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Außenpolitik: Irreversible Schäden

Es empfiehlt sich, bei der Begutachtung der Arbeit unserer Regierung auf den Satire-Modus umzuschalten. Mit dem Instrumentarium vernunftgesteuerter Kritik kommt man nicht weit. Und, wie es der Zufall so will, zitierte der ARD-Tagesthemen-Moderator Ingo Zamperoni in seinem gestrigen Bericht über die gegenwärtige politische Lage Italiens ein dortiges Sprichwort, das, übrigens wie vieles andere in dem Beitrag, auch sehr gut auf Deutschland zutrifft: Wer von der Hoffnung lebt, endet in der Verzweiflung.

Das Mitglied einer Sekte, welches momentan das Amt der Außenministerin bekleidet, hatte in dem sehr tendenziösen amerikanischen Nachrichtenmagazin Fox News, lange der Haussender von Donald Trump, ein Forum erhalten, um ihre verschrobene Weltsicht dem vornehmlich amerikanischen Publikum zu unterbreiten. Dort machte sich die gegen jegliche Form der Diplomatie imprägnierte und in die weltliche Vorsehung Eingeweihte einen nachhaltigen Namen, indem sie den Ministerpräsidenten der Volksrepublik China kurzerhand einen Diktator nannte. 

Wenn es der Fall wäre, dass Xi Jinping ein Diktator ist, dann handelt es sich folgerichtig bei der Volksrepublik China um eine Diktatur. Dass das Sektenwesen das Hirn dermaßen vernebelt, dass das eigene Gedächtnis mehrere Semester des politikwissenschaftlichen Studiums komplett auslöscht, ist in diesem Fall keine Überraschung. Denn die Dame hat zur Genüge bewiesen, dass ihre diversen Studien zu keinen nachhaltigen Ergebnissen geführt haben und dass sie alles mitbringt, was sie als deklarierte Chefdiplomatin einer ökonomischen Mittelmacht auf keinen Fall prädestiniert. Soweit ist alles bekannt.

Dass allerdings ein Kanzler, der seinerseits seitens der Verfassung über das Instrument der Richtlinienkompetenz verfügt, zu derartigen Absencen der Außenministerin schweigt, weißt daraufhin, dass er immer wieder gewillt ist, seinen Eid, Schaden vom deutschen Volk fernzuhalten, zu brechen. Die Folgen der außenministeriellen Selbstüberschätzung und unangebrachten Pöbelei werden sich in Zahlen ausdrücken lassen. Die deutsche Industrie wird leiden, Arbeitsplätze werden verloren gehen und der soziale Erdrutsch wird beschleunigt. Wer das billigend in Kauf nimmt, nur um an der Regierung zu bleiben, hat weder Charakter noch Haltung.

Und die vielen Schafe in der Kanzlerpartei sind anscheinend gewillt, alles Erdenkliche gleichmütig zu tragen, Hauptsache der Verein bleibt im Spiel. Ihr Gemecker wird allerdings dann zu hören sein, wenn sich die Herde am Zaun der Fünfprozent-Hürde zu verheddern beginnt.

Angesichts des exemplarisch angeführten Vorfalls einer von allen guten wie bösen Geistern verlassenen Vulgär-Feministin im Amte einer Außenministerin sei noch einmal auf die Reportage des Ingo Zamperoni hingewiesen. Denn in dieser fragte der Journalist immer wieder die Italienerinnen und Italiener, ob ihnen die post-faschistische Prägung der jetzigen Regierungschefin Meloni nicht bewusst oder egal sei. Erstaunlich waren aus meiner Sicht die Parallelen zu den hiesigen Vorgängen.

Nahezu alle Befragten verwiesen auf die Politik der vorherigen Kabinette, die verantwortungslos operiert hätten, denen die Sorgen vieler Menschen völlig gleichgültig gewesen seien und die sie mit einer Ideologie belästigt hätten, die ihnen fremd sei und die die tatsächlichen Probleme einfach negiert hätte. Insofern war der Beitrag ungewollt ein Leerstück darüber, was politisch folgen wird, wenn man glaubt, solche völlig hirnrissigen Eskapaden wie die der Außenministerin unkommentiert lassen zu können und durch Schweigen vergessen machen zu wollen. 

