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Sprache und Sektierertum

Die deutsche Sprache ist nicht die schwerste. Unabhängig von Chinesisch, könnte man auch Javanisch in die Waagschale werfen. Dort gibt es mehr grammatische Bezüge auf den entsprechenden sozialen Rang der an einem Gespräch Beteiligten, dass man ein Interview über den Status der Betreffenden führen müsste, um die korrekte Form zu finden. Das nur, um den immer mitschwingenden Hauch der Selbstüberschätzung zurückzuweisen. Nein, das Deutsche ist nicht zu unterschätzen. Der Vorteil anspruchsvoller Sprachen ist die Komplexität der Denkstrukturen, die sich dahinter verbergen. Und die ändern sich, beständig. Aber auch wiederum nicht so schnell, wie sich das manche wünschen. Es dauert, bis sich das ins kollektive Bewusstsein eingepflanzt hat, was man als die gesellschaftlich akzeptierte Realität bezeichnen muss.

Nun gibt es, bei der Betrachtung dessen, was sich so im kollektiven Diskurs abspielt, bestimmte Tendenzen, die dokumentieren, wie weit die aktuellen Prozesse fortgeschritten sind. Reale Dominanz zum Beispiel. Das Anschwellen der Anglizismen ist so ein Symptom. Noch wird der Weltmarkt in dieser Sprache kommuniziert, und, wie es historisch immer wieder geschah, färbt das auch ab auf die einzelnen Nationalsprachen. Wer bei dem Begriff der Nationalsprachen bereits einen Schauer verspürt, sollte es gleich lassen, denn dann ist das Terrain der Sprache bereits verlassen. Was die Anglizismen anbetrifft, so mögen die vielen Beispiele, die uns in unserem täglichen Leben begegnen, nur einen Hinweis erdulden: die meisten Übertragungen sind schlicht falsch. Es graust, anhören zu müssen, wenn von Jobs for future die Rede ist, wenn Public Viewing als gemeinsames Erleben von Fußballspielen benutzt oder sonst irgendein Schwachsinn verbraten wird.

Nein, Sprache lässt sich nicht verordnen. Dass das mächtig daneben gehen kann, zeigten die Rückweisungsversuche gegen die Dominanz des Französischen im 18. und 19. Jahrhundert. Da war die Nase plötzlich ein Gesichtserker und bis heute hat sich das Oberlicht gehalten. Wertvoll, mit Verlaub, waren diese Biegungen nicht und letztendlich haben sich die Formen durchgesetzt, die die nötige Gravitation im kollektiven Bewusstsein besaßen. Ob das den Puristen schmeckte oder nicht. Nur eines kann als Lehre verbleiben: Der Versuch bestimmter Gruppen, Sprache durch Verordnungen, Gremien, Gesetze oder demonstrativen Gebrauch zu formen, ist regelmäßig gescheitert.

Wenn die gesellschaftliche Realität nicht mehr eindeutig zu sein scheint, dann tauchen diese Gruppen, die sich historisch ändern, immer wieder auf und versuchen es erneut. In der Bundesrepublik Deutschland, die bis dato die essenziellen Fragen der Deutschen Sprache immer im Dialog mit entsprechenden Instituten im eigenen Land, in der Schweiz und in Österreich versuchte auszutarieren, sind solche Gruppen wieder am Werk. Zum einen ist die Preisvergabe des Wortes des Jahres immer wieder ein Dokument eines ideologischen Präjudizes. Das geschieht, um bestimmte Begriffe, die aus interessengeleiteten Segmenten der Gesellschaft stammen, den Status der Allgemeingültigkeit zu verleihen. Und es geschieht nun, in dem in den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten Gender spezifische Formulierungen benutzt werden, die als politisch korrekt gelten, aber mit dem Sprachgebrauch der Bevölkerung wenig zu tun haben. Eskortiert wird das Ganze nun durch den Duden, ein historisch etabliertes Standardwerk der Deutschen Sprache. 

Das Urteil über diese Versuche wird kein Gremium, keine Partei und kein Institut fällen. Es wird die  gesprochene und geschriebene Sprache sein, die sich durchsetzen wird. Wer weiß, wohin sich die Deutsche Sprache bewegen wird? Sicher scheint nur zu sein, dass das, was nicht der gesellschaftlichen Realität entspricht und synthetisch klingt, keine gute Chancen auf das Überleben hat. Wie die vielen irrwitzigen Verbiegungen aus dem Kalendarium des Politisch-Korrekten. Verändert haben sie nämlich nichts. Irgendwie hat das Ganze etwas von Sektierertum. Aber das ist ein Symptom, das noch viel weiter greift.