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Recht und Freiheit statt Krieg und Geld!

Und wieder sind wir Zeugen einer Steigerung. Einer Steigerung, die sich viele Menschen vor kurzer Zeit nicht in den schlimmsten Träumen hätten vorstellen wollen. Da ist zunächst die Schamlosigkeit, mit der Aussagen vor der Wahl nur Stunden danach in ihr Gegenteil verkehrt wurden. Von wegen Festhalten an der Schuldenbremse. Die größte Kreditaufnahme seit der Wiedervereinigung. Obwohl man da keine Kredite aufnahm, sondern einfach Kassen plünderte.  Schwamm drüber. Und jetzt, die Begründung: Der Russe steht vor der Tür und Amerika wird über Nacht ebenfalls zum Feind. Logisch, das alles kam über Nacht, kurz nach der Wahl. Obwohl auch das, wenn man es genau betrachtet, ein Hirngespinst ist. In beiden Fällen! Nur dass man lange an solchen Halluzinationen arbeitet, macht sie noch lange nicht zu einer faktischen Realität. Hauptsache, man kann auch diesen Unsinn wieder an den Mann bringen. Unterm Strich geht es um die Bereicherung bestimmter Branchen, auf Kosten aller, die guten Glaubens sind.

Und, so überwältigend das alles schon ist, da kommt eine Kommission aus der Anonymität, obwohl deren Mitglieder bereits eine politische Vita haben, und legt dem Präsidenten wie der Koalition in spe, vom Linken Politiker Bartsch so treffend die große Schuko, die Schuldenkoalition genannt, ein achtzigseitiges Dokument vor, in dem steht, wie alles besser werden soll. Und, man kann es sich denken, es ist viel die Rede von Bürokratieabbau, von sinnvollen statt unsinnigen Investitionen und natürlich von der Entwirrung des Föderalismus. 

Gut und schön, könnte man da sagen, wenn der liebe Herr Steinbrück nicht in einem Interview das System, an dem alle seit Jahrzehnten gearbeitet haben, als die Ursache vielen Übels deklariert hätte. Er sprach davon, dass es wichtig sei, auf die Bürgerschaft und ihr Handeln wieder zu vertrauen und ihr nicht mit Misstrauen und Kontrolle zu begegnen. Es ist das System von Regel und Sanktion, das das Vertrauen in Freiheit und Recht seit langem abgelöst hat. Und, was da so unterschwellig herüberkam und gesagt wurde, wäre ein radikaler Paradigmenwechsel. Weg von dem zunehmend als Demokratie bezeichneten Autoritarismus und hin zu Selbstbestimmung und Freiheit. Wer allerdings glaubt,  der Bundespräsident oder der Flunkerkanzler würden das beherzigen, der hat die Liberalisierung des Betäubungsmittelgesetzes zu ernst genommen und badet sich im halluzinogenen Übermaß.

Bleiben wir bei den Fakten. Russland wird uns nicht angreifen, weil es gar kein Interesse daran haben kann. Bodenschätze sind nicht vorhanden, eine mental deteriorierte Work Force und geostrategische Vorteile ergeben sich auch nicht. Die Vereinigten Staaten sind ebenfalls keine Bedrohung. Sie waren seit dem II. Weltkrieg da, haben von hier aus lustig das Völkerrecht gebrochen und wurden von keiner Bundesregierung jemals dafür gerügt. Jetzt, wo sie ihre Sachen einpacken wollen, wird davon gesprochen, sie stählen sich aus der Verantwortung. 80 Jahre nach dem Krieg! 

Wir sollten uns die Frage stellen, welcher Vergehen sich eine Gesellschaft schuldig gemacht hat, die es zuließ, derartig mediokre Hysteriker in die höchsten Ämter gelangen zu lassen. Und die es hingenommen hat, dass die Pressefreiheit von ein paar verdorbenen Charakteren so leicht gekapert und monopolisiert werden konnte. 

Ja, der Paradigmenwechsel vom System Regel und Sanktion hin zu Recht und Freiheit ist überfällig. Er wird nur gelingen, wenn die Chargen, die nichts anderes als Krieg und Geld im Kopf haben, so schnell wie möglich von der Bildfläche verschwinden.  

Aufgeklärtes Europa?

