Inmitten eines groß angelegten und seit Jahren geführten Sanktions- und Wirtschaftskrieges haben sich die Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika und der Volksrepublik China gestern in San Francisco getroffen. Direkte Treffen sind immer gut, vor allem, wenn sie von dem Willen getragen werden, eine weitere Verschlechterung der Verhältnisse zu verhindern. Interessant wie signifikant war es, dass man sich nicht direkt in San Francisco, sondern im nahe gelegenen Woodside traf, damit Präsident Xi die Bilder aus San Francisco erspart blieben. Es gab Berichte, dass man dennoch die Straßen San Franciscos von den zahlreichen Obdachlosen gesäubert habe. Die viel besungene und romantisierte Stadt gehört mittlerweile zu den krassesten Beispielen einer nunmehr mehr als dreißigjährigen Phase des Endes der Geschichte: Ungeheure Reichtümer auf der einen Seite und Massenverelendung auf der anderen. Ein denkbar ungünstiger Ort, wenn man mit Begriffen wie Systemkonkurrenz zu operieren gedenkt. Aber symbolträchtig, weil dort die chinesischen Arbeitskräfte anlandeten, um am Bau der amerikanischen Infrastruktur mitzuwirken und dort ihre kulturellen Spuren zu hinterlassen.
Das Treffen selbst hatte, bis auf die Wiedereröffnung militärischer Kommunikationskanäle, deren Schließung als unverantwortlich bezeichnet werden muss, einige Themen auf der Agenda, die einen hohen Stellenwert in der globalen Politik generell genießen sollten. Dazu gehörte die Bekämpfung der Herstellung und Verbreitung synthetischer Drogen, die sich auch auf die Sicherheit auswirken könnende Gefährdung durch Konstrukte und Missbrauch Künstlicher Intelligenz wie die Bekämpfung der Klimakrise. Bei allen Punkten sei die Anmerkung erlaubt, dass das praktische Handeln beider Gesprächspartner durchaus auch als Ursache der beschriebenen Gefahren gesehen werden muss.
Was folgte, waren Statements des amerikanischen Präsidenten hinsichtlich der Ukraine und der Freiheit und Souveränität der amerikanischen Verbündeten im Indopazifik, wobei die Frage erlaubt sein muss, inwieweit die amerikanische Präsenz auf allen Weltmeeren mit dem lokalen Begriff nationaler Souveränität zu vereinen ist. Im offiziellen Bulletin des Weißen Hauses bilden die Statements des amerikanischen Präsidenten zur Weltlage den Schlusspunkt des Berichtes über das Treffen mit dem chinesischen Staatspräsidenten.
Dass in einem amerikanisch-präsidialen Bulletin die Auffassungen des Präsidenten im Vordergrund stehen, versteht sich von selbst. Dass allerdings in keinem Satz erwähnt wird, welche Positionen der chinesische Präsident zu den angesprochenen Problemen einnimmt, muss als ein Testat über den Zustand der eigenen Introspektion begriffen werden. Die Wahrnehmung der Außenwelt im Sinne einer unvoreingenommenen Registrierung gehört nicht zum Besteck westlicher Politik in diesen Tagen.
Es ist hingegen anzunehmen, dass alles, was momentan an amerikanischer Außenpolitik aufgeführt wird, in Zusammenhang mit den im nächsten Jahr bevorstehenden Präsidentschaftswahlen zu sehen ist. Das beginnt mit der Konzentration von Flugzeugträgern im Mittelmeer, geht über die Mahnungen an Israel, die humanitären Verheerungen in Gaza so gering wie möglich zu halten und endet mit der zur Schau gestellten Erkaltung bei der Unterstützung der Ukraine im Krieg mit Russland: Die Erklärungen finden sich in den Veröffentlichungen der amerikanischen Meinungsforschungsinstitute. Entscheidend ist, und da mache sich niemand etwas vor, der dem ewigen Glauben anhängt, in der Politik entschieden die Werte, welche numerisch größere Gruppe von potenziellen Wählern sich zu welchem der Weltprobleme wie verhält. Der im Westen als der gute Joe gehandelte Präsident ist, wenn es um die Frage der nächsten Wahlen geht, eine eiskalte Rechenmaschine.
