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Nina Hagen meets BB

Ehrlich gesagt, ich war etwas skeptisch. Nicht, dass ich nicht zu denen gehört hätte, die Nina Hagens musikalische Vergangenheit mit der Band Spliff, eine Weiterentwicklung von Lokomotive Kreuzberg, begeistert aufgenommen hätte. Aber nach so vielen Jahren scheinbarer Ruhe schien es mir gewagt, die stets schrille Nina Hagen auf ein Literaturfestival zu holen. Lesen Hören, wie sich das Mannheimer Festival nennt, macht allerdings seit Jahren den erfolgreichen Versuch, den Link zwischen Literatur und Musik immer wieder herzustellen. Nun gut, Nina Hagen war angekündigt unter dem Titel „Nina Hagen meets BB. Ein Liederabend zur Klampfe“. Also Nina Hagen singt Songs von Bert Brecht. Die Feuerwache war bis auf den letzten Platz besetzt. Und alle, die kamen, sollten einen unvergesslichen Abend erleben.

Nina Hagen kam mit einem kleinen, aber feinen Ensemble, Akustik Bass, E-Gitarre und Flügel. In dem Outfit, indem sie Trends gesetzt hatte, setzte sie sich mit ihrer Akustikgitarre auf einen Stuhl und begann zu erzählen. Von ihrer eigenen Geschichte, vor allem von ihren frühen Tagen mit und im Berliner Ensemble, wo sie das Werk Bertolt Brechts quasi mit der Muttermilch eingesogen hatte. Und aus dem Erzählen heraus entstanden Songs, die mittlerweile zur Weltliteratur gehören. Vom Kanonensong über die Moritat von Meckie Messer, die Seeräuber Jenny, Lieder aus Mutter Courage und den Tagen der Kommune. Und immer, wenn sie anfing, musste sich die Band erst orientieren, was ihr grandios gelang, und es verwunderte nicht, dass vieles als moderner Blues oder Bluesrock herüber kam. Ihre Intonation ist immer noch beeindruckend und ihr Engagement fulminant.

Nina Hagen erzählte die Geschichte vom Kampf gegen Faschismus und Krieg. Ihre Ausgangsbasis waren immer die grandiosen Stücke von Bertold Brecht. Aber sie verwies auch auf die großartigen amerikanischen Künstler, die ihn in der einen oder anderen Weise in ihren Werken zitieren, von Bob Dylan bis zu den Doors. Die Erzählung, vorgetragen mit viel Witz und Herzblut, war eingebettet in die internationale Musikgeschichte, und Verweise selbst auf Goethe und Matthias Claudius “ ´s ist Krieg“ fehlten nicht. Nina Hagen profitierte in ihrer Glaubwürdigkeit von ihrer eigenen Biographie, sie kannte die DDR von innen, erlebte das wieder vereinte Deutschland und lebte einige Jahre in den USA. Ihre Berliner Wurzeln, systemunabhängig, sind ihr dabei geblieben, was sich niederschlägt in einer sehr lebens- und praxisbezogenen Zuspitzung all dessen, was sich Politik nennt.

Der Auftritt, der über zwei Stunden dauerte und bei dem nicht ein Augenblick der Langeweile oder Redundanz aufkam, manifestierte sich in einem Appell, der sich gegen das wachsende Kriegstreiben und das Auseinanderdriften der Gesellschaft in immer Reichere und immer Ärmere richtete. Das Gelungene an der Veranstaltung waren einerseits die künstlerischen Verweise auf ein großes Erbe, das seine Aktualität gerade in diesen Tagen quasi eo ipso unter Beweis stellt und eine politische Botschaft, die dringender denn je geboten zu sein scheint. Können, Raffinesse und Herzblut trafen da aufeinander und machten den Appell zu einem Gesamtkunstwerk. Ein Höhepunkt war dabei der Song „Hosianna Rockefeller“ aus Brechts Stück „Der Brotladen“.

Ja, Nina Hagen war an diesem Abend Literatur. Und zwar große Literatur. Es bewahrheitete sich das Wort, dass Avantgardisten schweigen, wenn sie nichts mehr zu sagen haben. Nina Hagen ist Avantgardistin geblieben. Und sie hatte viel zu sagen!