Wenn ein Prozess einen Zustand hergestellt hat, den man analog zur us-amerikanischen Militärdoktrin als Full Spectrum Dominance bezeichnen müsste, dann ist es der der sprachlichen Beeinflussung des Publikums. Begriffe wie Hassrede, etwas schlecht reden, Populismus oder Verschwörungstheorie bilden nicht nur Bezeichnungen für tatsächlich zu konstatierende Zustände, sondern auch Werkzeuge, um alles, was nicht der herrschenden Meinung entspricht, auf das radikalste zu diskreditieren. 

Dazu hatten sich staatliche Institutionen Dinge einfallen lassen, die dem Grundgedanken des demokratischen Staates auf das tiefste widersprachen.  Indem private Plattformen und Agenturen aufgefordert wurden, Aufgaben des staatlichen Monopols der Rechtsüberwachung zu übernehmen, wurden auf Betriebe mit privater Profitorientierung staatliche Funktionen übertragen, die sie, ohne rechtlich anfechtbar zu sein, so wahrnahmen, wie sie der politischen Auffassung der Auftraggeber entsprachen. Dass nun, bei der Aufkündigung der Wahrnehmung dieser Aufgabe bei einer mächtigen Plattform zu einem Aufschrei nahezu des gesamten politischen Lagers führt, zeigt in aller Deutlichkeit,  inwieweit Rechtsstaatlichkeit seit langem auf der Strecke geblieben ist. Stattdessen erhärtet sich der Eindruck, dass eine rechtlich fragwürdige Zensurpraxis über den Umweg des Outsourcing zu einer allgemein gesellschaftlich akzeptierten Form der Gängelung akzeptiert wurde.

Als Herrschaftstechnik ist dieses Manöver weitaus geschickter als dass man es den Betreibern zugemutet hätte. Denn diese benehmen sich nicht so wie Strategen, sondern machen an nahezu jedem Arbeitstag genau das, was sie anderen zu verbieten suchen. Sie säen Hass gegen ihre politischen Gegner, sie diskreditieren alles, was ihnen als Standpunkt nicht in den Kram passt, sie unterstellen jeder anderen Meinungsäußerung eine fragwürdige Motivation und sie insinuieren nach jedem Versuch eines Perspektivenwechsels eine bezahlende feindliche Agentur. Wer so agiert, kann unter normalen Umständen keine edle Motivation für sich reklamieren.

Und da wären wir bei dem Dilemma, das die gesamte Politik in dem Teil Europas durchzieht, das man bei Betrachtung der geschichtlichen Befindlichkeit als ein Ensemble längst desavouierter und gedemütigter Imperien bezeichnen muss. Man stellt sich die Frage, wo in den einzelnen Regierungen und wo in dem großen, supra-nationalen Zusammenschluss noch ein Licht dessen ist, das den Aufstieg zu einem Faktor in der Weltherrschaft gemacht hat? 

Man könnte auch versuchen, einen Rat zu geben. Er würde sich an die richten, die mit aller schwindenden Macht versuchen, das Buch des Handelns noch in der Hand zu behalten. Statt sich auf Finten zu verlagern, mit denen die Enthüllung und der Widerspruch unterbunden werden können, sollte man vielleicht versuchen, den Kräften Raum zu geben, die tatsächlich in der Lage sind, Freiheit dazu zu nutzen, etwas neu und besser zu machen, alte bewährte Prozesse zu modernisieren und neue Korridore der Erkenntnis zu eröffnen. Durch Regeln, Verbote und Sanktionen ist dieser Kontinent nicht zu dem geworden, was er einmal war. Die Renaissance, in der wir uns momentan befinden, ist die Zeit, aus der später einmal die Aufklärung hervorbrach. Das ist nicht der Weg, der aus der historischen wie systemischen Krise führt.

Lehnen Sie sich einmal zurück! Schließen Sie die Augen, und beantworten Sie eine Frage, die sich aus folgendem Zitat ergibt: 

„Das aufgeklärte Europa ist so lange am Leben, wie die schöpferischen Leidenschaften die Ressentiments in Schach halten.“ (Peter Sloterdijk, Der Kontinent ohne Leidenschaften)

Und, wie sieht Ihre Antwort aus? 

