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Polit-Influencer

Es läuft so, wie es sich die Psychoten auf der Brücke der Meinungsbildung vorstellen. Das, was sie meinen, unbedingt geschehen muss, wird als Faktum verkündet. Bis sich niemand mehr der fingierten Tatsache widersetzt. So momentan vorexerziert am Beispiel der Bundesverteidigungsministerin. Da wurde lanciert, dass sie nicht mehr wolle und an Rücktritt denke, und die ganze Meute repliziert die schöne Entenstory. Einmal unabhängig von der Leistung, die diese Frau in diesem Amt erbracht hat. Dass sie ein Fettnäpfchen nach dem anderen zielgerichtet angesteuert und auch getroffen hat. Dass sie nicht in der Lage war, den produzierten Schimären der kriegshetzenden und pausenlos fälschenden Monopolpresse entgegenzutreten und die Fakten richtig zu rücken. Dass nämlich die Bundesrepublik das Land Europas ist, aus dem die meisten Mittel in Hardware wie Geld in die Ukraine fließt, was geopolitisch ein Skandal ist, doch darum geht es den professionellen Demagogen nicht. Was der Ministerin fehlte und womit sie allerdings nicht allein ist, das ist Fingerspitzengefühl und eine breite Stirn. 

Und dann sind wir bei dem, was offen ein Massenphänomen genannt werden muss. Zumindest in der politischen Klasse, die momentan in diesem Land wirkt. Oder, besser gesagt, getrieben wird. Wo finden sich in diesem Ensemble, egal in welcher Partei, denn noch Charaktere, die das Standing hätten, den Hysterieproduzenten in Presse, Funk und Fernsehen bei ihrem unverantwortlichen Gequatsche die Stirn zu bieten und sie in ihre Grenzen zu verweisen. Wer, in Zeiten wie diesen, in denen wir es mit einem lang vorbereiteten Krieg zu tun haben, der in globaler geostrategischen Dimension gesehen werden muss, nichts anderes fordert als den krieg zu befeuern, wer Feindbilder aufbaut statt zur Mäßigung aufzurufen, wer genau das macht, was man der wie immer gearteten Opposition vorwirft, nämlich Volksverhetzung und Hassrede, der muss in seine Schranken gewiesen werden. 

Nicht ein Verfahren wegen Volksverhetzung, nicht ein Verfahren wegen Rassismus, nicht ein Verfahren wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit. Kein Amtsträger, der die Courage aufbrächte, eine solche Anzeige zu erstatten. Und sie wissen genau, warum. Weil sie auf dem Scheiterhaufen der von ihnen geformten öffentlichen Meinung verbrannt würden. Deshalb wird auch keine Staatsanwaltschaft aktiv, bzw. die wenigen, die die Courage besitzen, werden sogleich der Kooperation mit dem Feind verdächtigt. Dabei reichte ein Blick, jeden Tag, in eines der so genannten Leitmedien, um zu dechiffrieren, was laut Strafgesetzbuch geahndet werden müsste. 

Es ist die Talfahrt der demokratischen Institutionen, die sich in diesem Verhalten offenbaren. Statt sich mit bestem Wissen und Gewissen den demagogischen Narrativen entgegenzustellen und mit Konsequenz den Geist der Demokratie bis zur letzten Konsequenz zu verteidigen, plappern sie, quasi als Einleitung zu allem, was sie sagen, den ganzen Sermon der Volksverhetzung als ihre eigene Meinung daher, damit kein Zweifel aufkommt. Wir stehen bei Fuß, auf uns könnt ihr euch verlassen. Mit uns brennt nichts an.

Wie armselig dieses Spiel ist, das dennoch funktioniert, dokumentieren die geistigen Zwerge, die in Wort und Bild diesen ganzen Unsinn medial in die Welt setzen. Und wenn es sich dabei schon um Zwerge handelt, wie groß sind dann diejenigen, die sich von diesen an und mit kalten Buffets gekauften Polit-Influencern vor sich her treiben lassen?  

