Dass die Motoren der kapitalistischen Entwicklung nicht mehr so richtig laufen, ist zu einer Allerweltsweisheit geworden. In Sachen Produktivität ist der Gigant China seit langem erwacht, in Bezug auf die Rechtssicherheit ist vieles ins Fließen geraten und der freie Welthandel ist längst Geschichte. Das kann man bedauern, aber man sollte es zumindest registrieren und darüber nachdenken, was zu tun ist, um in den Heimländern des Kapitalismus und der westlichen Demokratien wieder in die Nähe der Stärken zu kommen, die sie einst groß und potent gemacht haben.
Die Produktivität hängt nicht nur mit Bildung, Infrastruktur, einer gut ausgebildeten und motivierten Workforce zusammen, sondern auch mit der Attraktivität für diejenigen, die Leistungen und Innovationen entwickeln, die sich patentieren lassen und in einem korportierten Prozess zu Standards werden können. Dass zur Verwertung von guten Ideen im Technologiebereich auch die Verfügbarkeit von bezahlbaren Ressourcen gehören, ist eine triviale Feststellung, die mehr und mehr in Vergessenheit geraten zu sein scheint.
Was den freien Welthandel betrifft, so sind es gerade die Kernstaaten des Kapitalismus gewesen, die sich seit langem durch Zölle von Konkurrenten abzuschotten suchten. Die Begründungen für derartige Zölle, die auch die EU lange vor den Vereinigten Staaten eingeführt hatte, hatten zumeist fadenscheinigen Charakter. Entweder handelte es sich um kolonialistische Gesten oder man sprach von ungleichem Wettbewerb, der durch staatliche Begünstigungen bei der Konkurrenz zustande käme, obwohl der Grad der staatlichen Subventionierung im eigenen Wirkungsbereich gleiche Dimensionen erreichte. Dass die USA unter dem jetzigen Präsidenten Trump die Zollkeule wie ein archaischer Kämpfer schwingt, ist auf die strategische Defensive der Hegemonialmacht zurückzuführen.
Die Kriege, die momentan geführt werden und die Positionen, die sich konturieren, zeugen wiederum davon, wie sehr der kapitalistische Produktionsprozess in Bezug auf seine Ressourcenverfügbarkeit ins Holpern geraten ist. Unterbliebene Investitionen in die eigene Workforce, Zollkriege und zunehmend schwierigerer Zugang zu wichtigen Ressourcen beschreiben in einem Satz, wie es strategisch um die Ökonomien der gewichtigen EU-Staaten bestellt ist.
Eine Strategie zu entwickeln, die Zölle vermeidet, den Zugang zu Ressourcen erleichtert und sie bezahlbar macht, die Schaffung interessanter und zugänglicher Märkte und die Investitionen in Bildung und Infrastruktur sind die primordialen Aufgaben, denen sich das leitende Personal widmen sollte. Wer daran glaubte, sieht sich bitter enttäuscht und zunehmend in einer Position ungläubiger Beobachtung.
Das leitende Personal der EU wie die Staatsführungen der protagonistischen Länder hat sich in das Zolldenken zunehmend eingefunden, es wird in Sonderschichten an Feindbildern gearbeitet, man setzt auf die Karte Krieg und investiert in Rüstung auf Kosten aller Faktoren, die kluge und motivierte Köpfe hervorbringen, man träumt vom Sieg über Konkurrenten, die über Ressourcen verfügen und schottet sich ab. Mit Intelligenz hat das nichts zu tun. Und folglich nichts mit einer Strategie, die den Ländern, die sie vertreten, gut täte.
Heute fahren EU-Vertreter nach China. Und sie werden, da kann man sicher sein, die Frontlinien betonen und nicht danach streben, vernünftige, nach den Interessen beider Seiten ausgerichtete Vereinbarungen zu treffen. Da wird der kolonialistische Stumpfsinn anreisen und mehr Schaden anrichten, als man selbst verkraften kann. Die Chancen, die sich böten, wenn man mit China und der in einer gigantischen Investition zustande gebrachten Seidenstraße zu Vereinbarungen käme, die in beiderseitigem Interesse läge, wären groß. Doch wer permanent auf Krawall gebürstet ist, hat nicht mehr alle Sinne beisammen.