Toxisch: „Schuld sind immer die anderen!“

Vielleicht gehört es ja zu den nationalen Eigenheiten der Spezies, die sich hinter dem Begriff „Deutsch“ verbirgt, dass im Vordergrund der Überlegungen nicht der Versuch steht, ein Problem zu lösen, sondern die akribische Suche nach den Schuldigen. Wer aus Verbrechen und Strafe Schuld und Sühne macht, weiß, wo die Prioritäten liegen. Seit wann die psychopathologische Suche nach den Schuldigen so en vogue ist, wäre eine interessante Aufgabe für Historiker. Ist es nach dem Dritten Reich und dem nachfolgenden Desaster und das Ergebnis einer hinterhältigen Form der Re-Education oder beginnt es schon mit dem Mord an unserem heldenhaften Siegfried? 

Unabhängig davon ist es momentan sehr ergiebig, sich anzusehen, wie die mannigfachen und reichhaltigen Probleme, in dem sich eine Massen- und Industriegesellschaft in Zeiten großer technologischer wie politischer Veränderungen befindet, eingeordnet werden. An dem Bündel der damit verknüpften Problemstellungen sind alle möglichen Ensembles schuld, glaubt man den selbst ernannten Qualitätsmedien. Da ist, wie könnte es anders ein, die momentane Regierung, da ist ein Wladimir Putin, da sind die Chinesen, da ist ein Donald Trump und neuerdings auch noch solche Kanaillen wie Elon Musk. Hat man diese Figuren und Entitäten einmal benannt, lebt es sich im Konvolut ungelöster Probleme schon mal erheblich leichter. Und wenn es dann noch gelingt, diejenigen im eigenen Land, die sich an Ursachenforschung und Lösungsansätzen abarbeiten irgend einem Feindbild zuzuordnen, dann kann man in aller Ruhe so weitermachen wie zuvor. Das löst zwar kein Problem, klärt aber zuverlässig die Schuldfrage.

Die hohen Energiepreise, die sich auf Produktionskosten wie Konkurrenzfähigkeit auswirken, sind das Ergebnis eigener Entscheidungen. Man hat die Lieferungen aus Russland gekappt oder sich kappen lassen und man strukturiert die Energieversorgung um, was die Netzerstellung, -Erweiterung wie -Unterhaltung extrem verteuert hat. Man hat den Mindwechsel in der individuellen Mobilität nicht rechtzeitig erkannt und ist bei den bewährten und bis zu einem gewissen Zeitpunkt erfolgreichen Formen geblieben, ohne sonderlich innovativ zu sein. Im Bereich der Infrastruktur wurde nicht einmal der Bestand gesichert. Investitionen in die Unterhaltung blieben aus, geschweige denn in die in eine notwendige Modernisierung. Das Bildungssystem wurde, trotz zahlreicher Hinweise auf massive Defizite, in seiner alten Struktur aufrechterhalten. Chancenungleichheit und eine Ignoranz gegenüber den vorhandenen humanen Potenzialen waren die Folge. Indem man sich an diversen unsinnigen, völkerrechtswidrigen wie nutzlosen Kriegen beteiligte, sorgte man für Immigrationswellen, die das Vermögen der eigenen Institutionen weit übertraf.

Der wohl größte Fehler war die Vorstellung, es bei der eigenen Bevölkerung nicht mit einem Souverän zu tun zu haben, der über genügend Potenzial und Phantasie verfügt, um sich als Protagonist den Herausforderungen stellen zu können. Statt alle Aufmerksamkeit seinen Rechten zu widmen, verabschiedete man ausufernde Regeln, und drohte bei ihrer Nichteinhaltung mit Sanktion. Regel und Sanktion wurde zum Paradigma einer vertrödelten Epoche. Gelöst hat es nichts. Vertrauen wurde dadurch zerstört und es hat zu einer essenziellen Krise des politischen Systems geführt. 

Es geht nicht darum, erneut auf die Suche nach Schuldigen zu gehen. Es geht darum, Ursachen für Krisen, Probleme und Herausforderungen zu benenn und sich Klarheit darüber zu verschaffen, wie ein Land und seine Bevölkerung seine Potenziale einsetzen muss und kann, um eine Zukunft zu schaffen, die vereint und zu Hoffnung Anlass gibt. Bei einer derartigen Aufgabenstellung ist der Slogan „Schuld sind immer die anderen“ nicht nur einfältig, sondern hoch toxisch!