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Alles Bio

Seit ungefähr eineinhalb Jahrzehnten dringen jedes Jahr im gleichen Zeitraum Meldungen über Waldbrände in Indonesien in unsere Informationsmedien. Berichtet wird dann immer von Brandrodungen, als handele es sich dabei bereits um etwas Unanständiges, was nicht der Fall ist, weil die zu einer uralten Zivilisationstechnik gehören, die weltweit existiert. Was im Falle Indonesiens empörend ist, sind die Rodungen des Urwaldes, vor allem auf den Inseln Kalimantan (Borneo) und Sumatra. Vor allem Kalimantan gehört zu den neben dem Amazonasgebiet wichtigsten Sauerstofflieferanten des Planeten. Die Brandrodungen, die dort stattfinden, haben das Ziel, die Anbaufläche für Ölpalmen zu vergrößern und den Reichtum des Dschungels gegen eine Monokultur auszutauschen. Letztere bringt Profite, uns zwar beträchtliche. Die planmäßige Entfernung eines globalen Lungenflügels hat viele Helfer und die meisten davon wohnen nicht in Indonesien.

Wo eine Nachfrage ist und ein ein Markt vorhanden, da finden sich in der Regel auch die Produzenten. Die weltweite Nachfrage nach Palmöl, einerseits als End-, aber vor allem als Zwischenprodukt für unzählige Bereiche, vom Dieselbenzin bis zum Lebensmittel, hat dazu geführt, dass die Palmölproduktion vor allem in Indonesien und Malaysia zu den Sektoren des unbegrenzten Wachstums geworden sind. Global Player wie Nestle und Unilever spielen hier eine große Rolle und ihr unstillbarer Durst nach dem Stoff sorgt bereits dafür, dass nun auch auf dem afrikanischen Kontinent der Urwald brennt, allerdings nicht so, dass er es in die Nachrichten Mitteleuropas oder der USA schaffte.

Nun existieren zwei Konzeptionen, wie der Vernichtung existenzieller natürlicher Grundlagen weltweit beizukommen ist. Isoliert führen sie wahrscheinlich zu nichts, im Verbund könnten sie etwas bewirken. Das eine Konzept befasst sich mit der Produzentenseite. In Indonesien existieren zwar Gesetze, die den Erhalt des Urwaldes und das Verbot illegaler Brandrodungen beinhalten, aber es fehlt an einer starken Exekutive, die über die Einhaltung der Gesetze wacht. Korruption ist quasi das Palmöl des schwarzen Deals, mit ihr werden die schlecht ausgebildeten, erbärmlich bezahlten und machtlosen Beamten geschmiert, die es zulassen, wenn die Feuerteufel wieder unterwegs sind. Die des Urwalds beraubten und verarmten Jäger und Landwirte sind die Massenbasis, die auf schlecht, aber immerhin bezahlte Arbeit auf den Plantagen angewiesen sind.

Dort anzusetzen ist eine immer währende und stetige Aufgabe Indonesiens, aber ohne internationale Unterstützung, vor allem beim Aufbau schlagkräftiger staatlicher Institutionen, wird es nicht gehen. Und am Beispiel Indonesien ist sehr gut zu sehen, wohin die Deregulierung und Entstaatlichung der wirtschaftsliberalistischen Doktrin führen kann. Der Markt funktioniert demnach prächtig, auch wenn die Menschen und ihr Land wie auch der gesamte Globus schwerwiegend geschädigt werden.

Das andere Konzept befasst sich mit dem Verhalten von Konsumenten und ihrer Fähigkeit, Märkte durch Nachfrage und Verweigerung mit steuern zu können. Die Schwierigkeit bei Palmöl besteht sicherlich im zweifelsfreien, für die Verbraucher identifizierbaren Nachweis, in welchen Produkten es überall verarbeitet ist. Ein weiteres Problem ist der niedrige Preis für Palmöl, das Alternativprodukte dann nur für den gehobenen, alternativen Mittelstand erschwinglich machte. Das sind ja immer die, die sich moralisch so gut fühlen, weil sie sich Konsumzuschnitte leisten können, die anderen verschlossen sind. Und neben diesen Schwierigkeiten existieren eben noch die unlogischen Akte, die nur Bürokratien, denen das strategische Augenlicht nicht gegeben ist, zustande bringen. So schreibt eine EU-Richtlinie 7 Prozent pflanzliche Öle bei Dieseltreibstoff vor. Wegen des niedrigen Preises ist es dann wohl das Palmöl. Eine ungeheure Menge, die die Brandrodungen antreibt wie der Wind. Alles Bio, oder?

