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Abgeschirmt, mit roter Laterne

Es sind keine großen Anstrengungen erforderlich, um ein Bild von der gegenwärtigen Lage in den europäischen Sphären zu bekommen, die so gerne als das Europa schlechthin bezeichnet werden. Dass dann noch ein großer Teil fehlt, ist bekannt, tut aber bei dieser Betrachtung nichts zur Sache. Allein die letzten Tage bieten ein Sammelsurium von großen Unwillensdemonstrationen, was die Kritik der Politik der so gerne hier als Koalition der Willigen titulierten Akteure betrifft. Einmal abgesehen von dem verräterischen Titel dieses Bündnisses, denn das hört sich an wie eine die Schulleitung unterstützende trojanische Veranstaltung von Strebern in einem antiquierten Internat. 

In Frankreich war am 10. September ein Generalstreik, begleitet von Hunderttausenden, die sich auf Demonstrationen versammelt hatten. Sie klagten die Politik des Neokonservativen Macron an, der das Land mit dieser Politik in eine große Systemkrise gestürzt hat. In Italien und Spanien demonstrieren seit Wochen Hunderttausende gegen den Rachefeldzug des Regimes Netanyahu gegen die palästinensische Zivilbevölkerung. In der Republik Irland wird ernsthaft diskutiert, ob man in einer Organisation bleiben soll, die nichts anderes im Kopf hat, als die Mitglieder in einen kollektiven Krieg gegen Russland treiben zu wollen und immer wieder treten Abgeordnete im Europaparlament auf, zuletzt waren es die Belgier, die dem Kampf-Duo, welches der EU-Kommission vorsitzt, gehörig die Leviten lesen.

In Deutschland wird von diesen Ereignissen nichts berichtet. Beim französischen Generalstreik reichte es gerade einmal zu einer Verkehrswarnung in den grenznahen Regionen. Einmal abgesehen von den täglichen Räubergeschichten, mit denen systematisch Stimmung gemacht werden soll, hat man, zumindest von der monopolistischen Informationsseite, die Öffentlichkeit in einen Kokon der Unwissenheit eingewickelt, der alles fern hält, das den Gedanken der Rebellion nähren könnte und das Gefühl vermittelte, nicht allein zu sein. Dass das ehemalige Bollwerk der internationalen Solidarität, die deutschen Gewerkschaften, mit ihren Führungsspitzen noch in das gleiche Horn der imperialistischen Aggression blasen, ist nur eine der vielen Schattenseiten, die zu beklagen sind. Die Diagnose für die gegenwärtige deutsche Öffentlichkeit kann mit dem einfachen Wort „abgeschirmt“ am besten beschrieben werden. Wie lange sich das noch seitens der korporierten Demagogie durchhalten lässt, ist eine Frage der Spekulation. Letztendlich ist es irrelevant.

Dass sich in dem Europa der Europäischen Union mächtig Widerstand gegen die gegenwärtige Kriegswirtschaft und die diabolischen Koalitionen regt, ist hingegen ein sehr ermutigendes Zeichen. Machen Sie sich selbst ein Bild! Kämen wir auf die Idee, den nötigen Aufstand ins Auge zufassen, so wären wir nicht allein. Tun wir es nicht, dann wird er dennoch stattfinden. Die Spitzenposition, die dieses Land auf vielen Gebieten über lange Zeiträume innehatte, ist passé. Wir laufen bereits mit der roten Laterne hinterher. Die Avantgarde befindet sich woanders. Das, was kommen muss, wird kommen. Mit oder ohne uns. Aber das ist historisch ohne Belang. Die rote Laterne ist uns sicher. Schade ist es trotzdem.    

Abgeschirmt, mit roter Laterne