. Und sie wittern, selbstverständlich ganz im Interesse ihrer Auftraggeber, dass, selbst wenn es zum heißen Showdown nicht kommt, zumindest der alte Morgenthau Plan auf den Tisch kommt und aus der Bestie Deutschland ein befriedeter biologisch-dynamischer Agrarstaat geformt werden könnte.

Einer der schönsten Momente von Krisen ist die Stunde der Demaskierung. Das ist der Augenblick, in dem sich alles hell und deutlich entfaltet. Genießen wir diese Stunden, egal wie schrecklich die Geschichte ausgehen wird.