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Blockflötenphantasien im öffentlichen Raum

Die Art und Weise, wie sich die Meinungsbildung nach dem Scheitern der so genannten Jamaika-Sondierungen entwickelt hat, ist in hohem Maße interessant. Sie gibt einiges preis über die mentale Befindlichkeit des Landes. Um das ganze Ausmaß der ideologischen Verbrämung zu begreifen, ist es noch einmal wichtig, sich die Fakten vor Augen zu führen:

Am 24. September haben die Bundestagswahlen vor allem eine Botschaft an das Parlament gesandt: Die Wählerinnen und Wähler waren und sind mit der großen Koalition nicht mehr zufrieden gewesen. CDU/CSU sowie SPD hatten zusammen 14 Prozent weniger Stimmen bekommen. Da die SPD an der 20%-Marge angekommen war, was für sie in ihrer eigenen Begrifflichkeit einer Volkspartei eine dramatische Entwicklung bedeutete, zog sie die Konsequenz und erklärte, sie beteilige sich an keiner großen Koalition mehr, obwohl diese noch eine knappe Mehrheit habe, und ginge in die Opposition. Kanzlerin Merkel lud daraufhin sowohl die GRÜNEN als auch die FDP zu den besagten Sondierungen ein, die nach sechswöchigen Verhandlungen durch den Last-Minute-Ausstieg der FDP scheiterten.

Die erste Reaktion in den meinungsbildenden Anstalten war die Kritik an der FDP. Der Tenor dieser Kritik besagte, die FDP entzöge sich der Verantwortung, zuweilen wurde er noch ausgeschmückt mit Andeutungen über die dunklen Spiele des Christian Lindner. Dass diese Partei bei ihrer letzten Regierungsbeteiligung unter einer Kanzlerin Merkel, kongenial begleitet von den Figuren Westerwelle und Niebel, geschreddert wurde und dieses Trauma noch wirken könnte, fand bei dieser Bewertung kaum noch Beachtung.

Dann reichte die Bemerkung der Kanzlerin aus, sie könne sich eine Minderheitsregierung schwer vorstellen, dass die nächste Instanz gesucht wurde, der man die Verantwortung zuschreiben konnte. Das war die SPD. Ihr Beharren auf einer Rolle in der Opposition wurde nun als eine grobe Verletzung der politischen Verantwortung und der staatsbürgerlichen Pflichten kolportiert. Dass ein sozialdemokratischer Bundespräsident dabei in das gleiche Horn stieß, machte die Sache nicht besser, sondern obszöner, dokumentierte er doch damit sein erodiertes Demokratieverständnis. Denn eine Demokratie ohne nennenswerte Opposition ist keine. Dass nach der Blockflötenphantasie nur regiert werden kann, wenn man eine satte Mehrheit im Rücken hat und sich nicht mit den Nörglern im Parlament herumschlagen muss, ist eine Binse.

Dass es hierzulande soweit ist, staatsmonopolistische Mehrheiten im Parlament als Permanentzustand organisieren zu wollen, fällt den Kommunikatoren der öffentlichen Meinung als kritischer Zustand nicht mehr auf. Und dass ein Schäuble, immer noch belastet mit einer unaufgeklärten Parteispenden-Affäre, aber bereits installiert als moralische Instanz über dem Parlament, fabulierte, der Staat durchlebe keine Krise, einzelne Parteien aber schon, zeugte nur von einer Tatsache: Die CDU der Angela Merkel hat den von Nikita Chruschtschow geprägten Ausspruch, „der Staat, das sind wir“ gänzlich für sich verinnerlicht.

In diesem Kontext wirkt es obszön, was sich vor allem die öffentlich-rechtlichen Medien nun leisten. Sie suchen nach Schuldigen, die sie dafür verantwortlich machen, dass sie nicht mehr den Kurs von Frau Merkel unterstützen wollen. Die einfache Frage, ob es vielleicht Wunsch der Bevölkerung ist, dass dieser nicht mehr fortgesetzt wird, stellt man sich dort nicht. Das Naheliegende spielt keine Rolle mehr, dafür wird ganze ideologische Arbeit geleistet. Die Sozialdemokratie ist nun dafür verantwortlich, dass Merkel ihren Kurs der Staatsmonopolisierung nicht mehr fortsetzen kann? Das wäre doch mal etwas.