Fußball-EM: Demagogisches Theater

Das Turnier ist vorüber und die Fronten scheinen klar zu sein. Betrachtet man die Kommentare auf Artikel aus den Sport- wie Massenjournalen, dann finden sich unzählige Einträge, die sich auf das Verhalten der englischen Fans beziehen. Da wird moniert, dass beim Abspielen der Nationalhymnen der jeweiligen Gegner Englands kräftig gebuht wurde, da wird unsportliches Verhalten auf dem Platz beklagt, da werden die martialischen Motivationsversuche des englischen Trainers attackiert, der vor dem Spiel gegen Deutschland vom II. Weltkrieg gefaselt hat, da herrscht Kopfschütteln wegen Hasstiraden gegen ein kleines Kind in deutschem Trikot, das weinend im Stadion saß, da hagelt es Vorwürfe, warum sich die britische Regierung in Zeiten von Corona nicht gegen das Ansinnen der UEFA gestellt hat, Sicherheitsabstände im Wembley-Stadion zu ignorieren und da existiert Entsetzen gegenüber der Reaktion von Teilen des Publikums, das in rassistischer Weise auf die Schützen misslungener Elfmeter reagiert hat. Summa summarum entsprechen alle beklagten Verhaltensweisen nicht dem Bild, das einst von englischem Sportsgeist und dem damit verbundenen Fairness-Begriff existierte. So, wie es aussieht, hat England nicht nur das Finale verloren, sondern auch seinen Ruf.

Der jeweilige Gegenstand der Empörung kann nicht geleugnet werden. Doch bei der Erklärung dafür wird es zumeist nebulös. Zum einen ist zu konstatieren, dass das Gemeinsamkeitsgefühl, das für den Gedanken eines vereinigten, gemeinsam agierenden Europas nicht mehr existiert. Der Verlust bezieht sich nicht nur auf England, sondern ebenso auf Ungarn, das ebenso in der Kritik stand und nicht einmal wegen des Auftretens seiner Fans oder seiner Mannschaft, sondern wegen eines Gesetzes, das die Regierung eingebracht hatte. Im Westflügel führte das Gefühl, dass eine administrative Zentralisierung der EU die nationale Souveränität gefährde zum Brexit, im Ostflügel ist diese Befürchtung ebenfalls vorhanden und sie wird weiterhin einen Konflikt eskalieren. 

Zum anderen ist das Bild, welches von den englischen Fans nun hierzulande vorherrscht, eine ziemliche genau Replik auf die Kontur, die durch die englische Presse mit ihren Massenorganen des Murdoch-Konzerns seit Jahren über Rest-Europa gezeichnet wurde. Es wurden Feindbilder auf beiden Seiten produziert, die in Zeiten von Dauerkrisen, die mit Existenzängsten prall gefüllt sind, auf fruchtbaren Boden fielen. Die Talfahrt des Journalismus, die durch die Monopolisierung der Presse und die Instrumentalisierung derselben durch Regierungen stattgefunden hat, ist verantwortlich für die tiefe, emotional aufgeladene Spaltung zwischen verschiedenen europäischen Nationen. Der gemeinsame Geist eines europäischen Projektes ist am Boden und es wird nach Fehlern gesucht, die selbstverständlich bei den jeweils anderen liegen. Genau das ist die Botschaft, die ein durch monopolistische Besitzverhältnisse und daraus resultierenden Produktionsverhältnissen demontierter Journalismus in die Welt setzt.

Man mag darüber spekulieren, wem das nützt. Auf jeden Fall jedoch dem Ressentiment und der Verschärfung der Konkurrenz. Die nächsten Maßnahmen, die bekanntlich nur noch aus Sanktionen bestehen, werden auf der jeweiligen Seite emotional auf fruchtbaren Boden fallen und die Spaltung beschleunigen. Wenn es eine Blaupause für die Art und Weise gibt, wie so etwas zu bewerkstelligen ist, dann war es diese Fußballeuropameisterschaft. Das zum Teil praktizierte Niederknien einzelner Mannschaften vor dem Spiel gegen Rassismus oder das Präsentieren von Regenbogensymbolen war der Sand, der in die Augen gestreut wurde. 

Wenn es, jenseits der sportlichen Ereignisse, ein Fazit dieses Turners gibt, dann sollte es die Weigerung sein, sich instrumentalisieren zu lassen: auch in England und Ungarn leben viele Menschen, denen es genauso geht wie uns hier. Zum Teil sind sie verzweifelt, zum Teil suchen sie nach Wegen, wie sie aus der Krise herauskommen. Das ist doch eine Gemeinsamkeit, die stärker ist als jedes demagogische Theater. 

