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Die politische Berichterstattung bleibt ein Problem

Internationale Jahrestage mit hohem Symbolwert eignen sich in besonderer Weise, um Vergleiche anzustellen. Wie gehen einzelne Länder damit um und wie wird darüber berichtet? Vor allem die Berichterstattung über den 8. Mai hierzulande ist aufschlussreich. Sie zeigt, dass das Unbehagen über den deutschen Journalismus und die deutsche politische Berichterstattung zu Recht herrscht und dass die Kritik daran zu zahm ist. Der Umgang mit dem Datum hierzulande entsprach teilweise dem, was historische Vorlagen zu leisten vermögen, und teilweise dem, was die aktuelle politische Agenda daraus zu machen suchte. 

Den kapitalen Bock schoss in diesem Kontext der emeritierte Historiker Heinrich August Winkler, der aufgrund seiner Publikationen zur jüngsten deutschen Geschichte eine bestimmte Reputation genießt. Er ward in den Bundestag geladen, um dort in einer Feierstunde über den Krieg und die Schuld der Deutschen zu referieren. Dass er, en passant, dabei die Annexion der Krim durch Russland als eine Zäsur in der europäischen Nachkriegsgeschichte bezeichnete, disqualifizierte ihn als Historiker. Solche sollten wissen, dass Politik auch die Reibung von Mächten ist, die miteinander um Einfluss konkurrieren und es zu jedem dieser Akteure ein Pendant gibt. Aber der Mann ist emeritiert und kann zumindest im Tagesgeschäft mit Studierenden diesen Unsinn nicht mehr platzieren. 

Der Aufreger in der medialen Berichterstattung waren jedoch die Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag der deutschen Kapitulation in Moskau. Die Parade am Roten Platz sei die größte Waffenschau in der Geschichte Russlands gewesen und Putin, ohne Personalisieung auf diesen einen Mann im Falle Russlands wird nicht mehr eine Zeile produziert, Putin sei ziemlich alleine gewesen. Ja, viele westliche Staatsoberhäupter hatten abgesagt, womit sie das Changieren im Weltgefüge beschleunigt haben. Die mächtige Präsenz eines chinesischen Blocks, auch auf der Parade, beendete offiziell den Zwist beider Länder und dokumentierte ein neues, politisches, wirtschaftliches und militärisches Machtbündnis Bündnis. Europa und seine edlen Motive liegen nun auf dem Hof sklerotischer Tea-Party-Hunde. 

Da der russische Präsident Putin eine Rede hielt, in der er weder Großmachtansprüche formulierte noch den Fehler beging, zu enthistorisieren, taugte sie nicht zu Propagandazwecken. Putin hatte die Opfer des Krieges und des Nazismus gewürdigt, darunter seine 27 Millionen Landsleute, aber auch die Opfer in Deutschland selbst und er hatte den Widerstand vieler Deutscher gegen den Nazismus erwähnt. Wovor er warnte, das war eine Welt mit, wie er sich ausdrückte, monopolaren Strukturen und er plädierte für ein internationales Sicherheitssystem, in dem das Prinzip der Gleichberechtigung der Beteiligten gelten müsse. 

Statt diese Vorschläge aufzugreifen und zu einem Thema diplomatischer Optionen zu machen, machte sich vor allem einmal wieder das heute journal vom ZDF über die Moskauer Feierlichkeiten lustig. In einem gewaltigen Menschenzug, in dem alle Bilder von Opfern aus der eigenen Familie mit sich trugen, die in diesem Krieg umgekommen waren, lief auch Präsident Putin mit einem Bild seines Vaters mit. Kommentar Slomka: Man gab sich volkstümlich. Die Moralistenmegäre mal ganz zynisch. Das sind die Standards, die mittlerweile kaum noch jemand wahr nimmt. Was sie wichtiger fand, oder auch ihre Redaktion, das waren die immensen Kosten der Moskauer Parade. Sage und schreibe 7 Milliarden Rubel habe das ganze Propagandafest gekostet. Donnerschlag! Da werden die Amöben im Publikum sicherlich in Ohnmacht gefallen sein. Rechnet man den Betrag allerdings nach Tageskurs in Euro um, so bleiben noch 122 Millionen übrig. Das entspricht so ungefähr der jährlichen Teuerungsrate der Elb-Philharmonie. Selbst für eine Kontinentalmacht, wie die Weltmachtstrategen in Washington stets betonen, eine übersichtliche Summe.  

