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Streumunition: Der Glaube an einen Sieg ist dahin!

Hitler wusste es und hat es unumwunden zugegeben: Hat Deutschland Zugriff auf die ukrainischen Getreide- und die russischen Ölfelder am Kaspischen Meer, dann steht der globalen Blüte des Dritten Reiches nichts mehr im Weg. Das mit dem ukrainischen Getreide hätte ja noch gelingen können, denn es gab starke Allianzen vor Ort.  Aber die Augen waren größer als der Magen. Nach dem Debakel um Stalingrad war der Traum der Weltherrschaft ausgeträumt. Nach den verheerenden Niederlagen der Wehrmacht dort konnten die USA, in der aktuellen hiesigen Geschichtsschreibung die alleinigen Befreier vor dem deutschen Faschismus, in den Krieg mit Deutschland ohne erhöhtes Risiko eintreten und sich auf die Rendite freuen.

Der aktuelle Krieg in und um die Ukraine hatte einen Aspekt, der sich auf die nahezu unbeschwerte Demütigung einer in sich zusammen gesunkenen imperialen Macht beruhte, nämlich formulierte Sicherheitsinteressen. Sie wurden der „Regionalmacht“ Russland abgesprochen. Dass da auch, neben der alten Rivalität der USA mit Russland, wieder der ukrainische Weizen mit ins Spiel kam, war eine Frage der Zeit.  Wer militärisch mitmischt, will Beute. Und so kam es, wie bereits immer wieder berichtet, dass Konglomerate wie Black Rock, Monsanto und diverse andere, us-amerikanische, bereits nach dem von den USA betriebenen Regime Change 2014 sich von den dann regierenden Oligarchen landwirtschaftliche Flächen ungeahnten Ausmaßes in der Ukraine sicherten. Gesprochen wird von einer Dimension, die der gesamten landwirtschaftlichen Fläche Italiens entspricht.

Wenn, wie nun gemeldet, die USA Streumunition in die Ukraine liefern, dann ist das nicht nur die eigene Rückkehr zur systematischen Anwendung von Kriegsverbrechen wie im Falle Vietnams und ein Debakel über die Integrität deutscher Amtsträger, die die Ächtung dieser Waffen unterschrieben haben, aber davon nichts mehr wissen wollen, sondern auch eine Auskunft über die militärischen Aussichten des Konfliktes. Denn Streumunition zerfetzt nicht nur Menschen, sondern sie macht die Flächen, auf denen sie abgeworfen wird, auf viele Jahre hin unbrauchbar. 

Wenn jetzt mit Streumunition operiert wird, bedeutet es, dass man nicht mehr davon ausgeht, die Flächen selbst in naher Zeit nutzen zu können. Die Erkenntnis, die sich also mit dem Hinweis auf die Lieferung von Streumunition verbirgt, gestaltet sich nicht unbedingt als ein Geheimnis: die Zuversicht in einen Sieg über die russischen Streitkräfte ist dramatisch gesunken. Die Enttäuschung, die die ukrainische Delegation auf dem NATO-Gipfel erfahren musste, entspricht dieser Entwicklung. Es hat sich in den USA und somit auch in der Administration der NATO die Erkenntnis durchgesetzt, dass der Krieg in und um die Ukraine verloren ist. Folglich ist die Reaktion nur konsequent: Was wir nicht haben können, soll Russland erst recht nicht bekommen. Die Lieferung von Streumunition ist dafür ein starkes Indiz.

Dass sich der gesamte Werte-Westen mit diesem Zug in der Welt wiederum weiter isoliert, dürfte außer der hier propagandistisch verseuchten Öffentlichkeit keinem mehr ein Rätsel sein. Längst werden die Vertreter des Westens in nahezu jedem Teil der Welt mit der eigenen Doppelmoral konfrontiert. Und dass hierzulande Inhaber von Ämtern, die zu den wichtigsten des demokratisch verfassten Staates gehören, sich nicht mehr an die eigenen Verbindlichkeiten halten, um nur nicht den amerikanischen Gebietern einmal widersprechen zu müssen, ist nicht nur ein Indiz für deren Armseligkeit, sondern auch für das Fiasko, in dem sich dieses Land befindet. 