Praktische Konkordanz im Norden Sumatras

In Zeiten der Polarisierung und Barbarisierung beim Umgang mit Konflikten sorgt das Bewusstsein zuweilen für ein wenig Linderung, weil es Bilder aus dem Inneren hervorholt, die abgelagert waren, aber dennoch dadurch nicht weniger Bedeutung hätten. Ein solches Bild taucht in der letzten Zeit immer wieder vor meinem geistigen Auge auf. Es stammt aus der Zeit, als ich als Berater beim indonesischen Staat gearbeitet habe.

Es war kurz nach dem Sturz des Präsidenten Soeharto, der 32 Jahre zuvor durch einen Putsch zur Macht gekommen war. Die alte Ordnung, die sich offiziell immer die neue genannt hatte, war eingestürzt und in das Machtvakuum drangen viele Gruppen. Es war auch zu beobachten, dass vor allem von Saudi Arabien eine Militarisierung des Islam versucht wurde. Viel Geld floss ins Land, und da, wo auch Armut herrscht, besitzt es immer eine große Attraktion. Indonesien selbst ist das bevölkerungsreichste muslimische Land auf dieser Welt, aber es existieren Regionen, in denen andere Religionen dominieren. Auf der kleinen Insel Bali ist es der Hinduismus und im Norden Sumatras halten sich Muslime und Christen die Waage. Da war es kein Zufall, dass genau an diesen Orten immer wieder Versuche unternommen wurden, die Lunte an das Fass zu legen.

Indonesiens Verfassung basiert auf dem Grundsatz Einheit in Vielfalt, was der ungeheuren Diversität des Landes Rechnung trägt. 20.000 Inseln, davon 13.000 bewohnt, ca. 200 Ethnien und Sprachen, alle Weltreligionen und zahlreiche Animismen machen den Charakter des Landes aus. Mein damaliger Arbeitgeber, eine Regierungsinstitution in Jakarta, die nach dem Vorbild der französischen ENA (ecole nationale d´administration) gebildet war, unterstand in Stabsfunktion direkt dem Präsidenten und hatte den Anspruch, die Maximen der Verfassung in der Wirklichkeit vorzuleben. Kein Wunder also, dass sich dort Muslime, Christen und Hindus versammelten, Batak, Javaner, Balinesen, Molukker, Makasser, Chinesen, Menschen aus Papua und waschechte Dayak aus Kalimantan .Es ging bunt zu und das Bild von interkultureller Kompetenz, das sich mir dort vermittelte, überstrahlt alles, was ich seither erlebt habe.

 Eines Morgens, als ich zur Arbeit erschien, merkte ich sogleich, dass irgendetwas geschehen sein musste. Die Flure waren leer und die wenigen Gestalten, die ich traf, waren in großer Hektik. Als ich gerade in die Flucht zu meinem Büro bog, begegnete mir der Personalchef, seinerseits Batak und Christ aus Medan, einer Millionenstadt im Norden Sumatras, der mich gleich am Arm packte und mir bedeutete, ihm zu folgen. Das wird dich interessieren, sagte er mir, wir haben eine Krise. Als wir den Konferenzraum betraten, waren alle leitenden Mitarbeiter versammelt und ein Direktor, der seinerseits Muslim war und auch aus Medan stammte, schilderte die Lage.

 In Medan war zum wiederholten Male eine Kirche in Brand gesteckt worden, in der Stadt brodelte es gewaltig und das Misstrauen zwischen Christen und Muslimen steigerte sich stündlich. Der Referent verwies auf die Bedeutung der Vorgänge auf die Nation insgesamt und die kritische Situation, die daraus erwachsen könne. Schnell entwickelte sich eine Diskussion, die verschiedene Optionen in Betracht zog. Man konnte ordnungspolitisch vorgehen und als Zentralgewalt von Jakarta aus militärisch eingreifen und Truppen dorthin schicken, man könnte appellieren an die Gläubigen auf christlicher wie muslimischer Seite, man konnte an die Verfassung appellieren. Wie immer in diesem wunderbaren Land wurden die wesentlichen Botschaften non-verbal ausgetauscht und zum Schluss ging man mit der Devise auseinander, jeder müsse das tun, wozu er von der Nation, dem Glauben und seinem eigenen Gewissen autorisiert sei.

Das hörte sich für mich sehr abstrakt an und ich glaubte bereits an eine Formel der Hilflosigkeit, bevor ich dann davon in Kenntnis gesetzt wurde, was es letztendlich praktisch bedeutete: In der Folgezeit bewachten in Medan Muslime die christlichen Kirchen und Christen die Moscheen. Die Situation deeskalierte, diejenigen, die Zwietracht befördern wollten, verloren schnell an Boden. Es ist eine jener Geschichten, die wahr ist und durch ihre Einfachheit besticht. Einfach in ihrer Menschlichkeit und einfach in der Wirkung. Und jenseits der Kleinmütigkeit vieler großer Ideologen.