Escort Service für den Russlandfeldzug?

Sie agieren, als sei es ihr letztes Gefecht. Und, aus der Nähe betrachtet, deutet vieles darauf hin, dass dem auch so ist. Die letzten Jahre sind sehr schwer für sie gewesen, der politische Abwärtstrend hat sie in eine Panik versetzt, die zurückhaltend mit Hysterie beschrieben werden kann. Die amerikanischen Republikaner haben angesichts ihrer historischen Dämmerung bereits das gebildet, was man im militärischen Kontext Todesschwadron nennt. Die so genannte Tea-Party, zu der es sehr gut passt, eine historisch positiv besetzte Tat zu diskreditieren, ist der Abgesang auf die Form der Vereinigten Staaten von Amerika, wie es sie schon in einem Jahrzehnt nicht mehr geben wird. Aber, auch das ist bekannt, im Angesicht des Todes sind die Mächtigen zu blutigen Taten fähig, die vieles, was vorher war, noch an Grausamkeit übertreffen.

In diesen Tagen gewinnt eine solche Aktion an Kontur. Es ist der Versuch, die amerikanische Regierung in einen bewaffneten Konflikt mit Russland zu treiben. Schon die Genese des mittlerweile brennenden Konfliktes trug den Duktus der Tea-Party. Als auf dem Kiewer Maidan die unterschiedlichen Teile der Opposition gegen den damaligen Präsidenten Janukowitsch versammelt waren, da tauchte Senator McCain, der Mann aus Coco Solo, einstiger Herausforderer Obamas und Mitbegründer der Tea-Party, ebendort auf und versprach, dass der Westen die Versammelten nicht alleine lassen werde. Das war nicht nur verwegen und dreist, sondern bereits eine Intervention, die erstmal verdaut werden musste. Noch war ein Präsident im Amt, da taucht ein offizieller Vertreter des amerikanischen Staates auf und verspricht einem Bündel aus Faschisten, Bürgerbewegten und Demokraten eine Intervention zu ihren Gunsten. Das war nicht nur eine Verletzung der ukrainischen Souveränität, sondern auch noch ein politisches Vabanque, weil es offen ließ, wen er eigentlich damit meinte.

Mittlerweile ist klar, dass den amerikanischen Republikanern jeder Bündnispartner recht ist, um eine Phalanx gegen Russland aufzubauen. So verwegen kann allerdings nur eine politische Kraft sein, die nichts mehr zu verlieren hat. Es muss allerdings dazu gesagt werden, so bar jeglicher Rationalität und historischer Erfahrungsauswertung, wie sich die Protagonisten der EU in diesem Krisenprozess verhalten haben, eigneten sie sich ideal als Partner des Untergangs der Republikaner. Denn das Drängen auf einen militärischen Konflikt mit Russland wurde von der EU und vor allem der Regierung in Berlin nahezu kongenial eskortiert. Vielleicht ist das auch die Metapher, die wir uns merken sollten: Escort Service für den dritten Russlandfeldzug.

Die Republikaner in den USA drängen nun mit Macht zum nächsten Schritt der Eskalation, der direkten Lieferung amerikanischer Waffen an die Regierungstruppen in der Ukraine, die seit einiger Zeit einen Krieg im Osten führt, der nichts mit einer Landesverteidigung gegen ausländische Okkupatoren, sondern sehr stark nach einem Vernichtungsfeldzug gegen Bevölkerungsteile aussieht, die den eigenen Plänen im Wege stehen. Amerikanische Waffen würden an der Spirale drehen, denn Russland sieht sich in der Pflicht, den ostukrainischen Russen zur Seite zu stehen.

Der, und auch das spricht für die Verhältnisse in unsrem eigenen Land, als lame duck und Präsident ohne Fortune diffamierte Obama, der, was den Weg aus der Finanzkrise und das wirtschaftliche Wachstum anbetrifft, weitaus erfolgreicher war als dass es die Sparideologen der EU bis dato vermochten, dieser Obama ist momentan derjenige, der sich dem wachsenden Druck gegen die Waffenlieferungen an die Ukraine stellt. Obwohl nicht abzusehen ist, wie lange er das noch vermag, so viel Differenzierung muss erlaubt sein. Und die Feststellung, dass die deutsche Friedensbewegung nicht mehr existent ist. Sie wurde auf dem Balkan geschreddert.