Innovation auf Basis der Tradition

Jazz Ensemble Baden-Württemberg. The Doors Without Words

Wie oft mündet das Covern von großen Pop- oder Rocktiteln durch Jazz-Ensembles in einer grandiosen Enttäuschung. Zumeist basieren solche Einspielungen auf dem Kalkül, durch eine Form der Verseichtung noch einmal Kasse zu machen. Was dabei herauskommt ist nicht selten die Herausfilterung der Authentizität, die zu Kaufhaus- oder Fahrstuhlmusik führt. Umso mutiger ist es, sich ausgerechnet an die großen Titel der Doors zu machen. Stand diese Band in ihrer Zeit mit dem Frontmann Jim Morrison doch für das épater-le-bourgeois in der Tradition Charles Baudelaires und Arthur Rimbauds, für den Affront gegen den Mainstream und alle Illusionen von einer unbeschwerten, seichten Welt. Vielmehr waren The Doors ein Fanal für den Untergang, die Desillusionierung und die Herrschaft des Bösen. Das Jazz Ensemble Baden-Württemberg, welches sich aus mittlerweile durchaus etablierten, aber noch jungen Jazzmusikern zusammensetzt, hat dieses Wagnis unternommen. Was dabei herauskam hat allen Gefahren getrotzt und kann als ein famoses Beispiel dafür gelten, wie Rockgeschichte durch den Jazz im Forum der Weltmusik neuen Bestand erhält.

Insgesamt acht Musiker, von Thomas Siffling bis Jo Ambros haben insgesamt neun Doors-Titel eingespielt und ihre Essenz zum Tragen gebracht. Der Vorteil, den die Jazz-Improvisation mit sich bringt, ist dabei voll zur Geltung gekommen. Das Melodie-Thema, welches natürlich nicht fehlen darf, um die Kernaussage zu unterstreichen, ist sehr reduktionistisch eingebracht worden, um dem interpretativen Teil mehr Raum zu geben.

Ob es ein grandioses Solo des Baritonsaxophonisten Sebastian Nagler bei Light My Fire ist, das die ganze Willenskraft und Dynamik materialisiert, oder die eher sphärische Interpretation bei Blue Sunday durch das Tenor Peter Lehels, die funkigen Gitarrenriffs Jo Ambros´ bei Break On Through, die Verfremdungen an der Hammond Orgel durch Johannes Bartmes, flankiert durch die unheilvoll klingende Posaune Uli Rosers bei Riders On The Storm, die mysteriöse Melodieführung des Baritons bei The Spy, die immer wieder von Thomas Sifflings Trompete zur Ordnung gerufen wird, die vom ganzen Ensemble eingespielte und von Sopransaxophon gelöste Atmosphärik, es handelt sich immer um ein Spiel zwischen Bekanntem und Ungewissem, was als ein Wesensmerkmal alle Originale ausmacht. Die Essenz der Doors-Titel besteht gerade in dieser Führung zwischen Vertrautem und Unbekanntem, zwischen der euphorisierenden Stimmigkeit des Daseins und seines desaströsen Schattens.

The End, auf dieser CD folgerichtig das letzte Stück, beginnt mit einem kakophonischen Tusch und nähert sich dann der Melodie durch eine Bedachtsamkeit, die nur durch das Thema des existenziellen Endes zu erklären ist. Das ist große Kunst und produziert alles, nur kein Easy Listening. Das Covern der Doors durch ein Jazz Ensemble ist zu einer Reise geworden, die dem Original würdig ist. Wer das im Fahrstuhl hören würde, wünschte sich ein schnelles Ende des Transports. Wer sich einen neuen Kompass zum Verständnis dieser großartigen Musik erschließen möchte, der hat ihn gefunden. In den Nischen sind nicht nur die Werkstätten der Innovation zu finden, sondern auch die Qualitätssicherung großer Tradition. Doors Without Words ist so ein Nischenprodukt, das mit beidem brillieren kann.