Wieder einmal sind Schäden angerichtet worden, die irreversibel sind. Wer von Gewicht in dieser Welt wird sich mit solchen Figuren noch an einen Tisch setzen? Wer das Anwachsen des so genannten Populismus beklagt, sollte nicht an dieser  abstrusen Form der Politik festhalten. Wer es dennoch tut, bereitet den Erdrutsch aktiv vor. Ausreden werden nicht akzeptiert!

Deutschland: Zustreben auf das amerikanische Muster?

Es geht hoch her in diesen Tagen. Endlich auch im Fußball, mehr dazu später, aber auch und besonders in der Politik. Während Donald Trump nun das macht, was seitens z.B. Deutschlands schon eine gute Tradition ist, nämlich die Steuersätze auf Importautos merklich zu erhöhen, was, wie bemerkt umgekehrt auf amerikanische Mobile schon lange so praktiziert wird, und dem armen Konsumenten auf dem deutschen Markt suggeriert wird, es sei eine amerikanische Attacke auf den freien Markt, werden in Europas Hinterhöfen die Messer gewetzt. Das wiederum hängt mit den Manövern zusammen, die aus der Zentrale der CSU in Sachen Migrationspolitik gefahren werden.

In Deutschland selbst geht es zahlenmäßig um eine Marginalie, allerdings, das sollte ehrlicherweise nicht unter den Tisch fallen, kommen wieder neue, inszenierte Kriege im Nahen Osten, dann kann sich das Jahr 2015 mit seinen großen Fluchtbewegungen nach Zentraleuropa wiederholen. Aber, und das schränkt die Legitimität der Aktionen Seehofers wiederum drastisch ein, wenn es keine  europäische Position zu dieser Herausforderung geben wird, dann wird sich der Druck auf die einzelnen, attraktiven europäischen Staaten erheblich erhöhen.

Da rückt die Vermutung nahe, dass sich die die selbsternannten Sicherheitsexperten mit einem Traum beschäftigen, den schon Franz Josef Strauss immer wieder bewegte: Wie wäre es mit einer bundesweiten Präsenz der CSU? Seehofer, der übrigens 2015, an jenem Tag, als Bundeskanzlerin Merkel die Grenzen für passierbar erklärte, einfach nicht ans Handphone ging, scheint nun den Augenblick für gekommen zu halten, um die kühne Vision zur Realität werden zu lassen. Dazu muss er nun einfach gegen den Willen der Kanzlerin die Grenzen für diejenigen, die bereits in einem anderen EU-Land einen Antrag gestellt haben, dicht machen. 

Dann würde die Kanzlerin, bevor sie komplett demontiert würde, von ihrer Richtlinienkompetenz Gebrauch machen und den Heimatminister nach Hause schicken. Das wiederum wäre der Casus Belli für die CSU, die ihrerseits aus der Regierungskoalition austritt und sich bundesweit orientiert, um einerseits das AFD-Streugut, andererseits aber auch den rechten Flügel der CDU abzusaugen. Die Kanzlerin würde, mit Zustimmung des willigen Rests, die Grünen in die Koalition holen. Damit wäre, was die Blöcke anbetrifft, die Vorarbeit für eine neue politische Konstellation geleistet. Hier einen konservative-nationalen Block um die CSU herum und dort ein bürgerlich-liberal-europäisches Gebilde um den Kern CDU/SPD. Das wäre die Analogie zu dem Muster, das in den USA seit ihrer Gründung dominiert. 

Es kann natürlich auch alles noch einmal anders kommen. Nämlich dann, wenn in und vor allem vor den Toren Europas ein deutliches Zeichen gegen die Renaissance von Nationalismus und Autoritarismus gesetzt wird. Sollte Erdogan bei den Wahlen trotz aller undemokratischen Präludien und aller Versuche der Einschüchterung der Opposition wie der Wähler durch den Souverän seine Demission erhalten, dann besännen sich die Demonteure des europäischen Gedankens vielleicht und handelten etwas vorsichtiger.

Europa selbst, zumindest die Idee davon und ihre zunehmende Blamage geht auf das Konto derer, die jetzt vorgeben, das alles zu verteidigen. Das ist Täuschung. Europa erhält nur dann noch eine Chance, wenn es neu gedacht wird. Aber das wissen alle, außer denen, die sich um es reißen.

Viele, denen ich begegne, reden von spannenden Zeiten. Es sollte kein Kriterium sein, denn das erinnert an eine Kategorie des Zuschauens. Wir leben in extrem wichtigen Zeiten, in denen wir uns zu Wort melden müssen, egal wo! 

