Als Ernst August I., seinerseits Brite, 1837 König von Hannover wurde, gehörte es zu seinen ersten Amtshandlungen, das relativ freiheitliche Staatsgrundgesetz außer Kraft zu setzen. Von so etwas wie Grundrechten und Partizipation hielt er nichts, interpretierte er doch Herrschaft als etwas von Gottes Gnaden. Daraufhin wagten es insgesamt sieben Professoren der Universität Göttingen, sich mit einem Protestschreiben gegen diesen Akt zu wenden. Das Schreiben landete zunächst nur in der Universitätsverwaltung und wurde sorglichst unter Verschluss gehalten. Aber irgendwie gab es doch eine Kopie, die von Studenten, die von dem Schreien begeistert waren, handschriftlich kopiert wurde und so zu einer Vervielfältigung von nahezu tausend Exemplaren geführt hatte. Schnell wurde von den Göttinger Sieben gesprochen, die es gewagt hatten, gegen den Willkürakt des neuen Monarchen zu protestieren.
Dieser war so verärgert, dass er die sieben Professoren aus dem universitären Dienst entließ und einige von ihnen sogar des Landes verwies. Letztere wiederum wurden an der hessischen Landesgrenze von jubelnden Studenten empfangen. Ernst August I. begründete seine Handlung naturgemäß nicht, sah sich aber dennoch gezwungen, sich zu äußern. Mit der Bemerkung, Professoren, Huren und Balletttänzerinnen könne man überall kaufen, war der Fall allerdings für ihn erledigt.
Wie es so ist, wenn in Zeiten monolithischer Herrschaft Menschen bereit sind, ein Zeichen zu setzen, obwohl sie wissen, dass sie dafür einen hohen Preis bezahlen müssen, so blieb die Wirkung der Göttinger Sieben nicht aus, für die übrigens ein gewisser Günter Grass eine Skulptur entworfen hat, die heute auf einem zentralen Platz in Göttingen steht, der zur Versammlung wie zur Kontemplation einlädt. Zudem sind sie vor dem niedersächsischen Landtag in Hannover beeindruckend verewigt. Die Zeit war reif für Erneuerung und für die ersten zarten Schritte zu einer bürgerlichen Gesellschaft. Es sollte bis zum magischen wie tragischen Jahr 1848 noch etwas dauern. Doch das Feld für die Einsicht in Verfassung und Grundrechte war bestellt.
Und es war so gut bestellt, dass selbst der in die göttliche Herrschaft verliebte Brite und König von Hannover ein Zugeständnis nach dem anderen machen musste, um seine Herrschaft vorerst zu sichern. Es begann mit der dem im Volksmund so treffend genannten Angsttaler, der 1848 eingeführt wurde und auf dem nicht mehr das V.G.G., sprich von Gottes Gnaden, zu lesen war. Im Zuge des Sturzes von Louis Philippe in Frankreich im selben Jahr, schwappte die Bewegung auch nach Hannover über und eine immer selbstbewusster auftretende Bürgerschaft nötigte dem in die Defensive geratenen Monarchen immer mehr Zugeständnisse ab. Eine Revolution, wie sie wieder einmal in Frankreich zu beobachten war, fand allerdings nicht statt.
Mit den Rechten, so hatten es bereits die Göttinger Sieben begriffen, verhielt und verhält es sich so wie mit der Unschuld. Man kann sie nicht ein bisschen verlieren. Entweder das Volk hat sie, oder es hat sie nicht. So einfach ist das und so unendlich oft belegbar ist diese Erkenntnis, die im Zeitalter der manipulativen Rhetorik und der doppelmoralischen Relativierung immer wieder versucht wird zu verbergen. Und was die Käuflichkeit von bestimmten Berufsgruppen angeht, da hatte Ernst August I. wohl Recht. In jeder Krise beweist es sich erneut. Allerdings wird es letztendlich brenzlig für die Herrschaft, wenn sich gerade aus diesem Lager auch der Protest erhebt. Deshalb treiben es die mentalen Despoten so derb mit Wissenschaft und Künsten, wenn sie sich der Willkür widersetzen.
