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Showtime! No Excuses Accepted!

In einer bemerkenswerten Skalierung ließ Manès Sperber in seinem lesenswerten Roman „Wie eine Träne im Ozean“ eine Romanfigur, einen agnostischen Professor, die Lebensphasen eines Mannes zeichnen. Mit 20, so die Figur, solltest du die Idee deines Lebens gefunden haben, mit 30 die Frau deines Lebens, mit 40 die Wahrheit über dich selbst, mit 50 deinen Hunger nach Erfolg gestillt, mit 60 ein Werk geschaffen haben, das größer ist als du selbst und mit 70 bescheiden sein gegenüber dem kleinsten Bruder und arrogant gegenüber dem Himmel. 

Ich für meinen Teil habe selten etwas Klügeres gefunden und es hat mir große Freude bereitet, die Stufen anhand nicht nur meiner Biographie durchzugehen. Was auch aus meiner Erfahrung unzweifelhaft ist, ist die allererste. Wer nämlich bis zu seinem zwanzigsten Lebensjahr die Idee seines eigenen Lebens nicht gefunden hat, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit von fremden Kräften durch seine Existenz getrieben. Und wenn ich mich zurückversetze in dieses Alter, dann hatte ich eine. Natürlich gibt es aufgrund der biographisch bedingten Lernprozesse immer das eine oder andere zu korrigieren, aber die Grundidee ist da oder eben nicht.

Zumindest was mich betrifft, so ist meine Vorstellung von Menschenwürde, Gleichbehandlung, Gemeinschaft, Leistung, Freiheit und Ordnung sowie Frieden geblieben. Einer der klügeren unserer Bundeskanzler, der selbst Exil und Illegalität am eigenen Leib erlebt hatte, sagte einmal, dass nichts von selbst kommt und nichts von Bestand sei. Das trifft heute mehr zu, als ich es mir im Laufe meines Lebens hätte vorstellen können. Nie waren meine Ideale so nah, dass ich gedacht hätte, sie seien Realität. Immer gab es Widerstand derer, die das Zepter in der Hand hielten. Aber immer auch wurden ihnen Zugeständnisse abgetrotzt, die das Leben erleichterten. Und lange Zeit schien es Konsens zu sein, dass es so etwas gäbe wie ein Parallelogramm der Kräfte. Auch wenn es nie stimmte, aber die Illusion hielt vieles zusammen.

Diese Form der Gewissheit ist in den letzten wenigen Jahren zerbrochen und jetzt, wo mich die Skalierung aus des Ozeans Träne so langsam gemahnt, bescheiden gegenüber den kleinsten Brüdern und arrogant gegenüber dem Himmel zu sein, trampelt eine konzertierte Aktion von Barbaren auf der Idee meines Lebens herum und negiert alles, worauf meine Existenz zustrebte.

Da stellen sich keine Fragen mehr. Denn wenn Zwerge, die in der tief stehenden Wintersonne die trügerischen langen Schatten werfen, meinen, sie könnten dich in diesem Stadium deiner Existenz zum Narren halten und dich existenziell vernichten, dann haben sie sich gehörig verkalkuliert. Wenn der Respekt gegenüber den kleinsten Brüdern von Anfang an da war und die Bereitschaft, sich mit den in das Ornat der Macht eingewickelten Hochstaplern anzulegen, dann gibt es keinen günstigeren Zeitpunkt als jetzt. Und wer sich hat von den Schimären, hinter denen sich immer die Angst verbarg, einschüchtern lassen, dem ist nicht zu helfen. In keiner Phase des Lebens. Wer keine Nehmerqualitäten hat, der mag verzweifeln und bei den Schauermärchen, die ihm von dilettantischen Erzählern dargeboten werden, ihnen mit voller Hose und abgekauten Fingernägeln lauschen. Für alle, die die Idee ihres Lebens nicht verraten haben, ist jetzt Showtime! No Excuses Accepted!

Showtime! No Excuses Accepted!