Der Brandsatz ist gelegt

Auch wenn es seit geraumer Zeit nicht so erscheint: In der Bundesrepublik Deutschland herrscht die Richtlinienkompetenz des Kanzlers. Das war immer so, weil es in der Verfassung steht. Das war auch bei Helmut Kohl so, obwohl es nicht immer so erschien. Und es ist im Falle der Kanzlerin Angela Merkel so, auch wenn es in ihrer Amtszeit noch seltener so erschien. Die Praxis des Abwartens und Austarierens hat bei ihrem Lehrer und noch mehr bei ihr selbst dazu geführt, dass die Richtlinienkompetenz immer mehr in Vergessenheit geriet. Sie besagt, dass es dem Bundeskanzler oder der Bundeskanzlerin obliegt, in wesentlichen Fragen zu entscheiden, welche politische Strategie bei der Bewältigung des Tagesgeschäftes maßgeblich ist. Vor allem bei schwierigen Fragen ist diese Richtlinienkompetenz entscheidend, ob die Regierungsgeschäfte so geführt werden, dass sie begründet und nachvollziehbar sind.

Bei Betrachtung der letzten Monate konnte der Eindruck entstehen, dass die Kanzlerin von diesem Recht nicht mehr Gebrauch zu machen scheint. Das war vor allem in der Krise um die griechischen Kredite so, als die Kanzlerin es zuließ, dass ihr Finanzminister in aller Öffentlichkeit Positionen vertrat, die nicht ihren eigenen Erklärungen entsprachen. Während sie einen möglichen Grexit von sich wies, vertrat der Finanzmister in aller Öffentlichkeit und in den internationalen Gremien, in denen er unterwegs war, genau das Gegenteil. Und nun, in der Frage um die massenhafte Immigration, erscheint es wieder so. Da vertreten Regierungsmitglieder reihenweise Positionen, die anscheinend nicht dem Kurs, den die Kanzlerin formuliert, entsprechen. Das ist ein offener Verstoß gegen die Richtlinienkompetenz. Durchgesetzt wird sie nicht. Was bleibt, ist eine zunehmende gesellschaftliche Verunsicherung.

Die Meldung, dass momentan in Brüssel wie Berlin darüber nachgedacht werde, einen Flüchtlingssolidaritätszuschlag einzuführen, ist wieder so eine Geschichte. Im Kontext taucht erneut der Name Schäuble auf. Dieser bringt es fertig, die Vermutung weder zu bestätigen noch zu dementieren. Das ist eine Floskel, die alles sagt. Bei der Meldung handelt es sich um den Versuch, einen Brandsatz zu legen, der zu einer Explosion führen soll. Die Einführung einer Sondersteuer würde zu einer emotionalen Eskalation der Befindlichkeiten um die Zuwanderung führen. Genau das ist es, was dahintersteckt. Es ist politische Brandstiftung. Ausgeführt von Regierungsmitgliedern, unter den Augen der Kanzlerin. Entweder spielt sie das Spiel mit, um auszutarieren, was geschieht, dann ist es an spekulativer Arroganz nicht mehr zu überbieten, oder sie hat bereits die Macht verloren, ihre Kompetenzen durchzusetzen. Dann ist es das Ende ihrer Amtszeit.

Es scheint die logische Folge einer langen Entwicklung zu sein. Abwarten, was geschieht, sich von der irdischen Politik zu abstrahieren und sich zunehmend selbst zu inszenieren. In der letzten Woche, als die Bundeskanzlerin zumindest medial als Kandidatin für den Friedensnobelpreis gehandelt wurde, inszenierten die ARD mit Showmasterin Anne Will noch einen einstündigen Promotionspot, wo sie sich jenseits der gesellschaftlichen Entwicklungen als exponierte Humanisten darstellen konnte. Derweilen rebelliert die eigene Partei und die CSU mobilisiert den archaischsten Populismus der Dekade, um auf Stimmenfang zu gehen. Eine Intervention aus dem Kanzleramt blieb aus.

Während die Republik sich beweisen muss, während Hunderttausende sich engagieren, ungeachtet ihrer sonstigen Verpflichtungen, während die Ursachen für die gegenwärtigen Probleme einer strategischen Lösung harren, inszeniert sich die Kanzlerin, um einen Preis zu gewinnen und rebelliert eine Partei, die sich den Realitäten verwehrt. Für solche Fälle existiert unter anderem die Richtlinienkompetenz. Aber was nützt das alles, wenn weder Richtlinien noch Kompetenz zu finden sind?