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Die Boshaftigkeit der Wahrheit und der eigene Bauchnabel

Nun wollen wir einmal gemein sein an einem solchen Tag. Oder nein. Sprechen wir einfach von der Wahrheit. Nicht ist erregender, wie wir alle wissen. Menschen, die von morgens bis abends ihr eigenes Ich im Zentrum der Betrachtung haben, mögen in friedlichen Zeiten und unter wohlständigen Verhältnissen durchaus durch den Tag kommen. Und vielleicht sogar durch den Großteil ihres Lebens. Irgendwann jedoch stoßen sie auf Phänomene, von denen sie ein falsches Bild hatten und die ihnen den Weg versperren. Dann sind sie ratlos. Und sie werden aggressiv oder depressiv. Je nach Disposition. Es ist nicht einmal jenes Unbekannte, dessen Opfer sie werden. Nein, es ist der eigene Egozentrismus, der sie an Grenzen geführt hat. Wer seinen Blick nicht weitet, wer das Fremde nicht versucht zu beschreiben und zu verstehen, muss irgendwann sehr irritiert sein. Und die Irritation treibt ihn in einen Zustand, der die Regeln des Sozialen hinter sich lässt. Dann ist es entweder die Krankheit an seiner selbst oder die Feindschaft zum Anderen.

Die Teufel und Hexen haben bei der bisherigen Lektüre längst begriffen, dass es nicht nur um verlorene Individuen geht, sondern auch um Entitäten. Wie zum Beispiel ganze Länder und Kontinente. Immer, wenn der Zentrismus alles überstrahlt, ist die Prognose berechtigt, dass der Verlauf der Geschichte auf ein unschönes Ende hinweist. Die neunmalschlauen Geschichtsbücher sind voll davon. Sie erzählen uns eine Geschichte nach der anderen über den Aufstieg, die Blüte und den Niedergang von Imperien, die letztendlich an verschiedenen Malaisen scheiterten. Zum einen waren sie satt und unersättlich zu gleich. Sie vergaßen die Mühen, die den eigenen Aufstieg garantierten. Und sie sahen nicht die Anstrengungen anderer, die noch auf dem Weg nach oben waren. Sie glaubten, ihre Attraktivität wie Macht währten ewig und sie neigten zu dem, was an einer anderen Stelle in den Journalen die strategische Überdehnung genannt wird. Sie mussten irgendwann mehr Mittel aufwenden, um ihre Macht zu erhalten, als die selbst erwirtschaften  konnten. 

Ihre längst erworbene eigene Schwäche und ihre Unkenntnis gegenüber denen, die auf dem Weg nach oben waren, wurde ihnen zum Verhängnis. Erzählte ich hier die Geschichte über Alexander den Großen, das Römische Reich oder das British Empire, dann widerspräche mir niemand. Erboste ich mich aber, dass es auch eine Skizzierung dessen wäre, was die USA und ihre europäischen Verbündeten beträfe, trüge ich sehr schnell das Prädikat eines Verschwörers und dem Irrsinn Verfallenen. In diesem Kontext erlaube ich mir, auf den Umgang untergehender Imperien mit denen hinzuweisen, die ähnliches von sich gegeben haben. Sie landeten in Kerkern oder im Exil. Ihre Stimme durfte nicht gehört werden. Sie war lebensgefährlich für die, die den Niedergang begleiteten, ihn aber nicht wahrhaben wollten und leugneten. Sie bezogen ihren eigenen kritischen Blick nicht auf die selbst zu verantwortenden Zustände, sondern auf die Boshaftigkeit der Konkurrenz und deren subversiven und intriganten Charakter. 

Letzteres ist der Schlüssel zur Aktualität der Zustandsbeschreibung. Nicht die ernst gemeinte Kritik an Zuständen, die die Dinge zum Besseren wenden könnte, hat den Charakter der Subversion, sondern ihre Kriminalisierung. Und da sind wir in sicheren Händen. Wer allerdings nur auf den eigenen Bauchnabel blickt, kommt aus dieser Falle nicht heraus.