A.C.A.B. in Indien

Ganz nach dem Motto „Jetzt heißt es Allianzen schmieden“ haben sich verschiedene Mitglieder der Bundesregierung auf den Weg gemacht. Dass dabei die alte Kolonie Namibia, die für Wasserstoff sorgen soll, auf dem Reiseplan steht, ist sicherlich ebensowenig ein Zufall wie der Besuch der Außenministerin, die in die alte britische Kolonie Indien gereist ist. Wenn schon das Auftreten des schneeweißen Europas als Neokolonialismus zu bewerten ist, warum dann nicht zuerst einmal in den alten Jagdgründen vorbeischauen?

Unabhängig von den großen historischen Linien ist vor allem der Besuch von A.C.A.B. in Indien von besonderer Bedeutung. Denn Indien mutiert mehr und mehr von einem ehemaligen, zwar bevölkerungsreichen, aber dennoch armen Schwellenland zu einem gewaltigen Machtzentrum. Da, nachdem das Tischtuch mit Russland zerschnitten ist und nun in Phase Zwei dasselbe mit China geschehen soll, liegt es nahezu auf der Hand, Indien auf die eigene Seite ziehen zu wollen. Handelt es sich doch bei diesem Land um eines, das historisch so manche offene Rechnung mit China zu begleichen hat. So zumindest die Spekulation.

Dass es sich bei Indien jedoch um eine Macht handelt, die vor allem ihren eigenen Interessen folgt, muss der wieder einmal mit Werten und Moral und den damit verbundenen Dilemmata beladenen Außenministerin relativ schnell deutlich geworden sein. Trotz ihrer Bereitschaft zu symbolischen Ehrerweisungen, wobei ihr der Besuch an der Gedenkstätte des die Gewaltlosigkeit predigenden Nationalhelden Mahatma Gandhi wohl am schwersten gefallen ist, stieß sie auf Verhandlungspartner, die sehr schnell und nüchtern zur Sache kamen.

Auf das Ansinnen A.C.A.B.s, doch auf den Kauf russischen Öls zu verzichten und Russland für den Krieg in der Ukraine zu verurteilen, erhielt sie die Antwort, dass Indien genauso den eigenen Interessen folge wie die Bundesrepublik auch und man nicht einsähe, aus welchen Gründen auch immer anders zu handeln. Dass die Ministerin in diesem Zusammenhang auf die Wertegemeinschaft hinwies, die in Bezug auf die indische Verfassung stimmen mag, in Bezug auf das Schicksal bestimmter Volksgruppen und Religionsgemeinschaften jedoch nicht, sondern eine ähnliche Problematik aufweisen wie in China, blieb unerwähnt, aber nicht unbemerkt. Das argumentative Kartenhaus einer mit schweren Waffen agierenden und mit Moral verhandelnden Gruppe alter Kolonialmächte ist im Rest der Welt, der allerdings 90 Prozent der globalen Bevölkerung ausmacht, seit langem bekannt. Da nützt es auch nichts, wenn mediale Werbeagenturen der eigenen Bevölkerung im weißen Europa und im von Weißen beherrschten Nordamerika unablässig etwas anderes weismachen wollen.

Insofern war der Besuch A.CA.B.s in Indien ein mächtiger Schlag ins Wasser. Er trug dazu bei, mir eine Anekdote ins Gedächtnis zurückzurufen. Sie wurde von einem Akteur der deutschen Entwicklungszusammenarbeit erzählt. Es handelte von einem deutschen Projekt in Indien, das sowohl vom Finanzierungsrahmen als auch von der Wirkungsdimension überschaubar war. Dem Projektleiter war es dennoch gelungen, zum zuständigen indischen Minister vorzudringen und ihm das Ansinnen zu erläutern. Dabei verwies er darauf, dass er, der Projektleiter erwarte, dass man sich bei dem Projekt auf Augenhöhe begegne. Die Antwort des Ministers entsprach dem mittlerweile in Indien vorherrschenden Selbstbewusstsein. „Wenn das der Fall sein soll“, so der Minister, „dann müssen Sie noch beträchtlich wachsen.“

Ja, um die gegenwärtige deutsche Außenpolitik zu beschreiben, bedarf es weder der Form des Dramas noch der der Tragödie. Die Anekdote reicht vollkommen aus.