Sieg des Staatsmonopolismus ohne Ideologie

Nun ist es ein Faktum: Die ursprünglich geplante Übernahme von VW durch den Stuttgarter Autobauer Porsche ist nicht nur gescheitert, sondern hat sich in das Gegenteil verkehrt. Der niedersächsische Staatskonzern VW macht sich daran, die Edelmarke Porsche zu schlucken. Was das für die bestehenden Standorte, Arbeitsplätze und die jeweilige Produktqualität bedeutet, lässt sich noch nicht zuverlässig prognostizieren. Dass mit dem zurück liegenden Machtkampf eine neue Dimension des Staatsmonopolismus eingeläutet wurde, liegt indes auf der Hand.

Ursprünglich hatte der Porsche Manager Wiedekind den Plan, VW aus dem Staatskoloss, der der Konzern seit seiner Gründung durch die Nationalsozialisten immer gewesen war, in ein gewaltiges privatwirtschaftliches Gebilde zu verwandeln, in dem allerdings die Politik keine Rolle mehr spielen sollte. Dass dort keine Osterhasen, sondern ausgewachsene Alphatiere ins Gefecht zogen, war ohnehin klar, mochten sie nun Wiedeking, Porsche oder Piech heißen. Jedenfalls war wohl die Phalanx entscheidend, die Piech zusammen mit dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Wulff und dieser dann mit der Bundeskanzlerin zimmerten. Da ging es dann aber nicht mehr um die Weltmarktchancen von Automobilprodukten, sondern um die schiere Macht.

Besonders der niedersächsische MP Wulff musste darum fürchten, als Vertreter von Lower Saxony zukünftig in der Welt die Hintereingänge benutzen zu müssen, garantierte ihm doch die Stellung als VW-Aufsichtsrat das Hauptportal. Er fand die Kanzlerin als Verbündete, die ihrerseits dem CDU-Querulanten Oettinger für sein latent permanentes Opponieren gegen sie eins abräumen wollte. So wurden Kreditlinien für Porsche durch teils versteckte, teils offene politische Intervention blockiert, was den Stuttgartern bei ihrem riskanten Spiel den Hals brach. Der Einfluss der Politik auf VW blieb so gesichert und wird letztendlich sogar noch erweitert.

Folgt man der inneren Logik privatwirtschaftlichen Handelns, dann hat sich bei dem geschilderten Szenario neben der Familie Piech eine politische Lobby durchgesetzt, die ihrerseits zunehmend auf den staatlichen Einfluss auf den Wirtschaftskomplex setzt. Die Hauptakteurin heißt Merkel, und sie hat seit dem Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 ohne jede Camouflage deutlich gemacht, dass der Staatsinterventionismus ihre ultima ratio darstellt. Die Stützung einer abhängigen und desaströs handelnden Nomenklatura vor allem aus den Landesbanken und der Hypo Real Estate auf Kosten der Steuerzahler bedeutete bereits einen Machtzuwachs, der unter normalen Umständen nur durch einen Staatsstreich zu erzielen gewesen wäre. Die Positionierung VWs gegenüber Porsche ist nur der nächste Schritt.

Im Grunde erleben wir mit der gegenwärtigen Kanzlerin die Modellierung eines staatsmonopolistischen Gebildes, das einher geht mit der zunehmenden Entmündigung der Bürgerschaft mit Regelungen und Verordnungen gegenüber voll geschäftfähigen Bürgerinnen und Bürgern, was in einem Kinderhort zu einem Sturm der Entrüstung führen würde. Im Grunde genommen leben wir schon lange in einer Zone, gegen die jene Zone, aus der die Kanzlerin kommt, ein permissives Idyll war.