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Märchenstunde, Killerphrasen

Es ist nicht hinzunehmen. Die Reaktionen in Deutschland, zumindest von offizieller Seite, auf den Putsch sind in der Regel kontaminiert von Ideologie. Von der Kanzlerin über die Ministerriege bis in die Polit-Talkshows wird von einem widerrechtlichen Putsch gegen eine demokratisch legitimierte Regierung gesprochen. Das einzig Richtige an dieser Aussage ist die Widerrechtlichkeit eines Putsches. Alles andere ist falsch. Die gegenwärtige türkische Regierung ist nicht demokratisch legitimiert. Sie hat, als sie die absolute Mehrheit verloren hatte, ihre Mitkonkurrenten kriminalisiert, ist bewaffnet und ohne Rechtsverfahren gegen die Anhänger der Konkurrenz vorgegangen, hat Teile der Bevölkerung massiv eingeschüchtert, sogar mit Bombardements und Luftangriffen, und hat dann noch einmal wählen lassen. Aus diesen Wahlen ging dann die AKP als Siegerin hervor. Das ist nicht demokratisch legitimiert, das ist die Ausübung von Terror in faschistischer Manier. Die gegenteiligen Äußerungen der Bundesregierung sind inakzeptabel.

Und dann werden auch noch die Vertreter dieser staatsterroristischen Bewegung ins Fernsehen eingeladen, wo sie mit einer Chuzpe sondergleichen den Putsch auf den Putsch als demokratische Heldentat glorifizieren können und niemand wirft dieses politische Gesindel aus dem Studio. Wie weit seid ihr gesunken, könnte gefragt werden, aber die Antwort wissen wir leider schon. So tief, dass der Gully schon als hohes Gebäude gelten könnte. Statt sich kritisch mit dieser Henkerstruppe auseinanderzusetzen, kuscht ihr vor deren Propagandisten und billigt diesen Terroristen noch demokratischen Status zu.

Aber Kritik ist dem hiesigen Journalismus, der eine Freiheit genösse, wie es sie in der Türkei schon lange nicht mehr gibt, so fern wie der Wunsch nach Wahrheit. Und genau nach dem Muster, dass wir schon aus anderen Konflikten kennen, wird schnell eine Killerphrase gesucht und gefunden, die jede Aufforderung, die Ereignisse anders zu deuten, desavouiert als das Geschöpf von Wahnsinnigen. War es im Ukraine-Konflikt der Begriff des Putin-Verstehers, der jede Kritik an der offiziellen Politik ersäufen sollte, und ist die Kritik an der Politik der EU diskreditiert worden mit dem Slogan des Europa-Hassers, so ist die demagogisch ersonnene Marketingstrategie gegen andere Erklärungen für die Geschehnisse in der Türkei mit dem Stigma der Verschwörungstheorie belegt. Das Rezept ist durchschaut, es wirkt auch noch, aber es nährt den Widerstand, denn die Menge derer, die sich dermaßen für dumm verkaufen lassen, wird geringer.

Die Regierung, und zu ihr müssen wir zurückkommen, sie scheint ihre Position zur Türkei nicht revidieren zu wollen, sonst hielte sie sich vielleicht darin zurück, dem Staatsterrorismus Erdogans auch noch die demokratische Referenz zu erweisen. Dabei geht es darum, sich einen Plan B für die Flüchtigen aus den Kriegsgebieten des Nahen Ostens und Afghanistans zu überlegen. Die Szenarien, die zukünftige Außenpolitik in der Region betreffen, müssen ohne die Türkei durchgespielt werden. Es ist an der Zeit, dem Herrscher über die Türkei zu zeigen, dass seine Strategie der Nötigung nicht mehr greift.

Aber machen wir das, was Goethe auf dem berühmten Osterspaziergang so vermisst hat, kehren wir aus der fernen Türkei zurück nach Deutschland. Eine Regierung, die sich erpressen lässt, ist nicht mehr wählbar. So, wie sich vor allem die Kanzlerin in der Türkei präsentiert, darf diese Republik nicht beschädigt werden. Das ist ohne Selbstbewusstsein, ohne Courage und ohne Selbstachtung. Das Land braucht aber genau diese Eigenschaften, um durch die Krisenzeiten zu kommen.