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Beben an der Peripherie

Wenn eine Aussage zutrifft, dann ist es die, dass die Entwicklungen im Zentrum des Imperiums zeitversetzt auch an der Peripherie ankommen. Betrachtet man die vor allem in den letzten Jahren wahrzunehmende Tendenz, jegliche Eigenständigkeit bei Entscheidungen aufzugeben und immer auf das Imperium zu verweisen, dann ist es folgerichtig, dass der Zeitraum zwischen einem Beben im Zentrum und den Wellen an der Peripherie sehr klein sein wird.

Es ist wohl der Grund, warum die nackte Angst in der Provinz um sich greift. Mit der Inauguration des neuen Präsidenten, der sowohl in Sprache wie Gestik in das Regiebuch römischer Volkstribunen geschaut hat, kommt ein Politikwechsel daher, der gravierend sein wird. Und er setzt sich, soviel ist bereits erkennbar, deutlich von der ersten, eher vom Stil her als erratisch zu bezeichnenden Amtszeit signifikant ab. Um es deutlich zu sagen: das Imperium ist zurück. Unabhängig von den Aussichten, die damit verbunden sind. In Bezug auf die Symbolik wird sehr schnell aufgeräumt sein. Ob die ökonomischen Pläne erfolgreich sein werden, kann in mancherlei Hinsicht bezweifelt werden. Zu sehr ist die strukturelle Dominanz dahin. Aber das steht auf einem anderen Blatt.

Was allerdings klar und deutlich zutage getreten ist, dass der Paradigmenwechsel vollzogen wurde, der das nationale Interesse in den Mittelpunkt stellt. Das ist vor allem für Länder, deren Eliten sich selbst bereits in einer transnationalen Phase wähnten, mit einem bösen Erwachen verbunden. Denn weder das eigene Imperium, noch Russland, noch China, noch Indien, Brasilien oder Indonesien werden sich von dem transnationalen Gedanken inspirieren lassen. Um es unmissverständlich zu formulieren, der deutsche Weg in der Betrachtung internationaler Beziehungen ist seit gestern zu Ende. Das kann man bedauern, muss es aber nicht. Angesichts der handelnden Personen in den letzten Jahren ist es allerdings ein Akt der Befreiung. Sektenwesen wie Kreuzrittertum ist eines Staates, der sich in der Moderne wähnt, unwürdig. 

Die bestehenden Bündnisse werden mit der Neuorientierung des Imperiums nicht nur einen radikalen Wandel erleben, sondern vielleicht sogar ihren Bestand verlieren. Das hängt von verschiedenen Faktoren ab, die nicht unbedingt zu kalkulieren sind. Im Verhältnis zum eigenen Imperium muss nur eines klar sein: wer sich bedingungslos unterwirft und nicht selbstbewusst eigene Interessen vertritt, wird sang und klanglos untergehen. Charaktere der Stärke verachten die Sklavenmentalität. Die vor allem in den letzten Jahren dokumentierte Unterwürfigkeit möge bereits heute als Warnung gelten: nichts hat sich an der eigenen Lage verbessert. Ganz im Gegenteil. Und das wird sich mit dem neuen Tribun noch steigern. Wer nicht austeilen kann, wird blitzschnell ausgeknockt. 

Das Fiasko, das die Provinz momentan auszeichnet, ist die Tatsache, dass niemand in Sicht ist, der ein neues Selbstbewusstsein, einen beachtlichen Durchsetzungswillen und eine respektable Risikobereitschaft aufwiese. Insofern können wir uns auf eine historische Phase einstellen, in der die Hauptbeschallung aus törichtem Wehklagen besteht. Solange, bis sich Stimmen regen, die des Lamentos überdrüssig sind und die in der Lage sind, eigene Interessen zu identifizieren, zu benennen und durchzusetzen versuchen. Die Zeit der Marionetten im imperialen Puppenspiel ist vorbei. Das ist die gute Nachricht. Obwohl niemand weiß, wie es weitergehen wird. Wait and see!