Zorn und Schuld

Goddamn! Jetzt liegt der Churchill im Bassin! Natürlich nicht er, sondern seine Statue. Der Charismatiker, der es als letzter vermocht hat, das fallende Empire noch einmal zu einen im Kampf gegen Hitlers Großmachtpläne zu stellen. Keep calm and carry on! Mit dem Slogan appellierte er an die Briten, die noch etwas gaben auf ihre Nation. Es ging denen, die er motivieren konnte, nicht um das Empire, es ging um ein Überleben in Selbstbestimmung. Diejenigen, die das längst  untergegangene Empire repräsentierten, sie zählten zu seinen größten Gegnern. Sie hätten, so bezeugen es die historischen Dokumente, lieber mit den Deutschen verhandelt, weil sie nicht mehr an die Widerstandsfähigkeit des eigenen Landes glaubten. Churchill, der große Rhetoriker, hat es vermocht, noch einmal zu mobilisieren. Das Bild, das in den Geschichtsbüchern steht, zeugt von dieser Leistung, aber es zeigt auch rigorose Seiten, wie das Zitat, in dem er nach dem großen Krieg bedeutete, man habe mit den Deutschen das falsche Schwein geschlachtet. Gemeint waren die Russen, sie waren die neue Bedrohung. Imperialismus, Rassismus und Antikommunismus waren in Großbritannien nichts Neues. Das war immer die Grundlage des Empires. Dass das jetzt auffällt, innerhalb der alten Mauern von GB, ist bemerkenswert.

Dass sich die Nachfahren derer, mit denen man weltweit Handel als Arbeitssklaven trieb, deren Länder man entbeinte wie gares Geflügel, dass sich diese Nachfahren jetzt erheben und Hatz auf alles machen, was historisch den Rassismus und Kolonialismus verkörpert, kommt spät. Denn die Zeiten, wo das in dem Ausmaß betrieben wurde, wie es die Figuren, die jetzt vom Sockel fallen symbolisieren, sind aus britischer Sicht lange vorbei. Die ideellen Nachfahren derer, die mit der Peitsche in Indien und mit Opium in China ihre Geschäfte betrieben, sitzen heute in Glas-Stahl-Komplexen und blicken über eine klinisch reine City of London auf den Horizont der Finanzmärkte. Auch sie verwüsten den Planeten, nur eben unsichtbarer und smarter. So ungerecht ist die Welt. Und so geht es weiter. Dass jedoch ein Land, dass den Falkland-Krieg gegen Argentinien noch im euphorischen Blutrausch begleitete, eine Sekunde innehält und die Symbole der alten imperialen Glorie zertrümmert, weil sich andere Nachkommen von Arbeitssklaven jenseits des Atlantiks gegen alltäglichen Terror zur Wehr setzen, verweist auf etwas, das die herrschende Geschichtsschreibung eigentlich nicht vorsieht: das kollektive Gedächtnis.

So, wie es scheint, haben nicht nur Nationen ein kollektives Gedächtnis, sondern multinationale Schicksalsgemeinschaften ebenso. Die Rebellion gegen das Rassisch-Koloniale ist Ausdruck dieses Phänomens und es sendet eine Botschaft, die die erschöpften Eliten des alten Europas wie des neuen Imperiums in Schrecken zu versetzen in der Lage ist. Denn wenn alles, was die Dynamik, den Fortschritt und die Zivilisationen dieser Nationen begleitete, nämlich der Preis, den andere dafür zu bezahlen hatten, irgendwann doch auf der Rechnung erscheint, dann wird es hässlich. Hässlich für die, die die Feder führten bei der Niederschrift der Annalen einer vermeintlich dominanten Zivilisation. Keine Errungenschaft ohne Opfer. Und kein Opfer ohne Preis.

Dass die Angst tief sitzt, zeigten dieser Tage, als der überschwere Churchill vom Sockel stürzte, Bilder aus dem überseeischen New York. Dort, in Manhattan, hatten die Eigentümer der großen, etablierten, glänzenden Geschäfte ihre Auslagen in Sicherheit gebracht und alles vernagelt. Die Angst ist berechtigt und sie zeigt, dass nicht nur die, die jetzt aufbegehren, sondern auch die, die sich davor fürchten, in ihrem kollektiven Gedächtnis auch die Seiten aufbewahrt haben, die in den offiziellen Geschichtsbüchern nicht stehen und die zu der dunkeln Seite ihrer Zivilisation gehören. So, wie es aussieht, stehen in den Bilanzen, um die es gerade geht, nicht Soll und Haben, sondern Zorn und Schuld.