Die Stunde der Patrioten

Die Geschichte, so das geflügelte Wort von Karl Marx, hat die Eigenart zumeist zwei Varianten ein und desselben Ereignisses vorzuführen. Was sich bei der Premiere bereits als Tragödie erweise, habe bei einer späteren, zweiten Inszenierung nur noch das Zeug zur Farce. Marx wäre nicht Marx gewesen, hätte er nicht einen derartig beißenden Zynismus für derartige Beobachtungen parat gehabt. Denn, betrachtet man in dieser Weise beschriebene Ereignisse, so führen sie zumeist eher zu einer Sprachlosigkeit im Angesicht von menschlichem Unvermögen und individueller Niedertracht.

Als am 16. Dezember 1773 als Indianer verkleidete Bürger im Hafen von Boston die besteuerten Teeladungen, die für den Sitz des britischen Kolonialreiches bestimmt waren, dem Brackwasser zum Fraß vorwarfen, setzten sie nicht nur das erste Fanal für die amerikanische Unabhängigkeit, sondern sie definierten bereits den Ansatz für die anti-koloniale Revolte. Das war couragiert und hatte etwas in sich, das mit der nur positivsten Interpretation einer patriotischen Handlung zu tun hatte. Wenn diese Aktion etwas Tragisches hatte, dann war es der symbolische Verweis auf die Indianer, die in dem neuen, unabhängigen Amerika ihre Identität nicht behaupten konnten und als ein Relikt vor der Zeitrechnung der Moderne gewaltsam in das Aus ihrer eigenen Geschichte gedrängt wurden.

Dass ausgerechnet im Jahr 2008 der weißeste, unduldsamste und reaktionärste Flügel der US-amerikanischen Republikaner sich dieses Initials der amerikanischen Demokratiegeschichte bemächtigte, um dem ersten aussichtsreichen Kandidaten auf die Präsidentschaft mit schwarzer Hautfarbe den Kampf anzusagen, war von vorneherein eine Farce. Die historische Bostoner Tea-Party war bereits ein Kampf gegen die blasierte angelsächsische Elite mit ihren Privilegien. Diese nun zu missdeuten und sie gegen einen emanzipativen Trend in den zeitgenössischen USA einzusetzen, zeugt alleine schon von der Nonchalance wie Frivolität der Akteure. Betrachtet man diese genauer, dann wird allerdings klar, worum es geht, nämlich die Re-Installation eines Gesellschaftszustandes, den es schon lange nicht mehr gibt: Die Herrschaft der weißen, protestantischen und ihrer Attitüde nach angelsächsischen Elite, die das libertäre Waffenrecht mit Patriotismus gleichsetzt, staatliche Vorsorge als bolschewistisches Hexenwerk verteufelt und die Mahnung an die Pflichten des Eigentums als Feldzug gegen die Unverbrüchlichkeit der Freiheit zu denunzieren sucht. Verkörpert Sarah Palin noch das Retro-Flintenweib wie in einem John Wayne-Film und Michelle Bachmann die Gebärmaschine aus den guten alten Anglikanerzeiten, so ist der Texaner Ted Cruz bereits die Steigerung der Metapher von Tragödie und Farce. Als Sohn kubanischer Einwanderer und als neue Hoffnung im Beamtenapparat der Bush-Administration entdeckt verkörpert er jene Affiliation der Hinzugekommenen an die Werte der alten Eliten, die nur noch mit den hierarchischen Funktionsweisen und Zuordnungen aus B. Travens Totenschiff zu erklären sind.

Die Schlichtung im US-Haushaltsstreit kurz vor Mitternacht ist keine Rückkehr des Tea-Party-Flügels der Republikaner zur Vernunft, denn da war nie Vernunft, sondern immer nur der Eigensinn. Und es war keine Rückkehr zum Patriotismus, denn der war dort auch nie, sondern er wurde immer mit Nationalismus und Imperialismus verwechselt. Was die Tea Party in den USA momentan aufführt, sind letzte terroristische Akte einer untergehenden Elite, die nicht mehr mehrheitsfähig ist. Das Einlenken eines Teils dieser Partei in letzter Minute weist darauf hin, dass es die Fundamentalisten vielleicht zu weit getrieben haben und die Republikaner vor einer Spaltung stehen. So wie es aussieht, haben die USA wieder einmal zeigen können, was sie unter Patriotismus verstehen, und das hat mehr mit Demokratie und Perspektive zu tun als mit Privilegien und Geschossen.