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Selbsteinschätzung: Etappenschwein oder Steuermann?

Natürlich kann man sich darüber aufregen, dass Kretins die Regierungsgeschäfte übernommen haben, dass alle Fragen, die das Leben essenziell betreffen, von den etablierten Medien nicht aufgegriffen werden, dass vieles, was auf der Welt interessant wäre, gar nicht erwähnt wird, dass in den letzten Jahrzehnten auf keinem Sektor signifikante Verbesserungen erreicht und Fortschritte gemacht wurden, nicht in der Bildung, nicht in der Infrastruktur, nicht bei den Wohnverhältnissen, nicht bei der Verteidigung des eigenständigen Denkens. Es existieren tausend Gründe, um sich aufzuregen, um zu schmollen, um wütend zu sein. Aber hilft es? Ist die Frage, die die Deutschen immer so sehr bewegt, nämlich die nach der Schuld, nicht eine müßige? 

Verhältnisse, so wie sie sind, sind immer das Ergebnis vieler Faktoren. Ja, da gibt es immer die Aktiven, und das wird zumeist in der so etablierten Leideform vergessen, da sind auch die Passiven. Die alles haben geschehen lassen, die sich nicht gewehrt haben, die keine Vorschläge gemacht haben, wie es besser sein könnte. Und, auch das sei erwähnt, diejenigen, die sich haben betrügen lassen und die, die nicht gegen den Betrug rebelliert haben.

Gründe für die eigene Passivität gibt es immer, und Gründe für das Böse in der Welt auch. Fest steht, dass wir uns hier, wo wir leben, an einem sehr gefährlichen Ort befinden. Hier wird in einer relativ leichten Übung, die bereits schrecklich genug ist, das eingeübt, was noch kommen wird, wenn es um die Vormachtstellung in der Welt geht. Das Unerquickliche in dieser Frage liegt darin, dass wir mehr oder weniger die Rolle von Statisten spielen. Es ist nicht so, dass wir bei dem Spielchen um die Dominanz in der Welt eine Hauptrolle inne hätten. Wir sind, bleiben wir einmal in der Sprache der Landser, die zur Zeit die Regie führen, ein kleines Etappenschwein, dessen Aufgabe es ist, für den Nachschub an der Front zu sorgen. Und alle, die in einem Anflug von Großmannssucht nun selbstgefällig die Hosenträger schnalzen lassen, Männer wie Frauen, eignen sich allenfalls für die Gaudi-Nummer eines englischen Jahrmarkts aus dem Mittelalter.

Bei allem Amüsement und bei aller Verzweiflung, die aus dieser Vorstellung spricht, sollte nicht vergessen werden, was notwendig ist, um aus dieser Misere herauszukommen. Die eigenen Interessen, nicht die vermeintlichen und übergeordneten, sind dabei immer noch der beste Kompass. Jenseits der irren Kriegsphantasien und dem schicken Geschwafel von allem, was smart ist, geht es um einfache, aber alles ausmachende Aspekte des Lebens. 

Es geht um den Frieden, ohne den alles keinen Sinn macht, es geht um Arbeit, die befriedigt und unabhängig macht, es geht um die Möglichkeit, sich fortzubewegen, es geht um Bildung, es geht um ein gutes Gesundheitswesen, es geht um saubere Luft und Trinkwasser, es geht um das Gefühl, in einer Gemeinschaft zu leben, in der alle etwas beitragen, es geht um den Respekt untereinander und gegenüber anderen. Kurz, es geht um Fakten und Tugenden, die einer Zivilisation zugrunde liegen. Davon, seien wir ehrlich, sind wir weit entfernt. Das, was momentan in der Welt als ein so erstrebenswerter Zustand angepriesen wird, ist eine Schimäre. 

Es liegt an jedem einzelnen Individuum, ob es sich traut, aus dem Kokon der Täuschung und Verlogenheit herauszutreten und sich an dem beteiligt, worauf es ankommt. Wie heißt es noch in Henley’s Invictus?

I ´m the master of my fate,

I ´m the captain of my soul.

Oder, um bei dem bereits bemühten Bild zu bleiben, Etappenschwein oder Steuermann? Das ist hier die Frage.