Schlagwort-Archive: Sanktionskrieg

Afghanistan et al.: Die trügerische Fackel der Freiheit

In ihrer Antrittsrede versprach die neue Verteidigungsministerin, dass eine ihrer ersten Prioritäten die Evaluierung des Afghanistan-Einsatzes sei. Einmal abgesehen davon, dass die Wortwahl auch aus dem Kreml stammen könnte, wenn von Einsatz statt Krieg gesprochen wird, muss man Milde walten lassen. Denn der Krieg in der Ukraine, und zwar der heiße, nicht der seit acht Jahren schwelende, fordert hohe Aufmerksamkeit. Nichts, aber auch gar nichts von dem, was sich die neue Regierung vorgenommen hatte, konnte bis jetzt in Angriff genommen werden. Ganz im Gegenteil: Angesichts der militärischen Konfrontation zwischen Russland und einem mit dem westlichen Bündnis befreundeten Regime wurde vieles zur direkten Umkehr gebracht. Von Frieden redet niemand mehr, die Maßnahmen gegen den Klimawandel sind durch den Einsatz von immer mehr Waffen der Lächerlichkeit preisgegeben und die Auswirkungen des Sanktionskrieges werden das untere Fünftel der eigenen Gesellschaft endgültig in eine Armenkolonie verwandeln. Dass diese Wende zum Abgrund nicht einmal von den handelnden Akteuren beklagt wird, zeigt, wie deplatziert sie sind.

Doch zurück zu Afghanistan. Das Land wurde vor mehr als zwanzig Jahren von einer selbst ernannten Allianz gegen das Böse angegriffen, weil die Geheimen Dienste der USA dort Schlupflöcher derer vermuteten, die für die Anschläge auf das World Trade Center in New York im September 2001 verantwortlich waren. Und es begann mit dem Abwurf von Mega-Bomben, die ganze Landstriche erzittern ließen. Es folgten 20 Jahre der militärischen Präsenz, die unter anderem, um auf die Bundesrepublik zurückzukommen, auch dort gegen das Böse kämpfte und es mit der Verteidigung der Demokratie begründete. Osama Bin Laden, den Kopf von El Kaida, fand man in Afghanistan nicht, sondern der pakistanische Geheimdienst entdeckte ihn im eigenen Land, und gab ihn den USA dann zum Abschuss freigab. 

Und als die USA nach 20 Jahren in Afghanistan die Kriegszelte abbrachen und die Bundesrepublik folgte, implodierte die fragile Ordnung, die die Invasoren hinterließen, in wenigen Tagen. Das hielt diese trotz des Desasters nicht davon ab, den 20jährigen Krieg schönzureden, obwohl man sich nicht einmal um die eigenen Kollaborateure kümmerte, denen das Schicksal aller Kollaborateure gewiss ist. Was grausam genug ist, wenn der schnelle Tod als ein Segen erscheint.

Was, jenseits der hiesigen medialen Aufmerksamkeit, seinerseits wieder einmal eine Dokumentation von deren Zustand, die US-Regierung nach der eigenen Niederlage veranlasst hat, ist ein erneuter Beweis für das nur noch in Phrasen existierende Bekenntnis zu Demokratie und Menschlichkeit. Erstens wurde Afghanistan aus dem internationalen Zahlungssystem Swift ausgeschlossen und ist damit nicht in der Lage, benötigte Güter zu importieren. Und zweitens wurden die Guthaben des Landes im Handstreich von den USA konfisziert und an  die Opfer der Anschläge von 9/11 im eigenen Land verteilt und damit das ganze Land in Kollektivhaft genommen. Die vor allem von NGOs und bestimmten Institutionen der Vereinten Nationen berichtete Hungersnot im Land und die dramatische Unterversorgung des Gesundheitssystems sind in starkem Maße dieser Politik zu verdanken. 

Und Afghanistan ist kein Einzelfall, sondern es gehört zum System, die Bevölkerung bitter leiden zu lassen, und darauf zu hoffen, dass sich daraus ein Aufstand gegen die jeweiligen Regierungen ergibt. Dass die Rechnung nicht aufgeht, kann man seit über 40 Jahren am Beispiel des Irans sehr gut illustrieren. Und dass sie in Russland nicht aufgehen wird, steht jetzt schon fest. Nur Scharlatane können glauben, dass in den Augen der hungernden Gesichter noch ein Glauben an die trügerische Fackel der Freiheit leuchtet.