Wenn nach einem Indiz für die Unglaubwürdigkeit von System und Personal gesucht werden soll, dann liegt dieses jetzt vor. Es ist der unisono vom Bundesinnenminister wie vom Neuen Ver.di-Vorsitzenden gefeierte Tarifabschluss für den Öffentlichen Dienst. Betrachtet man tatsächliche Laufzeit und die zu daraus abzuleitenden realen Erhöhungen für all jene Beschäftigten, die während Corona-Ausbreitung und dem verordneten Lockdown den Laden am laufen gehalten haben, dann kann kalt darauf geantwortet werden, dass die Summen bereits allein durch die Verteuerung der Lebensmittel bereits vertilgt sind. Die Chance, nach dieser tiefsitzenden Erfahrung, die Pflegeberufe aufzuwerten, wurde schlichtweg vertan.
Besonders seit Ausbruch der Krise wurde immer wieder darüber spekuliert, inwieweit eine Systemabhängigkeit von der Fähigkeit vorliegt, diese Krise besser zu managen zu können. Der Blick geht dabei nach China, wo schnell und dirigistisch drastische Maßnahmen ergriffen werden konnten, um die Epidemie eindämmen und bekämpfen zu können. Immer wieder ertönen die Kassandrarufe, das Ende der Demokratie deute sich an, weil das hier alles viel länger dauere schlechte Entscheidungen getroffen würden.
So kann das gesehen werden, muss es aber nicht. Was die chinesische Staatsführung besonders auszeichnet, ist das Denken in ganz anderen Dimensionen, d.h. heißt in besonderem Maße eine strategische Ausrichtung vorliegt und, das hatte man im selbstgefälligen Westen gar nicht vermutet, eine eine große Lernfähigkeit zu beobachten ist. Beides, strategisches Denken wie Lernfähigkeit, sind nicht unbedingt einem bestimmten, historisch konkreten politischen System verpflichtet. Allerdings ist beides in den Demokratien des Westens eher eine Seltenheit.
Vielleicht liegt es nicht am System, sondern ganz einfach am Personal. Die Sozialisation der politischen Klassen im Westen ist nahezu analog, sie studieren dasselbe und sie durchlaufen vor der richtigen Aktivität noch eine Beratungsgesellschaft, und dann sind sie komplett, quasi als Serie X5-A neoliberalistischer Präparierung. Was dabei herauskommt, ist eine gleichförmige, flache Rhetorik und das Herunterbeten neoliberaler Glaubenssätze. Sollte die Rhetorik abweichen, sei empfohlen, sie mit den tatsächlichen Entscheidungen abzugleichen.
Die These, die sich mit dem Vergleich zwischen China und dem Westen ableitet, ist die, dass die Qualität des politischen Personals hierzulande nicht mehr den großen Krisen, mit denen eine multipolare, epidemisch gefährdete und globalisierte Welt daherkommt, mithalten kann. Da reicht es nicht, apologetisch die eigenen Entscheidungen zu verteidigen und jede andere Meinung dem Drecksturm eines digitalisierten Pöbels auszusetzen. Das ist keine demokratische Tugend, sondern eine Bankrotterklärung.
Die These wird durch das Verhalten vor, während und nach den Tarifverhandlungen untermauert. Bei Ausbruch und während der Krise wurden die in den Krisengebieten arbeitenden Menschen über den Klee gelobt, als es um ein einigermaßen Lohn der chronisch unterbezahlten Lohngruppen ging und sich die Betroffenen zu Warnstreiks entschlossen, wurden sie als meuchlerische Erpresser diskreditiert und jetzt werden sie mit irrelevanten Petitessen abgespeist. Gleicht man das mit den Rettungspaketen für verzockte Banken ab oder mit den Subventionen für bestimmte Branchen im Rahmen der Corona-Krise, dann zeigt sich, wohin der Hase weiter läuft.
Das, was viele gehofft hatten, nämlich eine Wende im Denken, erweist sich als Illusion. Es geht so weiter, wie bisher, zumindest mit diesem Personal. Hat irgend jemand eine Stimme gehört, aus der Partei des Bundesgesundheitsministers, aus der Sozialdemokratie, von den Grünen, die sich für bessere Löhne, z.B. in der Pflege, während der Tarifverhandlungen ausgesprochen hätte? Eben!
