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Manchmal ist das Exil auch ein Glück!

Nachrichten aus Germanistan, 29. September 2024

Liebe Freunde da draußen! Da mittlerweile auch Zitate unserer größten Verfechter für einen militärischen Sieg gegen Russland euch in euerer neuen Heimat in den Tageszeitungen erreichen, schreibt ihr mir entsetzt zurück und fragt, ob das alles stimmen kann. Dass Abgeordnete aus den ehemaligen großen Volksparteien es tatsächlich fertig brächten, die deutsche Geschichte dermaßen zu leugnen? Am meisten überraschte mich die Frage, warum das Schuldeingeständnis gegenüber den Juden in einer Carte Blanche gegenüber Israel geendet habe und der Angriffskrieg gegen Russland mit 27 Millionen Toten aus allen Geschichtsbüchern verschwunden sei?  

Ich muss euch ehrlich antworten. Ich kann vieles auch nicht mehr erklären. Mich überwältigt täglich das Gefühl, dass hier niemand aus der Geschichte gelernt hat. Ich habe mir bereits vor langer Zeit die Frage gestellt, ob die Sicherheit Russlands nicht auch zur deutschen Staatsräson gehören müsste. Wie von allen guten Geistern verlassen muss man eigentlich sein, die völlig faktenbefreiten Geschichten zu glauben, in Russland hätte man in stoischer Ruhe die Expansion der NATO an allen Grenzen hinnehmen können? Aber lassen wir das! Ich will nichts mehr aus welchem hirnrissigen Motiv auch immer zu erklären versuchen.

Wenn ihr es euch antun wollt, dann lest, was hier verkappte Feldwebel des bevorstehenden erneuten Russlandfeldzuges täglich zum besten geben. Und nicht irgendwelche als vom Verfassungsschutz „gesichert Rechtsextreme“. Nein, sie haben Bundestagsmandate der großen Parteien und der bellizistische Unfug, den zum Beispiel eine ins Dummdreiste und Gemeingefährliche abgedriftete Außenministerin auf allen ihr gegebenen Bühnen absondert, fordert eigentlich die Passage des Grundgesetzes heraus, in der der Aufstand erlaubt ist, wenn keine andere Abhilfe zu erwarten ist. Und wenn ihr mich fragt, ist die nicht in Sicht. Zwar existieren Wahlergebnisse, die der gegenwärtigen Kriegspolitik eindeutig die Rote Karte zeigen. Dass die gewählten Alternativen allerdings einen besseren Kurs versprächen, ist eine Illusion. 

Und trotzdem, das ist das Verheerende, setzt bei denen, deren Schiffchen so langsam sinken, kein Lernprozess ein. Da werden Waffenfabriken besichtigt und im Rahmen der Zeitenwende huldvolle Reden zugunsten der Kriegsproduktion gehalten. Die Erbärmlichkeit dieser Haltung wird vor allem dann deutlich, wenn es um die Beurteilung der Kriegstreiber jenseits des Atlantiks geht. Sicher, von dort aus wurde man lange gepampert, aber auf die Kontinuität dieser für ganz Europa ramponierenden Politik zu setzen ist das beste Indiz für die mentale Unheilbarkeit dieser Klientel. Dass es gerade diese Kriegsfraktion ist, die mit Kriegsbegeisterung, Waffenfetischismus, Rassismus und Diskriminierung in der Sonne glänzt, wird dazu führen, dass das Spiel nicht mehr lange gut gehen wird.

Ja, liebe Freunde, fragt nicht, aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Wenn es auch nicht die sind, die als Repräsentanten der Bevölkerung in der Öffentlichkeit gehypt werden, es existiert noch eine Entität jenseits der publizierten Öffentlichkeit, die dabei ist, sich zu sammeln und ihre Stimme erheben wird. Momentan ist es ratsam, das zu betrachten, was sich in den USA abspielt. Dort sammeln sich Kräfte, die das Imperium neu ausrichten wollen. Nicht, dass so etwas in Gänze ein dominiertes Protektorat erfreuen könnte. Aber auch dort sind die Tage derer, die meinen, Russland sei gegenwärtig der Hauptfeind der globalen Hegemonie, so langsam gezählt. 

