Schlagwort-Archive: Tea-Party

Republikanische Fadenkreuze

Selbstverständlich existieren Recht und Gesetz. Auch in der ältesten Demokratie der Neuzeit. In den Vereinigten Staaten von Amerika ist es bis in den Bundesstaat Arizona hinein üblich, nach einer Straftat zu ermitteln, Beweise zu finden, anzuklagen und dann zu verurteilen. Das sind die Vorteile von Rechtsstaaten und in Deutschland sollte man sich mit guten Ratschlägen zurück halten, denn so glorreich ist die Geschichte der Demokratie in unserem Land nicht verlaufen. Der mehrfache Mord an einem Einkaufszentrum in Tucson, Arizona, und die lebensgefährliche Verletzung der demokratischen Abgeordneten Gabrielle Giffords ist anscheinend die Tat eines jungen Mannes, der auf den ersten Blick einen verwirrten Eindruck machte.

Man muss sich dennoch vor Augen führen, was Meinungsmacher im politischen Geschäft zuwege bringen, wenn sie nur radikal genug auf jene wirken, die eben leicht zu verwirren sind. Die Machenschaften der Republikanerin Sarah Palin und ihrer Tea-Party-Bewegung haben durchaus das Potenzial des Straftatbestandes der Volksverhetzung. Seit Monaten ziehen sie in Demagogenmanier gegen Präsident Obama und seine Alliierten zu Felde, diskreditieren die Gesundheitsreform als kommunistisches Machwerk, vergleichen Obama mit Hitler, stellen ihn mit seiner atomaren Abrüstungsstrategie als Komplizen der alten Sowjetunion dar und kontaminieren ihre Auswürfe mit Affronts gegen Minderheiten jedweder Art.

Und die Protagonistin Palin erscheint in den unzähligen Werbespots immer mal wieder mit der Flinte, die sie durchlädt oder sie zeigt Landkarten von Bundesstaaten mit prominenten Demokraten, die sie mit Fadenkreuzen markiert und somit zum Abschuss freigibt. Derartige Manöver haben nichts mehr mit Demokratie zu tun, sie sind darauf angelegt, die inneren Beziehungen eines Landes zu zerrütten und einen Diskurs um den gemeinsamen Weg unmöglich zu machen. Das Attentat auf Gabrielle Giffords und die regelrechte Liquidierung von bisweilen sechs Teilnehmern einer demokratischen Kundgebung kann theoretisch als ein durch einen Kretin verursachtes Unglück gedeutet werden. Aber es sollte Anlass sein, um den rassistischen und demagogischen Stil der republikanischen Opposition zu kritisieren.

Bereits seit einiger Zeit bereitet die hiesige Berichterstattung große Sorge in Bezug auf die Richtung des journalistischen Selbstverständnisses. Einer zu recht kritischen Betrachtung der russischen, weißrussischen oder ungarischen Verhältnisse steht eine scheinheilige, formalistische Position gegenüber, wenn es um die Entgleisungen einer desavouierten Opposition in den USA geht. Eine derartige Passivität kann weder mit Rechtstaatlichkeit noch mit dem Verweis auf das Faktum, dass es sich in den USA um eine Demokratie handele, begründet werden. Gerade das Gegenteil müsste der Fall sein: Der jahrzehntelange Garant für die demokratische Entwicklung in Europa, der sich in einem Selbstfindungsprozess befindet, welcher durch die Auflösung der alten Machtkonstellationen verursacht wurde, läuft Gefahr, seine Werte im Kampf um die Macht allzu leicht preiszugeben und die als Organ der Demokratie geschützte Presse, die unter anderem auch diesen Sachverhalt den USA verdankt, schweigt.