Alles kommt, wie es kommen muss. Und das ist gut so. Und euer geliebtes Germanistan, so wie ihr es in Erinnerung habt, existiert nicht mehr. Ein guter Rat, trinkt einen Carajillo, einen Galao oder einen Kopi Susu und genießt die Gastfreundschaft in eurer neuen Heimat! Manchmal ist das Exil auch ein Glück!

Sergej Schoiku und mein Vater

Jenseits der Aufmerksamkeit hat Bundesverteidigungsministerin von der Leyen ihren seit langem bekannten Kurs gegenüber Russland bestätigt. Sie betonte, dass es wichtig sei, mit Russland aus einer Position der Stärke heraus in den Dialog zu treten. Das hört sich bekannt an und regt hierzulande auch kaum noch jemanden auf. Was verstörte, war die deutliche Reaktion des russischen Verteidigungsministers Sergej Schoiku. Dieser hatte zu verstehen gegeben, dass man in Deutschland, nach dem was von dort aus seinem Land angetan worden sei, am besten in den nächsten 200 Jahren noch schweigen sollte. Und er fügte hinzu, dass alle Deutschen gut beraten seien, ihre Großväter zu fragen, was passieren würde, wenn Deutschland aus einer Position der Stärke Russland gegenüber träte.

Abseits des Ekels, der mich befällt, wenn die Kriegstrommeln gerührt werden, versuchte ich dem Rat des russischen Verteidigungsministers zu folgen. Ich musste nicht meinen Großvater fragen, der fiel als junger Mann im I. Weltkrieg in Frankreich. Aber mein Vater, der seinen eigenen Vater nie zu Gesicht bekam, weil er eben früh in Frankreich fiel, der war in Russland gewesen. Und er hatte viel dort erlebt, beim großen Zug nach Osten. Nun ist auch er schon lange tot, aber seine Erzählungen haften immer noch in meinem Gedächtnis.

Und obwohl mein Vater ein brillanter mündlicher Erzähler war, fiel mir wieder auf, wie wenig er vom Krieg erzählt hat. Es waren wenige Geschichten, Schlüsselerlebnisse, die er wie ein Mantra wiederholte, als wolle er seine Wunden heilen, und zwar die der Seele, die ihn weit mehr schmerzten als die verbliebenen Granatsplitter, die ihm im Körper steckten. Da war sein Pferd, das vor Moskau lebendig verbrannt war, da war der Kölner, der ein „brutaler Hund“ war, aber an Weihnachten wie ein kleines Kind weinte, wenn er vom Kölner Dom sang.

Und da war der russische Bauer, der meinem Vater ins Gesicht gesagt hatte, dass ein Volk, welches sich so aufführe wie seines, keine Kultur habe. Und da war die Partisanin, die, bevor sie von einem der Totenkopfkommandos erschossen wurde, die Faust geballt und ihr Land hatte hochleben lassen und dann zerfetzt zu Boden sank. Da, so erzählte mein Vater immer wieder, da wussten wir alle, dass dieser Krieg verloren war, obwohl wir noch im Vormarsch waren. Dann seufzte er und schwieg. Und wir, die wir zuhörten, durchbrachen nie die Stille.

Das war es eigentlich schon. Mehr erzählte er nicht. Ja, da waren ihm noch die Knie eingefroren, ja, da gab es viele Tote und Verletzte, ja, im Grunde war es von vorneherein klar, dass das alles Irrsinn war. Aber, um es zu fokussieren: Es war die Vernichtung von Mensch, Natur und Tier, es war das Schizoide im eigenen Verhalten, es war die Scham, in einem solchen Akt der Barbarei eine Rolle zu spielen und es war der Respekt vor dem Geist und dem Zusammenhalt des Landes, in dem man sich befand.

Dass eine Polit-Karrieristin unserer Tage so etwas nicht reflektiert, mag auch mit ihrer Herkunft zusammenhängen. In ihrer Familie scheinen mehr Täter als Opfer gewesen zu sein, was sich bis zu den akademischen Eskapaden des Herrn Vater zurückverfolgen lässt. Wer diese Erfahrung der Geschichte leugnet, sollte besser den Mund halten. Oder anders herum, das Sicherheitsrisiko ist eine gegen die Erfahrungen der Geschichte imprägnierte Verteidigungsministerin.